Crippled Black Phoenix - Ellengæst
Season Of Mist / Soulfood
VÖ: 09.10.2020
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Die halbe Wahrheit
"Die Hölle, das sind die anderen" aus Jean-Paul Sartres Drama "Geschlossene Gesellschaft" ist ein Satz, der zum geflügelten Wort geworden ist. So wahr er sein mag, bildet er doch nur die halbe Wahrheit ab. Denn der andere Teil der Hölle lauert im Inneren. Im Befinden. Justin Greaves, Frontmann und Alleinherrscher von Crippled Black Phoenix, weiß das. Er macht aus dem Ringen um die Fassung Kunst. Seine Songs setzen sich seit den Anfangstagen der Band mit den dunklen Seiten der menschlichen Existenz auseinander. Beim Blick auf die Psyche offenbaren sich oftmals die eigentlichen Abgründe. "Ellengæst" lautet der Titel des neuen Albums. Was genau so ein "Ellengæst" ist, lässt sich schwer ins Deutsche übertragen. Ein starker Geist, ein böswilliger Dämon, die Möglichkeiten erschöpfen sich zwischen den Sprachen. Das Mythische zeichnet die Musik von Crippled Black Phoenix seit jeher aus, Greaves sucht sein Heil in der Dämmerung der Menschenseele. Ellenlang sind die Songs natürlich auch wieder. Für Epigramme sind andere zuständig.
Musikalisch gibt es zwar wenig Überraschendes zu hören, dies schmälert die Qualität der Kompositionen jedoch meist nicht. "Lost" überzeugt beispielsweise auf ganzer Linie. Belinda Kordic ist wieder mit von der Partie und veredelt mit ihrem entrückten Gesang die Strophen, während Greaves das Ruder im Chorus an sich reißt. Gewaltig dröhnen im Hintergrund die Gitarren, während links und rechts die Synthesizer wabern. "We are lost as humans", verkündet der Sänger, und gibt damit auch die Stoßrichtung für das ganze Album vor. Partymusik geht anders. Glücklicherweise hat sich die Band diesmal dafür entschieden, die Spielzeit einer CD nicht komplett auszureizen. Ermüdungserscheinungen stellen sich nicht ein, wenngleich "The invisible past" dann doch einen Tick zu lang ausfällt. Hier zeigt sich auch die weiterhin bestehende Schwäche von Crippled Black Phoenix: Bei aller Virtuosität neigen die Musiker noch immer dazu, gelegentlich den Faden zu verlieren. Der Song mäandert minutenlang vor sich hin, ohne recht von der Stelle zu kommen. Entschädigt wird der geduldige Hörer mit einem furiosen Finale.
Ein weiteres Mal verbinden Spoken-Word-Interludes einzelne Stücke miteinander, was der Atmosphäre zuträglich ist. Das Tempo wird nur selten angezogen. "House of fools" eröffnet das Album zwar mit einer formidablen Lärmsalve, begibt sich danach jedoch rasch in ruhigere Fahrwasser. Auch "In the night" schleicht vor sich hin, bevor ein schönes Gitarrensolo für Abwechslung sorgt. Erfreulich ist, wie kompakt der Gesamtsound ausfällt. Eine klare Vision stand bei der Produktion Pate, weshalb "Ellengæst" wie aus einem Guss klingt. Trotzdem fehlt etwas. Was genau, lässt sich am ehesten an "Cry of love" erläutern. Hier geht es zwar flotter zur Sache, der Funke will aber einfach nicht überspringen. Ob es am eher uninspirierten Gitarrenmotiv, dem abgedroschenen Groove oder dem "Hände in die Luft"-Refrain liegt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fest steht, dass solche in Beliebigkeit abdriftenden Tracks seit einigen Jahren leider Stammgäste auf Alben der Band sind. Das ist verdammt schade.
