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Profligate - Too numb to know

Profligate- Too numb to know

Wharf Cat / Cargo
VÖ: 18.09.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 4/10

Diskretion und Stahltanz

Noah Anthony weiß, dass er nichts weiß. Immerhin weiß er, was er nicht ist: "not a noise guy, not a techno guy", wie er sein Projekt Profligate einmal in einem Interview umriss. Wiewohl zumindest erstere Einschätzung auf seinen 2018er-Longplayer nicht komplett zutraf – auf diesem befand sich der Mann aus Philadelphia nämlich "Somewhere else". Genauer gesagt zwischen Cold Wave bei ausgefallener Heizung und knirschig zerhackten Industrial-Rütteleien, wie sie sich Jamie Stewart von Xiu Xiu zuweilen an den morschen Rippen vorbei durch die Hühnerbrust drückt. Auf dem Nachfolger ist Anthony zwar immer noch "Too numb to know", verpackt seine scheinbare Ahnungslosigkeit jedoch in zusehends mildere und im Gegensatz zum Titel wohlinformierte, New-Wave-lastige Pop-Songs mit dezentem Grauschleier. Wozu passt, dass er ausgerechnet "Lie to me" für das unterschätzteste Depeche-Mode-Stück hält, denn in einem ähnlichen Spannungsfeld von Diskretion und Stahltanz bewegt sich sein drittes reguläres Profligate-Album.

Wenn auch unter anderen stilistischen und globalen Voraussetzungen als 1983 "Some great reward". Die abwechselnd verspielt mäandernde und scharf ätzende Gitarre, die sich im Opener zur simplen Zwei-Finger-Sequenz und Anthonys immer etwas belegtem Gesang gesellt, gehörte seinerzeit nämlich noch nicht zum Repertoire der Basildoner. Und anders als 2020 sorgte damals auch ein Songtitel wie "Mask" noch nicht für Stirnrunzeln. Doch dieses verfliegt schnell, denn "Hang up" legt direkt danach beträchtlich an Tempo zu, verkocht die Melancholie des gehobenen Synth-Pop mit kleinen, getriggerten Singalongs und schlanken Beats – und könnte sogar glatt von einem "techno guy" stammen. Ein Ruch, in den der Amerikaner bekanntlich nicht geraten möchte, weswegen "We can punish" Kreischsäge und mächtige elektronische Brandung auffährt und die Crunch-Parts von "Tula" so lange die dissonanten Muskeln spielen lassen, bis das Stück an der Wand zerschellt. So harmonisch wie möglich, so idiosynkratisch wie nötig.

So eint das latente Ungleichgewicht aus unheilvollem Schaben und Melodiösität "Too numb to know" mit Acts wie Seeming oder Gross Net, die kleinen und großen Apokalypsen mit den Mitteln gekippter Popmusik beizukommen suchen. Das irreführend benannte "No clear way" geht noch einen Schritt weiter und beleiht dank fein eingearbeiteten Leads und dynamisch vorwärtsgrummelndem Basslauf genauso deutlich Post-Punk wie "Drink a spider" Electronic Body Music minus die genretypischen Ätzstimmen. "Just a few things wrong" – noch so ein nicht repräsentativer Titel – addiert psychedelisches Keyboard-Gefiedel, eine verhuschte Akustische und duftet fast so verführerisch wie Perfume Genius' Mike Hadreas in seinen anschmiegsamen Momenten. "Set my heart on fire immediately"? Vermag dieses Album vielleicht nicht ganz – zu kühl setzt es distanzierte Reizpunkte, als dass Anthony hier den Kuschelwuschel geben würde. Im Herzen bleibt er "A stranger", legt dabei aber reizvolle Gefrierbrände. Auch ohne Techno oder Noise.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Hang up
  • No clear way
  • Drink a spider
  • Just a few things wrong

Tracklist

  1. Mask
  2. Hang up
  3. Tula
  4. A little rain
  5. No clear way
  6. We can punish
  7. Drink a spider
  8. Just a few things wrong
  9. My days
  10. A stranger

Gesamtspielzeit: 42:48 min.

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Armin

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2020-11-04 21:17:37 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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