Yves Jarvis - Sundry rock song stock

Anti / Epitaph
VÖ: 25.09.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10

Andeutungsweise
Das ist mal eine spannende Ausgangslage: Yves Jarvis aus Montreal, der mit seinen beiden bisherigen Alben Neo-Soul, alternativen R'n'B und Leftfield-Folk verknüpft hat, sucht sich als Inspiration die Granden des 70er-Prog. Also Yes und King Crimson zum Beispiel. Deren Stücke, so Jarvis, bestünden nicht aus klassischem Songwriting, sondern seien eher Räume, die man als Hörer betreten und verlassen könne. Übertragen auf das neue Album "Sundry rock song stock" des Kanadiers bedeutet das vor allem eines: keine klassische Dramaturgie. Denn Jarvis wendet sich von einem Aufbau mit linear Strophe, Bridge und Refrain ab, gestaltet seine Songs offen. Neben dem Bild vom Raum kann man sich das auch so vorstellen: Ein Herbstwind fährt kurzzeitig in einen Laubhaufen und lässt temporär die Blätter in einem zauberhaften Balett tanzen, bis es sich wieder beruhigt. Ein weiterer Ansatz für Jarvis bestand darin, die übergeordnete Milde und Sanftheit der Vorgängeralben etwas aufzuschrecken. Nun ist sein neuestes Werk zwar kein Noise-Brocken geworden, durch die ungebundenen Aufbauten aber generell sperriger und herausfordernder geraten.
Dies merkt man direkt zum Auftakt, bei "Epitome", dessen Gesang von Halbschlaf zu hartnäckiger Repetition wechselt und zurück. Neben eingetrübtem Glitter von den Tasteninstrumenten setzt es mäandrierende Bläser, eine Gitarrenfigur im Begriff, Anlauf zu nehmen und ein Schlagzeug, welches den Vorwärtsgang immer wieder zurücknimmt. Viel Fragment, viel Momentaufnahme also, welche sich nicht so recht zu einem flüssigen Ganzen verbinden will. Doch ist dies ebenso reizvoll wie der Umstand, dass "In every mountain" das Potential zu einer fluffigen Folk-Abfahrt in sich trägt, seine Vorwärtsbewegung aber immer wieder abstoppt, der Song sich mehrmals aus dem Stillstand neu aufbaut. "For props" könnte auch ein flott runter gespielter Schunkler sein, doch umgarnen sich die Gesangsspuren zu einem zauberhaft verworrenen Frage- und Antwort-Spiel, an dessen Rändern kritische Bestandsaufnahmen auftauchen: "You can't empathize or reziprocate."
Und so irritiert das blubbernde und gurgelnde Interlude "Ambrosia" auch weniger, als dass es anregt und die weit hinaus flutenden Klangschleifen von "Emerald" untermauern das übergeordnete Bild des wenig Greifbaren, auch wenn hier die Akustikgitarre einer einfachen, klaren Melodie folgt. Den Boden nur erahnen zu können, anstatt festen Grund unter den Füßen zu haben, dies ist der vorrangige Zustand dieser Platte. Gerade ist man noch der melodischen Spur der Gitarre ins Unterholz gefolgt, schon setzen Steckdosen-Streicher aus dem nichts zur Landung an.
Ja, "Victim" hat zum Beispiel einen recht geraden Lauf, nur reicht es Jarvis hier, die Strophe für sich stehen zu lassen, ohne Höhepunkt-Garnierung eines Refrains. So kommt der Song nicht wirklich irgendwo an, die narkotisierte Bewegung bleibt das Hauptmotiv. Die Gitarren-Kreisel von "Notch in your belt" geraten in verzücktes Tänzeln, bleiben aber genügsam als Hinter- und Untergrund für Jarvis beiläufigen Traum-Gesang. Schön aber, wenn durch eine Intensivierung der Percussion-Arbeit eine leichte Zuspitzung eintritt. Und trotzdem bleibt alles Chimäre, alles Traum, es gibt selten richtige Anknüpfungspunkte in diesen Songs, die oft ein fragiles, kurz vor der Verflüchtigung stehendes Bild abgeben. Es ist, als würde Jarvis der klaren Geste, der Verlässlichkeit ausweichen, um in Andeutungen zu verharren, die nur momentweise Form annehmen.
Highlights
- For props
- Emerald
- Notch in your belt
Tracklist
- Epitome
- In every mountain
- For props
- Ambrosia
- Emerald
- Victim
- Semula
- Notch in your belt
- Emblem
- Fact almighty
Gesamtspielzeit: 33:57 min.
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