Bei allen kleinen Schwächen bleibt "Ellengæst" jedoch locker auf dem Niveau der beiden Vorgängeralben. Zu versiert und detailverliebt sind die Arrangements, um daran etwas zu ändern. Sogar ein kleiner Hit befindet sich diesmal auf der Platte: Der Closer "She's in parties" fällt beinahe provokant kurz aus, besitzt allerdings eine überaus eingängige Melodie. Was wirklich möglich gewesen wäre, zeigt indessen "Everything I say". Hier singt Kordic alleine. Wenn die Band zum Refrain anhebt, stellt sich unmittelbar Gänsehaut ein. Und es wird nur besser. Die Gitarren jaulen, die Sängerin schreit. Wenn das gesamte Album so gut wie dieser eine Song wäre, hätte die Band einen neuen Klassiker abgeliefert. Dass dem nicht so ist, wird Fans sowieso nicht interessieren. Sie bekommen genau das, was sie lieben. Alle anderen werden vielleicht nicht komplett glücklich, aber was heißt das schon. Manchmal reicht es ja auch, wenn man die bessere Hälfte findet.
Highlights
- Lost
- Everything I say
- She's in parties
Tracklist
- House of fools
- Lost
- In the night
- Cry of love
- Everything I say
- (-)
- The invisible past
- She's in parties
Gesamtspielzeit: 54:56 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Mann 50 Wampe Postings: 3989 Registriert seit 28.08.2019 |
2023-10-19 19:40:29 Uhr
Alle CBP Platten sind kleine Meisterwerke. Wieso Ellengaest da abfallen soll, erschließt sich mir nicht. Grade das Konzept mit den verschiedensten Sängern auf der Platte funktioniert doch sehr gut. Ellengaest ist eben etwas dunkler, härter, verzweifelter als die Vorgänger, aber auch hier tolle Songs, alleine Lost ist ein Brecher. Oder In The Night mit Ghaal als Sänger ist genial. |
Leech85 Postings: 889 Registriert seit 15.03.2021 |
2023-10-19 15:55:54 Uhr
Naja was schön ist definiert ja jeder anders;)Joe Volks stimme würde zum heutigen CBP Sound nicht mehr passen meiner Meinung nach. |
Chrisb Postings: 152 Registriert seit 08.04.2021 |
2023-10-19 15:50:19 Uhr
Mir fehlt Joe Volk.Seine Soloplatten sind auch sehr gut.Zur Stimme.Die muss für mich einfach zum Gesamten passen.Besser ein paar Ecken und Kanten.Stellt euch nur mal bei ...Trail of Dead oder AC/DC so ne schöne Hochglanzstimme vor.Igitt.Also eine schönere bessere Stimme ist nicht immer besser. |
Klaus Postings: 10095 Registriert seit 22.08.2019 |
2023-10-19 12:37:06 Uhr
Das Pink-Floyd - Echoes- Coveralbum fand ich auch echt groß. |
Leech85 Postings: 889 Registriert seit 15.03.2021 |
2023-10-19 12:24:44 Uhr
Ich fand den Nachfolge Sänger von Joe Volk besser. Aber waren beide auf ähnlichem Niveau. |
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Referenzen
Opeth; Pink Floyd; King Crimson; Alice In Chains; Soundgarden; Danzig; Life Of Agony; Type O Negative; Porcupine Tree; Steven Wilson; Hearts Of Black Science; The Cult; Shipping News; Low; Retribution Gospel Choir; Nick Cave And The Bad Seeds; Mogwai; Maserati; Godspeed You! Black Emperor; Destroyer; Rex; King's Daughters & Sons; Dirty Three; Mercury Rev; Sixteen Horsepower; Woven Hand; Crime And The City Solution; Kyuss; Uncle Tupelo; Nikki Sudden; These Immortal Souls; Rowland S. Howard; 90 Day Men; The Paper Chase; American Music Club; Joy Division; Tom Waits; Lou Reed; John Cale; Ennio Morricone; The Book Of Knots; Fly Pan Am; Matt Elliott; The Art Of Fighting; The God Machine; Calla; 2 Litre Dolby; White Magic; Rachel's; Tara Jane O'Neil; Shannon Wright; Victory At Sea; Piano Magic; Des Ark; The Sonora Pine
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