Will Butler - Generations

Merge / Cargo
VÖ: 25.09.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Showman ohne Show
Wie schnell sie doch groß werden! Eben waren Arcade Fire noch der heißeste Indie-Geheimtipp, jetzt stehen da ein paar weltbekannte Grammy-Gewinner, die mit Glitzerkostümen und ABBA-Anleihen den verbohrteren Teil ihrer Fans längst vergrault haben. Will Butler trägt einen essenziellen Anteil am Aufstieg seiner Band, auch wenn der öffentliche Fokus eher auf seinem großen Bruder Win liegt. "Policy" sollte das bereits ändern, hinterließ mit seiner knappen halben Stunde Spielzeit aber keinen nachhaltigen Eindruck. "Generations" will mehr. Während sich der Kollege Richard Reed Parry mit dem Prog-Folk seines "Quiet river of dust"-Projekts wieder ins kanadische Dickicht verzog, stellt Butler die Theater-Scheinwerfer auf Anschlag. Trotz seiner Selbstaufnahme und -Produktion im heimischen Keller beweist dieses zweite Solo-Album mit unverfrorener Extrovertiertheit, wozu der kleine Mann am Piano alles fähig ist, wenn man ihn von der Leine lässt.
Man höre allein die erste Single "Surrender". Die Gitarre schrammelt zunächst noch zaghaft, als würde der abgespeckte Gospelchor schon ausreichen, um sie einzuschüchtern. Doch sobald die Tasten zu hämmern beginnen und die Handclaps zu mächtigen Drums wachsen, entwickelt der Song ein Selbstbewusstsein, das mit mitreißender Sogkraft auch am anderen Ende der Leitung ankommt. "Generations" schafft ein seltenes Kunststück. Es packt die große Geste aus, wirkt aber nie aufgesetzt, sondern immer roh und unmittelbar – als hätten Butlers oft rauschhafte Bühnen-Anfälle einen überlaufenden Kreativtank angedeutet, der nun mit voller Wucht explodiert. Doch der 37-Jährige weiß auch die Fassung zu wahren. Mit der leidenschaftlichen Lässigkeit großer amerikanischer Showmen schüttelt er im formidablen Soul-Pop von "Close my eyes" eine Melodie für die jüngere Ewigkeit aus dem Holzfäller-Jackett, die alles auf Arcade Fires – unterschätztem! – letzten Album "Everything now" nochmal locker überstrahlt.
Die Garagenrock-Ansätze des Vorgängers streicht Butler wieder aus dem Repertoire, wahrscheinlich waren sie ihm schlicht zu grau. Im perfekt auf den Punkt gespielten Uptempo-Hit "Bethlehem" scheppert es zwar ordentlich, allerdings mit einem schillernden, geschmackvollen Pathos, das an "The suburbs"erinnert. Anderweitig gibt sich das Album sehr eklektisch. Seiner euphorisch aufbrausenden Seite stehen elektronischere Nummern wie "I don't know what I don't know" oder "Hard times" gegenüber, die den auf Höchsttemperatur erhitzten Motor wieder runterkühlen – dabei aber genug eigene Spannung und Dynamik aufweisen, um nicht zu blassen Ruhepolen zu verkommen. Kontrovers gestaltet sich höchstens "Promised", das die funkelnden Synths und im Grunde sein ganzes Songwriting kackendreist bei LCD Soundsystem abkupfert. Solange James Murphys Liebe für gute Musik größer als sein Ego ist, wird er diese charmante, hochklassig ausgeführte Hommage aber sicher auch würdigen können.
Durch die fantastischen Kompositionen peitscht diese so sympathisch unperfekte Stimme mit emotionaler Vollverausgabung. Wie sich aus der mysteriösen Elektronik des Openers "Outta here" ein überwältigender Disco-Groove entspinnt, auf dem Butler mit seinen Falsett-Verrenkungen turnt, ist einfach nur atemberaubend. In der Klimax des Soulrock-Monsters "Not gonna die" feiert er mit exzessiver Chor- und Saxofon-Begleitung die pure Ekstase. In "Fine" sitzt der Rocket Man schließlich in bester Elton-John-Manier alleine an seinem Lieblingsinstrument, langsam gesellt sich die Band dazu, während er von George Washington und seinen Urgroßeltern erzählt. Ach ja, irgendwie sollte es unter all dem Zirkus von "Generations" um die eigene Ahnenschaft und die vergangene wie aktuelle Rolle in den Vereinigten Staaten gehen. Ganz ehrlich: Butler hätte auch von den Flugformationen der texanischen Wanderschwalbe singen können, die Gaudi für ihn und sein Publikum wäre keinen Deut kleiner ausgefallen. Wenn nicht einmal eine der besten und buntesten Pop-Platten des Jahres ausreichen wird, um aus dem Zwei-Meter-Schatten des Bruders herauszutreten, was zur Hölle dann?
