Nuala Honan - Doubt & reckoning

Homesick / Rough Trade
VÖ: 25.09.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Einschalten zum Abschalten
Einfach mal richtig abkotzen, auch das muss sein. Reinigt immerhin den Magen! Mit aller verfügbaren Kraft ins Kissen boxen, sich die Seele aus dem Leib schreiben, auf dem Laufband verausgaben, bis die Lunge nix mehr hergibt – es gibt wahrlich viele Wege, um mal ein bisschen Dampf abzulassen. Was ja auch nur menschlich ist, sonst wird man früher oder später irre. Und doch wird immer erwartet, dass man stoisch jegliche Stolpersteine des Lebens meistert und bloß nicht zu emotional wird. So oder so: Es ist zum Verrücktwerden. Die gebürtige Australierin Nuala Honan hat ein ganzes Album für diesen Zustand zwischen Wahn und Wirklichkeit aufgenommen. Ihr neues Werk "Doubt & reckoning" bietet dabei sogar gleich beides an. Auf der einen Seite die Wände zum Hochgehen, auf der anderen das Auffangnetz. Wenn das mal kein guter Service ist!
Die Sängerin, die mit gerade mal 19 Jahren vom Outback nach Bristol gezogen ist, macht dabei trotz musikalischen Wandels eine klasse Figur: Ganz anders als ihr bisher sehr folkig angehauchter Output ist "Doubt & reckoning", obgleich hier und da melancholische Momente dazwischenfunken dürfen. Die neun Stücke ergeben als Ganzes ein ideales Instrument zum Abschalten: Auf den Frust folgt hier irgendwann immer der Frieden. Honan weiß nämlich, wie man mit brenzligen Situationen am besten umgeht. Als ehemalige Rettungsschwimmerin hat sie schließlich gelernt, wie man den Kopf oben behält und wieder zur Oberfläche gelangt. Am Albumtitel darf man sich gewiss stören, wenn es schon sonst nichts gibt: Zweifel gibt es hier nämlich keine. Aber abgerechnet wird wie immer am Schluss.
Den Anfang macht das eklektische "This city", das Honans früheren Stil langsam an den neuen heranführt. Startet die erste Hälfte trotz tollen Rhythmus' noch relativ ruhig, fährt sie ab der Mitte die schweren Geschütze auf und macht dabei besonders eindrücklich auf ihr gewaltiges Stimmorgan aufmerksam. Der auf dem Album vorherrschende Mix aus Alternative-Rock und Post-Punk-Anleihen blitzt hier schon auf, ehe spätestens das polternde "Head undone" zeigt, wo der Hammer hängt. Hatten wir schon gesagt, wie wichtig ordentliches Ausrasten ist? Hier gibt es den perfekten Soundtrack dafür. Zur Erholung liefert Honan den Country-Blues von "How to shame you" direkt hinterher, zu dem man sich entweder die Wunden lecken oder Anlauf für den nächsten Moshpit nehmen kann.
Apropos Anlauf: "Slow down" flunkert im Titel und zu Beginn etwas, macht es dem Opener nach und baut sich zunächst nur ein wenig auf, um das Donnerwetter dann so richtig losfegen zu lassen. Am allerbesten wird "Doubt & reckoning" aber tatsächlich erst im großen Finale mit dem Hattrick aus "Part of something", "Wolves" und "Day to day": Das ist quasi Zuckerbrot und Peitsche in Reinkultur – dieses Dreiergespann haut erst mächtig auf die Fresse und reicht gleichzeitig schon das Taschentuch zum Trösten. Insbesondere das grandiose "Wolves" sei hier erwähnt, das mit seiner wunderbaren Gitarre und der versöhnlichen Lagerfeuer-Romantik so manchen schrecklichen Tag auch ganz ohne Ausraster wieder wettmachen dürfte. "Tell me all that you need", fragt Honan da noch ganz nebenbei. Die Antwort darauf dürfte mittlerweile klar sein.
Highlights
- Part of something
- Wolves
- Day to day
Tracklist
- This city
- Slow down
- K.I.T.Y.
- Head undone
- How to shame you
- Warrior
- Part of something
- Wolves
- Day to day
Gesamtspielzeit: 38:24 min.
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