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Ayreon - Transitus

Ayreon- Transitus

Music Theories / Mascot / Rough Trade
VÖ: 25.09.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

A passion play

Viel gibt es wohl nicht mehr, womit Arjen Anthony Lucassen noch überraschen könnte. Schließlich gilt der Niederländer mit seinem Projekt Ayreon seit 25 Jahren als einer der Großmeister in Sachen Konzeptalben. Wo andere Bands sich auf eins pro Karriere beschränken, gibt es für Lucassen anscheinend nichts Schöneres, als sich in einer ausufernden und mehr oder weniger sinnvollen Story zu verlieren und diese mit Wagenladungen an Gastmusikern zu vertonen. Mittlerweile schafft es der Gitarrist sogar, seine massive Bühnenangst zu überwinden und live zu performen, wenn auch nur bei wenigen ausgewählten Terminen im Tilburger 013, einer der besten Locations Europas für Clubshows. Musikalisch hingegen weiß man, was man bekommt, nämlich Prog-Metal-Produktionen im Breitwand-Format. Allenfalls mit einer Schlager- oder Free-Jazz-Platte könnte der Zwei-Meter-Mann vielleicht noch provozieren. Und jetzt das.

"Transitus" heißt das neue Album von Ayreon, und es ist eines der ganz wenigen, bei denen – Achtung! – keine wilde Science-Fiction-Story im Vordergrund steht. Sondern eine Geschichte um Liebe, Leben, Tod und Übernatürliches, die im späten 19. Jahrhundert angesiedelt ist. Stilecht mit einem wunderbaren Erzähler in Person von Tom Baker, der 1974 bis 1981 die Rolle des "Doctor Who" in der gleichnamigen TV-Serie verkörpert hatte. Und Bakers warmes Timbre sorgt direkt für ein Ambiente, das hierzulande wohl höchstens vom "Märchenonkel der Nation", dem legendären Hans Paetsch, hätte erzeugt werden können. Doch da "Transitus" nun einmal kein Hörbuch ist, dienen Bakers Erzählungen lediglich dazu, die Hörer auf der Spur der Geschichte zu halten. Und das ist gar nicht so einfach, wenn das Doppelalbum direkt mit einem zehn Minuten langen Track eröffnet. Doch "Fatum horrificum" führt die beiden Protagonisten Daniel, Sohn einer adligen Familie, und Abby, Dienerin im selben Haus und verbotenerweise Daniels Geliebte, wunderbar ein. Pomp und fette Choräle schaffen eine feierliche Atmosphäre, dazwischen kleine Anleihen an Pink Floyd und King Crimson, fertig ist die herrlich theatralische Ouvertüre mit zwei tollen Protagonisten, nämlich Tommy Karevik, dem Frontmann von Kamelot, und der großartigen Cammie Gilbert von den amerikanischen Prog-Metallern Oceans Of Slumber.

Über die weitere Geschichte muss man im Grunde genommen gar nicht viele Worte verlieren. Zu sehr lohnt es sich, unter dem Kopfhörer einzutauchen, zu überragend sind die Rollen besetzt, fast wie in einem guten Ensemble-Theater. Ob nun Simone Simons von Epica als verführerische Begleitung Daniels durch eine Zwischenwelt namens Transitus oder Dee Snider als Daniels Vater in "Get out! Now!", an unzähligen Stellen wird das Kopfkino angeregt. So wie eben durch Twisted-Sister-Veteran Snider, der es alleine durch seinen Gesang schafft, seine Figur als widerlichen Kotzbrocken und Familientyrann darzustellen. Dem gegenüber stehen Gilbert und Karevik, die der verzweifelten Liaison von Daniel und Abby die nötige Theatralik verleihen.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass einzelne Songs kaum aus dem Gesamtkonzept herausstechen können. Und vielleicht ist das sowohl Stärke als auch Manko. Mehr als auf vorherigen Alben sind die Songs der Story untergeordnet, funktionieren bisweilen gar nur im Kontext und nicht als eigenständige Einheit. Das erinnert ein wenig an "The human equation" von 2004, dessen Geschichte zwingend linear verfolgt werden musste, um irgendeinen Sinn zu ergeben. Doch auch, wenn man "Transitus" als akustischen Spielfilm betrachtet, bieten sich spannende Facetten wie das Prog-Metal-Gewitter von "Condemned without a trial" oder die gut versteckten kleinen Anleihen an diverse Ayreon-Alben. Dass dieser Drang nach Aufmerksamkeit bisweilen verstört, liegt in der Natur der Sache – wiewohl ein paar kleine Ankerpunkte in Form besonders spektakulärer Songs kein Verbrechen an der Geschichte gewesen wären. Am Scheideweg zwischen Hörspiel und Rockalbum standen jedenfalls schon ganz andere Bands – Ayreon ist dieser Spagat mit einem meisterhaften Album auf beeindruckende Weise gelungen.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Fatum horrificum
  • Get out! Now!
  • Condemned without a trial
  • Hopelessly slipping away

