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Die Aeronauten - Neun Extraleben

Die Aeronauten- Neun Extraleben

Tapete / Indigo
VÖ: 20.11.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Ein lauter Abschied

Dieses Album klingt, als würde die zugehörige Band damit morgen auf Tour gehen. "Neun Extraleben" von Die Aeronauten ist jedoch schon deren elftes Studio-Album. Und was noch schwerer wiegt: Frontperson Oliver Maurmann lebt nicht mehr. Während er auf einen Ersatz für sein geschwächtes Herz wartete, gab dieses im Januar 2020 auf. Die Betroffenheit in der deutschsprachigen Indieszene war riesig, gelten die Schweizer Luftikusse doch als Institution für guten schlechten Geschmack. Nun, dass es jetzt doch zu diesem Album kommt, ist den verbliebenen Bandmitgliedern zu verdanken, die zahllose Gesangs- und sonstige Aufnahmespuren zusammentrugen und diese ergänzten und vervollständigten. Das Resultat hört sich fast wie ein neues Best Of der Aeronauten an, trägt es doch die ganze wahnsinnige Bandbreite dieser Musiker in sich. Dazu ist es nie um gewitzte, ironische oder einfach schlaue Beobachtungen verlegen, "Neun Extraleben" ist wie ein bescheidener Kreativrausch.

Geschrammelte Akustische, lakonischer Gesang, der sich um geschmeidige Melodien bemüht, so geht "Dieses anstrengende Leben" zum Auftakt. Dezent dürfen Holzbläser für harmonische Weichheit sorgen, doch in der linkischen Haltung des Vortrages lebt der Punk. In "Irgendwann wird alles gut" sind dann die Bläser blechern, die Gitarren bekommen Strom, und überhaupt, "Dinge gehen schief, Dinge gehen verloren", das interessierte Maurmann aber nur bedingt, einen rumpeligen Rockrausch kann man ja schließlich im nächsten Extraleben auskatern. Und dies ist die große Stärke dieser Platte, nichts deutet auf posthume Denkmalpflege hin, alles kommt unmittelbar und spontan aus den Boxen, als hätte Maurmann das Ganze vor fünf Minuten auf die Rückseite eines Kassenzettels gekritzelt. Da bekommt The Cures "Lovecats" ein burschikoses Update, in der Jetztzeit werden aus den verliebten Kätzchen jedoch "Hate mails", passt ja auch irgendwie besser in unsere Mobbing-affine Internetgesellschaft.

Breitbeiniger, in Richtung noisiger Rock-Epik geht der Titelsong, groovt sich stoisch und repetetiv voran, eine inspirierte Abfahrt durch narkotikabefeuerte Sonnenuntergangs-Visionen. Und auch hier: Das brennt, hat Feuer und Inspiration. Dabei pfeifen die Aeronauten auf einen übergeordneten Sound, zwischen Ska, psychedelischen Ausuferungen und meinetwegen Country herrscht reger Austausch. "Stauseegrund" macht rum mit Kraftwerk und NDW, New-Orleans-Bläser haben sich auch reinverirrt, alles schön schräg, aber eben auch schön schlüssig. Bei solchen kreativen Glanzstücken denkt man an die Goldenen Zitronen oder International Music, doch eigentlich spricht die Musik der Aeronauten für sich, das tat sie ja schon immer. Und so passt es auch, dass mit "Never be dead" kaputtester Schrammel-Punk als Konklusion steht. Ob es auch das Schlusswort dieser Band ist, wird sich zeigen.

(Martin Makolies)

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Highlights

  • Dieses anstrengende Leben
  • Irgendwann wird alles gut
  • Neun Extraleben
  • Stauseegrund

Tracklist

  1. Dieses anstrengende Leben
  2. Irgendwann wird alles gut
  3. Hatemails
  4. Goldfish murder
  5. Du kotzt mich an jetzt
  6. Lamento
  7. Neun Extraleben
  8. Stauseegrund
  9. Ballonmann
  10. Junger Mann Gedichte schreibend
  11. Ching ching wong
  12. Gletscher sterben leise
  13. Never be dead

Gesamtspielzeit: 43:18 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

fakeboy

Postings: 5518

Registriert seit 21.08.2019

2022-06-21 21:37:03 Uhr
Hör mir grad mal wieder dieses traurig-schöne Abschiedsalbum an. Ein wirklich sehr gelungenes Werk, das den viel zu früh verstorbenden Guz wunderbar ehrt. Nur etwas stört mich ein wenig: Seine Stimme ist zu leise. Wobei das irgendwie auch passt, fast so als würde er aus dem Jenseits noch seine letzten Lieder singen.

Guz fehlt.

fakeboy

Postings: 5518

Registriert seit 21.08.2019

2020-11-18 23:55:07 Uhr
Oh ja, Guz fehlt sehr. Was für ein begnadeter Sänger und Texter er doch war. Und der Vorredner hat natürlich recht: Aeronauten ohne Guz geht nicht. Hat die Band selber übrigens auch schon so verkündet.

Robert G. Blume

Postings: 915

Registriert seit 07.06.2015

2020-11-18 23:16:31 Uhr
Die Rezension hat mich gerade wieder voll traurig gemacht. Guz fehlt. Es geht mir bei ihm wie mit Nils Koppruch, Lemmy oder Roger Willemsen – Leute, an die man immer wieder voll Sympathie denkt und dann wieder die schmerzliche Erkenntnis zusticht, dass sie nicht mehr unter uns weilen.
Den letzten Satz versteh ich nicht. Klar ist die Band am Ende. Guz war die Aeronauten, ohne seine Stimme und seine großartigen Texte, wie soll das gehen?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27676

Registriert seit 08.01.2012

2020-11-18 20:42:52 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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