Lana Del Rey - Violet bent backwards over the grass
Simon & Schuster / Interscope / Polydor / Universal
VÖ: 29.09.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Verdichtung
Tja, was kann schon auf ein Meisterwerk wie "Norman fucking Rockwell!" folgen? Man war sich letztes Jahr im Wesentlichen einig: Lana Del Rey hat sich mit diesem Album selbst übertroffen, ihr ultimatives Opus Magnum erschaffen. Dafür musste sie sich keineswegs neu erfinden. Nein, vielmehr brachte sie in den 14 Songs alles auf den Punkt, was sie bis dato so interessant gemacht hat: Ihre Stücke verbanden valium- und rotweingeschwängerte Melancholie mit unwiderstehlichen Arrangements, ihre Stimme schlingerte in verführerischen Kurven durch die Songs und wusste immer wieder aufs Neue zu bezirzen. Die Frage also, was man auf ein Album dieses Kalibers folgen lässt, ist für jeden Künstler eine wahre Herausforderung. Geht man zurück zu den Wurzeln? Reduziert man die Arrangements? Stürzt man sich in neue künstlerische Abenteuer und tobt sich stilistisch in gänzlich ungewohnten Genres aus? Nun, in gewisser Weise tut Lana Del Rey mit ihrer neuen Veröffentlichtung "Violet bent backwards over the grass" all dies gleichzeitig. Schließlich handelt es sich um ein reines Spoken-Word-Album, das zudem auch als Poesie-Band in Buchform erscheint: Die 14 teilweise sehr intensiven Texte werden über minimalistische Instrumentierung vorgetragen, zeigen also eine fast maximale Reduktion auf die Lyrik. Keine Frage: Diese Vorgehensweise wird nicht für jeden funktionieren. Ein respektabler, mutiger und spannender Schritt ist es allemal.
Über ein sachtes Piano erklingt zu Beginn das besonders eindringliche "LA, who am I to love you?", Del Reys Vortrag ist schnell, wirkt beinahe atemlos. Ihre Worte adressieren die Metropole Los Angeles, ganz so, als handele es sich dabei um eine Person. Immer wieder fungieren in ihren Songs amerikanische Ortschaften als die zentralen Akteure, Del Rey hingegen steht zwischen all den prunkvollen Häusern, auf verlassenen Straßen, in den dämmrig beleuchteten Hügellandschaften und schildert ihre Eindrücke. Natürlich nicht, ohne die Schattenseiten hervorzuheben. Die Brüche und Abgründe, die sich selbst im schönsten Glamour-Leben auftun und einen zu verschlingen drohen. In dieser Hinsicht fügen sich auch die Gedichte prima ins solipsistische Gesamtwerk der Künstlerin. Ihr Impressionismus glänzt schön an der Oberfläche, offenbart seine dunkle Seele aber spätestens auf den zweiten Blick. Ähnlich wie ihre Songs handeln auch ihre Gedichte von nicht erwiderter Liebe, von falschen Erwartungen, inneren Dämonen und kalten Herzen, die an heißen Tagen in der Sonne vor sich hin schmelzen. Wer die Romane von Bret Easton Ellis oder F. Scott Fitzgerald mag, kann möglicherweise auch eine Verbindung zu Del Reys Lyrik aufbauen.
Zwar nicht zentral, aber doch nicht unerheblich sind die musikalischen Konturen, die im Hintergrund für eine zusätzliche Ebene sorgen. Mal klimpert ein einsames Klavier, dann brandet schummriger Bar-Jazz auf und färbt alles in ein seliges Sepia-Licht. Man bekommt den Eindruck, dass sich hier alles an die richtige Position fügt, alles seinen Platz hat. Die Texte korrespondieren mit den Klängen im Hintergrund. Stimmungen werden dadurch verstärkt und intensiviert. Und durch unterschiedliche Dynamiken erhalten die einzelnen Gedichte einen jeweils ganz eigenen Charakter. Teils muten sie fast albtraumhaft an – wie das in Dissonanz abrutschende "Salamander" – teils aber auch wie wundersame Landschaften, die man gerne bis in den letzten Winkel erkundet. Dies liegt natürlich insbesondere am Vortrag Del Reys, der zwischen lebensmüde und lasziv pendelt und den man so oder so ähnlich von ihren Songs gewohnt ist. Inwiefern sich dieser Ausflug in die Poesie auf zukünftige Alben auswirkt, wird man sehen: Mit "Chemtrails over the country club" soll 2021 die nächste reguläre Platte erscheinen. Die Latte dafür hat sie selbst verdammt hoch gelegt.
Highlights
- LA, who am I to love you?
- The land of 1,000 fires
- Past the bushes cypress thriving
Tracklist
- LA, who am I to love you?
- The land of 1,000 fires
- Violet bent backwards over the grass
- Past the bushes cypress thriving
- Salamander
- Never to Heaven
- Sportcruiser
- Tessa DiPietro
- Quiet waiter – blue forever
- What happened when I left you?
- Happy
- My bedroom is a sacred place now – there are children at the foot of my bed
- Paradise is very fragile
- Bare feet on linoleum
Gesamtspielzeit: 38:08 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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jleon Postings: 91 Registriert seit 06.12.2019 |
2020-11-12 16:08:44 Uhr
Hab mich jetzt mal mit nem Glas Rotwein hingesetzt und es auf mich wirken lassen! Bin beeindruckt und begeistert! Wahnsinn was sie für eine Entwicklung genommen hat! Fühlte mich direkt ein wenig an Jim Morisson erinnert bis er mir dann im Track "Tessa DiPietro" sogar selbst begegnete.Wieso das jetzt ne 7/10 ist erschließt sich mir aus der eher oberflächlichen Rezension nicht.. aber ein Gedichtband ist natürlich hier ohnehin schwieriger zu bewerten als ein Musikalbum! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27355 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-11-10 21:17:28 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27355 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-07-30 17:52:34 Uhr - Newsbeitrag
Lana Del ReyMit “Violet Bent Backwards Over the Grass” hat Lana Del Rey jetzt ihr erstes Buch für den 29. September angekündigt. Es ist eine umfassende Gedichtssammlung mit über 30 Original-Gedichten der gefeierten Sängerin und Songwriterin. Am 02. Oktober erscheint das von Lana persönlich gelesene Hörbuch von “Violet Bent Backwards Over the Grass” auf CD, Picture Disc und auf Vinyl und kann ab sofort vorbestellt werden. Die digitale Version ist bereits erhältlich. |
Apfelhundel Postings: 66 Registriert seit 24.06.2020 |
2020-07-09 15:58:49 Uhr
#lanadelreyliteraturnobelpreis2050 |
Jennifer Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 4714 Registriert seit 14.05.2013 |
2020-07-09 15:36:22 Uhr - Newsbeitrag
Amazon Kanada sagt, dass es am 28. Juli erscheint. |
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