Songhoy Blues - Optimisme
Fat Possum / Transgressive / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 23.10.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Weltmusik
Songhoy Blues haben die Gewohnheit, ihren Alben klare und sprechende Titel zu geben. Das war schon im Falle ihres Debüt-Albums "Music in exile" gleichermaßen Zustand und Auftrag: Nachdem die explodierenden Konflikte im Norden Malis drei der vier Musiker aus ihrer Heimat Timbuktu in die Hauptstadt Bamako verschlugen, erspielten sie sich in der dort florierenden Szene rasch einen Ruf als fulminante Liveband. Im erzwungenen Exil machten sie es sich zur Aufgabe, die einzigartige Atmosphäre ihrer Heimat zu kultivieren und den zahlreichen Flüchtlingen in der Stadt musikalische Erinnerungsreisen zu ermöglichen. Doch gab es immer schon auch eine andere Seite der Band: "Wir konnten nicht einfach die Ästhetik unserer Großeltern fortführen", sagt Gitarrist Garba Touré, und nennt die Beatles, John Lee Hooker und Jimi Hendrix als wesentliche Einflüsse, aber eben auch Hip-Hop, Soul und Funk. "Außerdem lieben wir elektrische Gitarren einfach zu sehr." Spätestens mit dem zweiten Album "Résistance" starteten Songhoy Blues vollkommen durch, touren um die Welt, wurden Sprecher für UN-Programme und NGOs. Exil, Widerstand – und nun also "Optimisme": Man merkt, dieser Band geht es um etwas.
Sobald die ersten Akkorde des Openers "Badala" aus den Boxen fetzen, wird deutlich: Das hat wenig mit dem zu tun, was immer etwas ungelenk Weltmusik genannt wird. Ein donnerndes Riff zwischen Josh Homme und The Stooges und im Chor ausgestoßene Shouts wüten voller punkigen Trotzes und pusten erst einmal den Wüstenstaub aus der Garage. In der Folge fahren Songhoy Blues die rohe Energie ein wenig zurück, "Assadja" und "Fey Fey" besingen den Heroismus der Arbeiter und den Wunsch nach gesellschaftlicher Einheit mit vertrackt groovenden Polyrhythmen und mikrotonaler Psychedelik. Das klingt bei aller Virtuosität und Präzision so federleicht, dass die Trance nur eine Frage von Sekunden ist – und die Jungs von King Gizzard & The Lizard Wizard in Australien beeindruckt lauschen dürften. Erst recht, wenn sich die funkigen Strophen dann noch beinahe beiläufig in einen melancholisch-hymnischen Refrain entladen. Der wirbelnde Bluesrock von "Gabi" kommt sinnlich und komplex zugleich daher, während Sänger Ali Touré Zwangsheirat anprangert und den Wunsch nach politischer Veränderung als Leitmotiv auf "Optimisme" etabliert. "Barre" ("Wandel" in Songhai, der Muttersprache der Band) schließt beschwingt als astreiner Popsong an, dem in den Strophen die Gitarren frech entlaufen. Und "Pour toi" beginnt als wunderschöne, wehklagende Ballade, um plötzlich das Tempo rasant anzuziehen und die Sehnsucht in ein anspornendes Gefühl umzuwandeln.
Ausnahmslos jeder Song sprüht vor melodischen, rhythmischen und kompositorischen Ideen, die sich so zahlreich tummeln, dass keine besonders lange ausgereizt werden muss. Das lässt die Stücke trotz ihrer Kürze als ungemein dichte Gewebe erscheinen, die im Schatten des Openers langsam wachsen und sich in ihrer Vielschichtigkeit offenbaren. So verliert "Optimisme" auch in der zweiten Hälfte nicht an Schwung. Ob es die leichten Reggae-Anklänge des englisch gesungenen "Worry" sind oder das mysteriöse Schillern im anschließenden Duo aus "Korfo" und "Dournia", das langsam den Beginn der Nacht einzuläuten scheint: Abwechslungsreich und doch in sich geschlossen, hoffnungsvoll und zugleich wütend tragen Songhoy Blues einer Welt Rechnung, in der Widersprüche ausgehalten werden müssen. Das sanfte "Kouma" verabschiedet ein Album voller sozialkritischer Schärfe mit einer Reflektion über das Verhältnis von Sprache und Ehrlichkeit und spannt würdevoll den Bogen zur Indignation der ersten Takte. Wer "Optimisme" mit offenen Ohren zuhört, bekommt eine der besten alternativen Rockplatten des Jahres geboten – und damit vielleicht doch so etwas wie Weltmusik, im wahrsten Sinne des Wortes.
Highlights
- Badala
- Fey Fey
- Barre
- Pour toi
Tracklist
- Badala
- Assadja
- Fey fey
- Gabi
- Barre
- Pour toi
- Bon bon
- Worry
- Korfo
- Dournia
- Kouma
Gesamtspielzeit: 34:47 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Telecaster Postings: 1301 Registriert seit 14.06.2013 |
2021-02-10 11:04:28 Uhr
Hab sie mir nach anfänglichem Zögern doch auch auf Vinyl besorgt. Sehr gutes Album, kein Qualitätsabfall im Vergleich zu den ersten beiden Alben. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33171 Registriert seit 07.06.2013 |
2021-02-07 18:39:34 Uhr
Hui, gefällt mir auch echt gut. |
Sick Postings: 283 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-11-13 18:11:33 Uhr
Ich find es toll. Was für eine Energie... |
Telecaster Postings: 1301 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-11-10 22:56:48 Uhr
Der erste Song ist ziemlich heavy, danach bewegen sie sich doch wieder auf gewohntem Terrain. Der ganz große Aha-Effekt blieb erst mal aus, aber ich musste schon der zweiten ein paar mehr Anläufe geben, bis ich sie wirklich mochte. Wird auf jeden Fall noch ein paar Mal laufen bei mir in nächster Zeit. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27243 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-11-10 21:20:16 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
King Gizzard & The Lizard Wizard; Junior Kimbrough; Buddy Guy; Jimi Hendrix; Iggy Pop & The Stooges; Iggy Pop; Tinariwen; Tamikrest; Bombino; Mdou Moctar; Ali Farka Touré; Vieux Farka Touré; Sidi Touré; Leila Gobi; Oumar Konaté; Boubacar Traoré; Awa Polo; Djeli Moussa Diawara; Angelique Kidjo; Sinkane; The Good Ones; D. D. Dumbo; Omar Souleyman; Ofra Haza; Lobi Traoré; Afel Bocoum; Toumani Diabaté; Sidi Touré; John Lee Hooker; Junior Kimbrough; Ry Cooder; Damon Albarn; Bob Marley; Muddy Waters; Royal Blood; Arctic Monkeys; Queens Of The Stone Age; The Beatles; Talking Heads
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