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All Them Witches - Nothing as the ideal

All Them Witches- Nothing as the ideal

New West / PIAS / Rough Trade
VÖ: 04.09.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der rote Faden

Das hört sich mal so gar nicht nach Großstadt an. Zwar hat es die Südstaatler All Them Witches für die Aufnahmen ihres neuen Werks "Nothing as the ideal" in die legendären Abbey Road Studios von London verschlagen, wuselige, urbane Musik ist das aber mal so gar nicht. Eher landet das sechste Album der Band aus Nashville stimmungstechnisch irgendwo zwischen Wüsten-Einöde und Weltraumbahnhof. Man findet halt wieder die prägenden Elemente, Stoner-Rock, Welraum-Blues und auch ansatzweise morbiden Doom. Dabei halten All Them Witches dieses Mal mehr denn je wenig von spektakulären Schnellschüssen. Was den Spannungsaufbau betrifft, haben die Kompositionen die Ruhe weg, entwickeln sich ganz allmählich. Dass dabei der große Knall oft ausbleibt, ist nicht von Nachteil, in den atmosphärisch schlüssigen Songs leuchten viele geniale Details im Kleinen auf, man muss nur aufmerksam zuhören.

Da mögen die fünf Glockenschläge zur Eröffnung, symbolisch für die bisherigen fünf Alben der Band, noch als kleiner Insiderscherz durchgehen, anderes hat basalere Funktionen. In "Saturnine & iron jaw" vollzieht sich zum Beispiel ein Übergang zwischen bluesigem Gitarren-Auftakt hin zu walzenden Stoner-Riffs. Obwohl eigentlich eine Zäsur, wirkt dieser Wechsel derart homogen und zwingend, dass direkt trotz stilistisch großer Bandbreite ein übergeordneter Fluss entsteht. Das Stück hält sich im Ganzen auch nicht mit spektakulären Taschenspielertricks auf, sondern bettet die Breaks und kompositorischen Sollbruchstellen schlüssig ins Ganze ein. So entwickelt sich eine mächtige, konsequente Bewegung. Und es ist schon erstaunlich, dass in einem Stück wie "Enemy of my enemy", dessen Prog-Faktor ziemlich hoch ist, der Eindruck einer schwebenden Ganzheitlichkeit entsteht. Trotz teilweise verästelter Details bleibt das Übergeordnete immer präsent, der rote Faden ist ein mächtiger Strom von Blut durch die Wüste.

Zwei Stücke des Albums gefallen sich besonders im geruhsamen, dramaturgischen Aufbau. Dies sind die beiden Neun-Minüter "See you next fall" und "Rats in ruin". Ersteres lässt seinen Bass mächtig ausgreifen, stützt sich auf einen tonnenschweren, dennoch locker ausgeführten Groove. Dabei schwirren Gitarrenfiguren langezogen durch die Luft, ätzen in das Stück wehklagende, melodische Reliefs ein. Der Gesang von Frontmann Michael Parks Jr. ist in seiner Lakonie gnadenlos, völlig ungerührt spult sich diese kraftvolle Darbietung schnurgerader Gesangsmelodien ab. Die kleinen Ausflüchte in mildere Tonlagen lassen an ein vergebliches Sehnen nach einem Aufschub für das fatalistische Walten denken. Das Besondere dabei ist, dass es nicht die große Auflösung, Befreiung oder Explosion gibt. Kleine Gitarren-Licks werden da eher ins Rampenlicht gestellt, präsentieren sich in grellem Licht. Dieses Vertrauen in die kleinen Elemente und die Spannung allein durch kontinuierliche Entwicklung des Songs ist dabei eine unbedingte Stärke.