Highlights
- Outta here
- Close my eyes
- Surrender
- Not gonna die
Tracklist
- Outta here
- Bethlehem
- Close my eyes
- I don't know what I don't know
- Surrender
- Hide it away
- Hard times
- Promised
- Not gonna die
- Fine
Gesamtspielzeit: 44:15 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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AndreasM Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 681 Registriert seit 15.05.2013 |
2020-11-03 09:39:39 Uhr
Mich hat es leider auch nicht in dem Maße bekommen, wie es mich die Vorab-Singles hoffen ließen. "Close my eyes" und "Surrender" sind auch auf dem Album meine Highlights. Insgesamt gefällt mir die Platte schon (sehr) gut - solide 7/10 - aber ich hatte mir noch einen größeren Wurf gewünscht. |
smrr Postings: 405 Registriert seit 02.09.2019 |
2020-10-30 20:35:33 Uhr
Ich hingegen mag es gar nicht, lässt mich einfach total kalt. Klingt alles wie Pflichtübungen, alles vorhersehbar und generisch. Dabei kommen dann ein paar gute Songs raus, aber das Gros finde ich mittelmäßig. Kann mich nicht drüber aufregen, weil alles so folgenlos vorbeirauscht.knappe 6 von mir. |
Enrico Palazzo Postings: 3547 Registriert seit 22.08.2019 |
2020-10-28 16:20:35 Uhr
Super Album. Macht bei mir Top15 dieses Jahr! |
Hier stand Ihre Werbung Postings: 1749 Registriert seit 25.09.2014 |
2020-10-28 16:00:49 Uhr
Kriegt hier zu wenig Liebe. Im nächsten Lockdown mal dafür Zeit nehmen ;) |
Hier stand Ihre Werbung Postings: 1749 Registriert seit 25.09.2014 |
2020-09-30 15:23:54 Uhr
Also Close My Eyes ist Popsong des Jahres. Grandioses Ding! |
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Referenzen
Arcade Fire; LCD Soundsystem; Cold War Kids; Yeasayer; Pulp; Talking Heads; David Byrne; David Bowie; Fat White Family; TV On The Radio; Yeah Yeah Yeahs; Spoon; Everything Everything; Django Django; San Fermin; Belle And Sebastian; Hot Chip; Hercules And Love Affair; Scissor Sisters; The Killers; Brandon Flowers; Maximo Park; Vampire Weekend; Little Steven; Little Steven And The Disciples Of Soul; Elton John; Father John Misty; Beck; Jamie T; The Dears; Owen Pallett; Patrick Wolf; The Maccabees; Florence & The Machine; Burt Bacharach
Surftipps
- https://www.mergerecords.com/will-butler
- https://www.cargo-records.de/de/item/141700/artist/butler_wi ll/artist_details.76.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/William_Butler_(Musiker)
- https://en.wikipedia.org/wiki/Will_Butler_(musician)
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- https://www.youtube.com/channel/UC_GsW9dZyRSl-kydlkesaEA
- https://willbutler.bandcamp.com/
- https://www.allmusic.com/artist/will-butler-mn0001478825
- https://www.laut.de/Will-Butler
- https://pitchfork.com/artists/32644-will-butler/
- https://musicbrainz.org/artist/928b0e29-31d2-4c67-8377-ec93d 24721b3
- https://rateyourmusic.com/artist/william_butler_f2
- https://genius.com/artists/Will-butler
- https://www.songkick.com/artists/1396770-will-butler
- https://www.nme.com/music-interviews/arcade-fires-will-butle r-on-mining-his-family-history-for-new-solo-album-generation s-its-not-coincidental-that-me-and-my-brother-continue-to-be -musicians-2707339
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