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Helena Deland - Someone new

Helena Deland- Someone new

Luminelle / Membran
VÖ: 16.10.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Ich aus mir

Reife Leistung von einer, die noch relativ neu im Geschäft ist. Helena Deland aus Montreal hat bereits eine Reihe von EPs veröffentlicht, "Someone new" ist nun ihr Langspieldebüt und es zeichnet sich durch Vielschichtigkeit und feine Nuancierung aus. Und was ist der Quell für dieses Werk? Verunsicherung; und der Versuch, sie zu überwinden. Deland stellte nämlich fest, dass sich ihr Selbstbild aus Urteilen von außen zusammensetzte. Die Writing-Sessions für dieses Album waren der Versuch, die Deutungshoheit über sich selbst zurückzuerlangen. Und gerade bei den Aufnahmen in Kanada und New York entstand dabei eine Kollektion von Songs, die oftmals überraschen, weil sie in den Arrangements und der Instrumentierung sehr freigeistig unterwegs sind.

Ein Trick, mit dem die Rückbesinnung auf das eigene Selbst hervorgehoben wird, ist die minimal gehaltene Begleitung von Delands Stimme. Ein paar unterstützende Gitarrenakkorde, ein mechanisches Dröhnen oder einsame, knorrige Töne vom Bass: Delands Gesang steht oft unverstellt im trüben Rampenlicht. Und dieser vermittelt Ambivalenzen. Gedämpfte Verzweiflung, Ausflüge in neblige Traumsphären, aber auch dringliche Diesseitigkeit. In klarer Artikulation oder verwaschener Schemenhaftigkeit, egal wie Deland ihre Gesangsparts vorträgt, es entsteht eine ganz eigene Charakteristik und Dramaturgie, die durch Schrägheiten noch an Kontur gewinnt.

Die Verunsicherung, was innen und was außen ist, schlägt sich direkt im eröffnenden Titelsong nieder: "A stranger to remind me / I don't contain the world / It is outside / Can't I see?" Das Stück entwickelt sich über den nackten Gesang Delands hin zu einer einsamen, sich versonnen entrollenden Gitarrenmelodie, die durch zunächst dumpfe Percussion hin zu einem agilen Schlagzeugspiel geführt wird. Dieses Entstehen aus sich unterstützenden Elementen vermittelt das Gefühl einer Stück für Stück wachsenden Selbstvergewisserung. Auch "Truth nugget" entsteht aus einem nebulösen Rauschen, entwickelt durch eine markante Bassfigur Körperlichkeit und Stabilität. Doch nur selten entsteht eine vollumfängliche Gerichtetheit. Der süßliche Gesang in besagtem Stück, liebliche Synthie-Klänge, all das läuft immer wieder in eine ruhende Leere. Stücke finden sich im Stillstand wieder, zögern, zweifeln, Neuausrichtung.

Da ist das klangliche Setting in "Dog" trotz geschmeidiger Melodie ramponiert und die Trägheit in "Fruit pit" mit Händen zu greifen. "Pale" hingegen wird mit einer gruftigen Orgel eröffnet, welche sexy Club-Beats und schwüle Synthie-Sounds zum Tanz bittet. Alles ein bisschen schief und schräg, in seiner teils aberwitzigen Dramaturgie aber immer fesselnd. Insgesamt kann man das als Dream-Pop bezeichnen, der jedoch immer wieder Umwege ins abgelegene Unterholz unternimmt. "The walk home" ist dabei ein von grabestiefem Cello begleiteter Folk-Abgesang, dessen Sound-Schlieren wie ein armseliger Wind durchs Stück pfeifen. "Lylz" stellt dann luftige Westküsten-Melodik in den Schatten einer bassigen Klangdüsternis und auch "Fill the rooms" erzeugt einen fesselnden Kontrast, wenn es die lieblich gesäuselte Melodie in eine karge, darbende Sound-Umgebung steckt. Helena Deland hat sich vorgenommen, ein eigenes Bild von sich zu erschaffen, unabhängig von äußeren Einflüssen. Dass dieses uneindeutig ausfällt, sich aus widerstreitenden Bestandteilen zusammensetzt, in seiner Ganzheit aber ein wunderschönes Stück Kunst darstellt, wird der Vielschichtigkeit eines jeden menschlichen Wesens mehr als gerecht.

(Martin Makolies)

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Highlights

  • Someone new
  • Dog
  • Pale
  • Fill the rooms

Tracklist

  1. Someone new
  2. Truth nugget
  3. Dog
  4. Fruit pit
  5. Pale
  6. Comfort, edge
  7. The walk home
  8. Seven hours
  9. Smoking at the gas station
  10. Lylz
  11. Mid practice
  12. Clown neutral
  13. Fill the rooms

Gesamtspielzeit: 47:46 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

maxlivno

Postings: 2740

Registriert seit 25.05.2017

2020-10-22 12:09:13 Uhr
Also ich höre es bei einer 9/10. Ein perfektes Herbstalbum und ich liebe die detailreiche Produktion. Diese dumpfen elektronischen Einfärbungen werten das ganze nochmal auf und verleihen dem Album tiefe und ein "Alleinstellungsmerkmal"

maxlivno

Postings: 2740

Registriert seit 25.05.2017

2020-10-15 13:42:06 Uhr
Hmm, also "Truth Nugget" hab ich fest bei den Highlights erwartet. Das Album ist schon vorbestellt und die Vorfreude auf morgen ist riesig.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-10-14 21:05:11 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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