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This Is The Kit - Off off on

This Is The Kit- Off off on

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 23.10.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Wärmflasche mit Sprudel

Wenn es draußen immer ungemütlicher wird und kaltgraue Tristesse droht, gibt es eine bestimmte Art von Musik, der man sich gerne zuwendet. Meistens spielen Akustikgitarren und Pianos dort eine Rolle. Meistens grummelt uns ein kuschliger Bariton seine Herbstpoesie ins Ohr oder findet eine kristallklare Glockenstimme den direkten Glühdraht unters Brustbein. Kate Stables ist fest in einer Szene von Künstler*innen verankert, die sich derartige Assoziationen sicher schon oft anhören mussten. Sie sang auf The Nationals "I am easy to find", arbeitete mit Jesca Hoop zusammen und erhielt frühe Förderung durch Elbow-Frontmann Guy Garvey. "Off off on", das fünfte Album ihres Bandprojekts This Is The Kit, wurde von Josh Kaufman produziert, der mit Bonny Light Horseman und Muzz dem Musikjahr 2020 schon zwei andere Selbstpflege-Produkte schenkte. Und doch wird man Stables keinesfalls gerecht, wenn man sich ihr nur über Namedropping nähert oder ihre Songs zu akustischen Heizdecken degradiert. Ihr Folk-Entwurf nimmt so manche unerwartete Wendung, strotzt nur so vor ausgefeilten Arrangements und Eigensinnigkeiten – darunter auch eine Würdigung der grandiosen Fantasy- und Science-Fiction-Autorin Ursula K. Le Guin, die einem ganz besonderen Album die Krone aufsetzt.

Man höre allein die erste Single "This is what you did". Das nervös gepickte Banjo bohrt sich immer tiefer, der Refrain lockert die Erde auf und schaufelt erst einer verzerrten Elektrischen, dann einem Saxofon-Solo den Weg frei – ein unheimlich dringliches Meisterstück, geschliffen mit der Schärfe einer Präzisionsklinge. Das gemeinsame Touren mit The National, das verantwortungsbefreite Fügen in die Maschine eines anderen, half Stables, für ihr eigenes Songwriting den Kopf freizubekommen. Selbst den vermeintlich unruhigen Momenten ihrer Platte merkt man diese Gelassenheit an: In "No such thing" zittern sich die Drums gar in Richtung Afrobeat, ohne je den Fokus zu verlieren. Stables bleibt trotz ihrer instrumentalen wie melodischen Schnörkel eine Meisterin des Minimalismus, weil ihre Musik nie überladen oder bemüht wirkt. Das Fundament aus Schlagzeug, Bass und einer immer athletischen Gitarre nimmt den Fließrhythmus des eigenen Blutkreislaufs an, während jazzige Bläser warme Schauer durch den Körper jagen. Vor allem die famosen "Coming to get you nowhere" und "Carry us please" bringen mit lockerem Habitus die scheinbaren Gegensätze von Virtuosität und Intimität in Einklang.

Die in Paris lebende Britin brilliert auch dann, wenn sie ihre charakteristischen Zuckungen drosselt und einen Song behutsamer aufbaut. Stoische Gitarren-Spiralen schleifen etwa den bedrückten Slowcore-Monolithen "Started again", bis sich sein strahlender Kern in Form einer emporsteigenden Klimax offenbart. Das letzte Drittel des Albums entledigt sich dann aller Sprudelblasen und trägt Halbballaden wie "Was magician" – übrigens der Track mit der angesprochenen Le-Guin-Referenz – mit getragenerer Geste vor. Glücklicherweise verliert es auch in der Reduktion nichts an Reiz und unterstreicht darüber hinaus, dass sich Stables' Stimme wunderbar zu den eingangs erwähnten Frostschmelzern einreihen lässt. Das ist letztendlich der Clou von "Off off on": So sehr das Zusammenspiel dieser musikalisch enorm versierten Band beeindruckt, lässt sich das Album ebenso gut als allgemein bekömmliches Lösungsmittel für jeden noch so dichten Grauschleier einnehmen. Das banalisiert die Musik von This Is The Kit keineswegs, es macht sie nur noch großartiger. Wenn der Herbst an die Tür klopft, will man ihm schließlich nicht unbewaffnet begegnen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Started again
  • This is what you did
  • Coming to get you nowhere
  • Carry us please

Tracklist

  1. Found out
  2. Started again
  3. This is what you did
  4. No such thing
  5. Slider
  6. Coming to get you nowhere
  7. Carry us please
  8. Off off on
  9. Shinbone soap
  10. Was magician
  11. Keep going

Gesamtspielzeit: 46:35 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Mr Oh so

Postings: 2972

Registriert seit 13.06.2013

2021-04-13 01:47:20 Uhr
Schöne Analyse des Grizzly. Bei mir hat sich das zu einem wunderbaren Nacht-Album entwickelt.

Grizzly Adams

Postings: 4521

Registriert seit 22.08.2019

2020-10-26 18:27:37 Uhr
Höre im übrigen auch noch ein paar Referenzen raus, die hier nicht erwähnt werden. In erster Linie die skandinavischen Künstlernnen wie Kari Bremnes, Anna Ternheim uns sogar ein bisschen Tina Dico.

Grizzly Adams

Postings: 4521

Registriert seit 22.08.2019

2020-10-26 18:18:50 Uhr
Schönes Album. Aufgrund der Rezi und der Tatsache, dass die Künstlerin auch auf dem letzten The National Album als Gastsängerin vertreten war, eine Chance gegeben. Der erste Song noch ziemlich random. Danach aber ein sehr geschlossenes Album mit sehr schönen Arrangements, einer tollen Produktion und einer wirklich guten Performance der gesamten Band. Mir gefällt die Symbiose von Songwriter und jazzigen Einflüssen ohnehin häufig. Hier sind die Bläser, ein Banjo und die Rhythmusfraktion mit dienlicher Leadguitarre toll eingespielt. Handwerklich einfach top gemacht. Ich verstehe schon, warum The National die junge Frau um Verstärkung gebeten hat. Ist in meinen Augen nicht nur Herbstmusik, auch was für laue Sommerabende ;-)
Darf definitiv Zugang zur Liste der hörenswerten Alben in diesem Jahr bekommen.

myx

Postings: 4640

Registriert seit 16.10.2016

2020-10-23 20:53:37 Uhr
Leider auch nicht mein Ding, die Stimme gibt mir zu wenig.

Klaus

Postings: 8934

Registriert seit 22.08.2019

2020-10-22 13:55:44 Uhr
Danke für die Serviceleistung.

Wenn nett nicht irgendwie negativ belegt wäre, wäre das mein Urteil.

6-7/10 zumindest von den paar Eindrücken jetzt. Schon schön, aber kann kickt mich das nicht.
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