Der Gesang bei "Rats in ruin" scheint dann bereits aus dem Jenseits zu kommen, Gitarre und Bass streichen trotz griffiger Haptik eher wie ein milder Wind über das Stück und es ist eine wahre Freude, den einzelnen Akkorden und Riffs nachzuschmecken. Auch hier steht ein ganz allmählicher Aufbau, wobei in diesem Song doch eine graduelle Zunahme an Traurigkeit und auch dramatischer Schwere ständig zu spüren ist. Trotz der Nüchternheit im Gesang McLeods findet man hintergründige Leidenschaft, Melancholie und das Betrauern eines unaufhaltsamen Niedergangs. Und dass ganz zum Ende die Gitarren ihre Verzweiflung hinausjaulen dürfen, ist dann doch ein kleines Zugeständnis an ein großes Finale, Gänsehaut galore. Der wahre Charakter dieser Platte liegt aber woanders, im stetigen Voranschreiten, in genügsamen Bewegungen, die sich zu einer beeindruckenden Evolution unaufgeregter Songs verbinden.

(Martin Makolies)

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Highlights

  • Saturnine & iron jaw
  • See you next fall
  • Rats in ruin

Tracklist

  1. Saturnine & iron jaw
  2. Enemy of my enemy
  3. Everest
  4. See you next fall
  5. The children of coyote woman
  6. 41
  7. Lights out
  8. Rats in ruin

Gesamtspielzeit: 43:36 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Robert G. Blume

Postings: 915

Registriert seit 07.06.2015

2020-10-20 15:06:07 Uhr
Woah, Rats in Ruin ist ja wundervoll. Erinnert mich an die sphärischen Motorpsycho-Momente zur "Blissard"-Phase.

kiste

Postings: 237

Registriert seit 26.08.2019

2020-09-09 09:00:06 Uhr
Gefällt mir auch ausgezeichnet, die Lieder entwickeln alle eine ganz eigene Sogwirkung, sind dabei untereinander sehr abwechslungsreich, so dass ich mich am Ende schon wieder auf eine neue Runde freue.

tjsifi

Postings: 864

Registriert seit 22.09.2015

2020-09-08 13:26:39 Uhr
Schönes Brett dieses Album! Daran werde ich noch ne Weile Spass haben.

kingbritt

Postings: 5183

Registriert seit 31.08.2016

2020-09-05 11:41:36 Uhr

All Them Witches - Nothing As The Ideal (2020) 7/10

So jetzt, erster Durchlauf. Intro ok, und dann. Ben McLeod mag wohl ein guter BluesRocker sein, aber doch kein Genie, eher ein solider Handwerker, alles nachvollziehbar was er da so und wie spielt. Sogar ein Hendrix Riff ist drin. Die ersten beiden Stück sind doch arg an den Classic Rock der frühen 70'er orientiert. "Everest“ ist ein schönes Schmankerl. "See your next fall“ eine schön aufgebaute Psycho-Karawane, wobei das Gitarrenwork mit Slide, Psycho, Rock und Stoner kommt. Gute Nummer, aber kein wirkliches neues Hörerlebnis. "The Children of Coyote“ Woman, hallo Calexico-Americano, na ja. "41" Haaa, Geschredder und ja, der Gesang ist schon wie in der Rezi bemerkt "Der Gesang von Frontmann Michael Parks Jr. ist in seiner Lakonie gnadenlos“ und noch ein monoton gelangweilt von mir hinzu. Die MetalOctaverDoubler-Wand steht gut im Gegenwind. ^^ "Lights out", Hölle nochmal, geht gut zwar gut ab, aber old fashion. Closer „Rats in Ruin“, was für ein Titel, atmosphärisches bahnt seinen Weg, gefällt mir ganz gut, wunderbar schön wie sich die Bottleneck-Slide Gitarre zum Ende hin aufbaut.

Solides Album ohne mich wirklich wachzurütteln.

Mayakhedive

Postings: 2586

Registriert seit 16.08.2017

2020-09-05 07:58:57 Uhr
Also wenn ich bis jetzt etwas zu kritisieren hätte, wäre das “See You Next Fall“. Da rechtfertigt für mich auch nach dem dritten Durchlauf noch zu wenig die Spielzeit.
Mir fehlen auch ein wenig diese irgendwie relaxten Effekt-Songs wie “Workhorse“, “Am I Going Up?“ oder “Alabaster“.
Ich finde das Album schon recht verschieden von den beiden Vorgängern, aber die Songs machen Spaß und ich denke, die nach vorn gehenden Nummern haben unter der Oberfläche auch noch Wachstumspotenzial.
Ach, und “The Children of Coyote Woman“ ist wunderbar.
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