Tracklist

  • CD 1
    1. Fatum horrificum
    2. Daniel's descent into Transitus
    3. Listen to my story
    4. Two worlds now one
    5. Talk of the town
    6. Old friend
    7. Dumb piece of rock
    8. Get out! Now!
    9. Seven days seven nights
  • CD 2
    1. Condemned without a trial
    2. Daniel's funeral
    3. Hopelessly slipping away
    4. This human equation
    5. Henry's plot
    6. Message from beyond
    7. Daniel's vision
    8. She is innocent
    9. Lavinia's confession
    10. Inferno
    11. Your story is over!
    12. Abby in Transitus
    13. The great beyond

Gesamtspielzeit: 80:55 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-10-01 18:50:57 Uhr - Newsbeitrag
Ayreon veröffentlicht offizielles Video zu „Daniel’s Descent into Transitus Medley“ – aus dem aktuellen Album „Transitus”

Seit dem 25. September 2020 ist nun das neue Album „Transitus“ von Ayreon bei der Mascot Label Group in drei Formaten veröffentlicht: als 2CD, auf Doppel-LP in farbigem Vinyl mit Gatefold-Cover, sowie als Earbook mit vier CDs und einer DVD, das neben vielen weiteren Specials einen 5.1-Mix des Albums beinhaltet. Beigabe bei Earbook und Vinyl ist ein 28-seitiges Comic-Buch aus der Feder des chilenischen Zeichners Felix Vega.

Nach zahlreichen Video Veröffentlichungen vorab, gibt es nun mit „Daniel’s Descent into Transitus Medley“ ein weiteres, offizielles Video zum neuen Album, hier zu sehen:

Dazu gibt es folgenden Kommentar von Arjen: "And finally the official video... the most outrageous mini-movie I ever made! Welcome to the mystical realm of Transitus with Simone Simons as the Angel of Death, Tommy Karevik as Daniel, Marcela Bovio and Caroline Westendorp as the Furies... and Listen to my Story!”

Mit seinem Prog-Projekt Ayreon stellt der Niederländer und Multiinstrumentalist Arjen Anthony Lucassen seit beinahe einem Vierteljahrhundert immer wieder packende Mammut-Musikepen wie „Into the Electric Castle” (1998), „The Human Equation” (2004), „01011001” (2008), „The Theory Of Everything” (2013) und zuletzt „The Source” (2017) auf die Beine, die mit Blick auf Produktion, Ausstattung, die Vielzahl und das Können der Beteiligten, sowie vor allem hinsichtlich der Strahlkraft der jeweiligen Kompositionen Maßstäbe setzen.

In der Vergangenheit zog Arjen Lucassen seine Inspiration häufig aus Wissenschaft und Science Fiction, doch hier ist es anders. Das „Transitus”-Konzept basiert auf einer mit Gothic- und Horror-Elementen angereichten, im Jahr 1884 spielenden Geschichte um Leben, Tod und allerlei übernatürliche Phänomene. Als prominenter Storytellerfungiert der britische Schauspieler Tom Baker, der in den 1970er-Jahren als Star der von der BBC produzierten Kult-Fernsehserie „Dr. Who” Berühmtheit erlangte. Die „Transitus”-Storyline weist Reminizenzen an Mystery- und Psychothriller wie „The Others”, „Das Grauen” und „Ghost – Nachricht von Sam” auf. In der Musik spiegeln sich neben Einflüssen großartiger Komponisten wie John Carpenter („Halloween”), Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod”) und Jerry Goldsmith („Das Omen”) auch solche aus Lucassens liebsten Rockopern wie „Jesus Christ Superstar”, „Tommy” und „Krieg der Welten” wider.



Arjen Lucassen beschreibt „Transitus” als sein bislang filmischstes und im postiven Sinne ungeheuerlichstes Oeuvre. Er erklärt: „Der Spirit von Progressive Rock besteht darin, zu experimentieren und immer wieder Neuland zu betreten. Genau das hatte ich mit ‘Transitus’ im Sinn. Deshalb ist es anders geworden, als man es von Ayreon bisher kennt – theatralischer und ein bisschen wie ein Musical.” Dass das Album bei all dem wieder die von Ayreon-Fans so geliebte bombastische Wucht aufweist und über weite Strecken wonnevoll heftig rockt, versteht sich wohl fast von selbst.


nörtz

User und News-Scout

Postings: 13851

Registriert seit 13.06.2013

2020-09-25 23:20:12 Uhr
:D

Bisher wirkte das alles für mich wie ein aufgeblasenes Rockmusical.

Superhelge

Postings: 826

Registriert seit 15.06.2013

2020-09-25 23:11:35 Uhr
@nörtz: Nana, diese Frage darst du aber nicht stellen ;-) Sonst kommt die unlösbare Gegenfrage: Was ist Prog? *duck&wech*

Nein, ich kann dir meine Meinung berichten, wenn ich die neue gehört habe... grds. ist die Frage, ob Ayreon überhaupt ne Progband ist, sicher im Laufe der Entwicklung von Lucassen immer berechtigter geworden.

nörtz

User und News-Scout

Postings: 13851

Registriert seit 13.06.2013

2020-09-25 22:52:59 Uhr
Ist das denn überhaupt Prog?

Superhelge

Postings: 826

Registriert seit 15.06.2013

2020-09-25 21:05:48 Uhr
Putzigerweise wird das Album gerade von der Prog-Fachpresse eher zwiespältig aufgenommen...

Alle Ayreons haben bei euch 7 oder 8 Punkte bekommen, auch von den Lesern!!! Dieses bei den Lesern nicht...
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