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Haiku Hands - Haiku Hands

Haiku Hands- Haiku Hands

Mad Decent / Caroline / Universal
VÖ: 10.09.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Feminismus am Autoscooter

Du bist wieder jener zwölfjährige Junge, der gerade die Pubertät in Angriff nimmt, und der Rummel ist in der Stadt. Deine ältere Schwester geht mit ihren Freundinnen hin, Mutter befiehlt, dass sie dich mitnehmen. Was für eine magische, zauberhafte Welt. Noch nicht mit stumpfem Machismo in Berührung gekommen, fasziniert Dich das ungehemmte Selbstbewusstsein der Mädels. Sie sind laut, frech, nehmen sich, was sie wollen, und auch für Dich fällt ein liebenswerter Spott ab, der wie die größte Auszeichnung wirkt. Ähnlich fühlt man sich beim selbstbetitelten Erstling der australischen Newcomer Haiku Hands, dem Trio aus Beatrice Lewis, Claire Nakazawa und Mie Nakazawa. Ihre Klangwelt ist grell, wuchtig und direkt, voll auf die Zwölf. Eingerostete Naturen mögen diesen Clash aus Elektro, EDM, HipHop und Pop als stumpfsinnig und zu plakativ abtun, doch würde man dann den unmittelbaren Impact verkennen, der den Feminismus zum Tanzen bringt. Diese Krawallschwestern geben nichts auf höfliche Vorrede, sondern packen zu und kommen direkt auf den Punkt. Bämm!

Die Agitations-Disco von "Not about you" pumpt derart lebendig mit bösen Bässen und wuchtigem Gesang rein, dass man erst mal den Kiefer wieder zubekommen muss. Denn so unumwunden hat lange niemand mehr seine Agenda vorgetragen: "It's not about you / Shut up / It's not about me either / I am my sister's keeper." Dabei malt man sich aus, wie Major Lazer The Go! Team auf die Ladefläche seines Monster-Trucks packt und dann alles einebnet, was im Weg steht. Dass man mit sowas im Vorprogramm von Chai bei deren Amerika-Tour landet, verwundert nicht. Doch die drei Mädels haben Energie genug für jeden Headliner-Spot der Welt. Bei der ruppigen Avance "You can be my manbitch" werden sich viele Freiwillige melden, um sich in dieses mitreißende Gemisch aus Trap und House Music zu stürzen.

Einen kleinen Ritterschlag setzt es für Haiku Hands in Form eines Features von Sofi Tukker in "Fashion model art", das sich mit spannungsgeladenem Stop and Go durch einen locker aufgehängten Balearic House bewegt. Doch auch dieses Stück hat einen direkten Punch, die Gang-Parolen erzeugen den Eindruck einer verschworenen, perfekt durchchoreografierten Outlaw-Bande. Bei diesen Damen ist alles kraftvoll, mit sattem Nachdruck präsentiert. Und wenn ein Song schon "Eat this bass" heißt, kann man davon ausgehen, dass jener extra fett aus den Boxen kommt. Auch das Hysterische im Gesang bei diesem Track ist bemerkenswert und erinnert an die Theatralik einer Amanda Palmer. Generell ist dieses Album, obwohl klanglich anders ausgerichtet, nah am Riot-Grrrl-Punk der Neunziger, nur nutzen Haiku Hands Ausdrucksformen, die bereits im Mainstream verankert sind. Und so etwas Ähnliches wie eine Ballade bekommen die drei auch hin: "Car crash" ist luftiger Indie-Pop mit ausnahmsweise eingestreuter organischer Instrumentierung.

Doch bereits bei "Super villain" geht die Dance-Hatz wieder weiter. Erneut wechseln die Gesangseinlagen zwischen eiskalter Lakonie und hitzigen Gang-Shouts. In den Beats, der Rhythmik steckt viel Dancehall, viel Lateinamerika, doch Haiku Hands verlieren sich nicht in nebensächlichen Details, sondern legen den Fokus auf die Wucht. Dass dies aber erfrischend lebendig und klar wirkt, anstatt Diskussionen über den intellektuellen Gehalt der Musik hervorzurufen, zeugt vom Talent des Trios, einfache kompositorische Lösungen zu finden, die aber niemals banal oder stupide wirken. Hier hat jemand mit voller Kraft und großem Enthusiasmus einen klar konturierten Brocken erschaffen, der Feminismus und puren Spaß vereint. Und nochmal: Bämm!

(Martin Makolies)

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Highlights

  • Not about you
  • Fashion model art (feat. Sofi Tukker)
  • Eat this bass
  • Car crash

Tracklist

  1. Not about you
  2. Manbitch
  3. Sunride
  4. Jupiter
  5. Fashion model art (feat. Sofi Tukker)
  6. Onset (feat. Mad Zach)
  7. Eat this bass
  8. Car crash
  9. Super villain
  10. Mechanical animal
  11. I see you baby
  12. Morning becomes

Gesamtspielzeit: 39:02 min.

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Armin

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2020-09-05 12:23:18 Uhr - Newsbeitrag
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