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Declan McKenna - Zeros

Declan McKenna- Zeros

Columbia / Sony
VÖ: 04.09.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Extrem jung und unglaublich da

Der Heilsbringer, die Stimme seiner Generation, das Ausnahmetalent, mindestens aber: das Wunderkind des alternativen britischen Pop ist zurück! Doch die große Verheißung kann auch eine Bürde sein. Als Declan McKenna 2015 im Alter von gerade einmal 16 Jahren den Nachwuchspreis des Glastonbury-Festivals verliehen bekam, weckte das Ansprüche, die leicht den Zugang zu seinen Songs versperren oder – noch schlimmer – sein eigenes Songwriting hätten belasten können. Doch McKenna manövrierte sich geschickt durch den Hype, ließ sich Zeit, um schließlich mit erstaunlich souveränen Liedern der Öffentlichkeit entgegenzutreten. Ob Kritik an der FIFA oder an Transgender-Diskriminierung – auf seinem 2017er-Debüt "What do you think about the car?", das im Grunde wie eine Kompilation aus seinen späten Teenager-Jahren funktioniert, schien sich McKenna zusätzlich noch als Protestsänger etablieren zu wollen. Viel Ballast und Ambition auf jungen Schultern, was Liam Gallagher als Rockstar älterer Prägung mit einem knappen "Not for me, mate" quittierte. Unterm Strich jedoch erfüllte McKenna die meisten Erwartungen, und der erste Schritt war getan.

"Zeros" entstand nun in der Phase nach dem Durchbruch und begrüßt sogleich mit drei Ausrufezeichen und einer Menge Selbstbewusstsein. "You better believe!!!" beginnt als quirliger Britpop, bevor McKenna den inneren Bowie hervorholt, der Opener eine Transformation nach der anderen durchläuft und als Glam-Explosion in melancholischen Klavierakkorden verhallt. "Be an astronaut" tarnt sich zunächst als Klavierballade, nimmt dann aber Fahrt auf und verabschiedet sich grandios mit effektgeladenen Gitarren in den Kosmos wie einst "Moonage daydream". Generell wird auf "Zeros" der latente Glam-Einfluss des Debüts deutlich ausgebaut, die Texte pendeln zwischen wiederkehrenden Motiven der Teenage Angst und Weltraumsehnsucht, und vor allem: Die Arrangements sind ungemein pompös geraten. Überall flirrt, flackert und wabert es, während McKenna als irrer Zampano im Zentrum dirigiert, meist auf den Punkt singend, mal schreiend, ab und an auch hinter durchgeknallten Vocoder-Einlagen seine Anweisungen erteilend. "Twice your size" pirscht sich als straighter Indie-Pop heran und entlädt sich am Ende in einem wüsten Gitarrenrausch, der entfernt an Graham Coxons Extravaganzen auf Blurs "13" erinnert. Die stets präsente Lust an der klanglichen Spielerei und am Bombast verleiht den Liedern weitere Ebenen, eine überraschende Komplexität, kann jedoch auch anstrengen. Wirklich überschritten wird die Grenze zum Nervigen aber nur im Refrain von "Rapture", den man sich so ähnlich wohl auch beim ESC vorstellen könnte – mit der Ausnahme, dass McKenna ihn danach höchstselbst genussvoll niederbrüllt.

Letztlich reflektiert das eigenwillige Klangbild auf "Zeros" aber auch einfach zwei entscheidende Aspekte seines Entstehungsprozesses: die mediale Reizüberflutung, mit der McKenna seine Generation konfrontiert sieht und die auch in den Texten gelegentlich durchschimmert, und den Druck, das nächste große Popalbum zu machen. Dass dieser Versuch nicht unter seiner Fracht zusammenbricht und häufig sogar gelingt, liegt an McKennas exzellentem Gespür für Melodien mit Widerhaken. Bisweilen müssen die gar nicht unter vielen Schichten freigelegt werden: "The key to life on Earth" ist jetzt schon einer der Popsongs des Jahres, ein bittersüßes Gemisch aus Nostalgie und Lebensfreude, voller kluger Beobachtungen aus dem suburbanen London: "'Cause dirty streets these days are graced by Nikes of black and green." "Beautiful faces" lässt das Hymnische geschickt psychotisch erscheinen, bis die Werbegesichter zu Fratzen werden. Und auch hinter "Daniel, you're still a child", der fröhlich anmutenden Geschichte eines labilen Außenseiters, lauert das Unbehagen. In ihren besten Momenten erreichen McKennas lebensweltliche Beschreibungen dann auch die Schärfe des ganz jungen Alex Turner und sind näher am Geschehen als die abstrakten Lamenti vieler älterer Kollegen. "Zeros" ist somit noch nicht ganz McKennas erhofftes Meisterwerk geworden, aber der nachhaltige und etwas chaotische Beleg, dass er eines zu schreiben imstande ist.

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights

  • You better believe!!!
  • Be an astronaut
  • The key to life on Earth
  • Twice your size

Tracklist

  1. You better believe!!!
  2. Be an astronaut
  3. The key to life on Earth
  4. Beautiful faces
  5. Daniel, you're still a child
  6. Emily
  7. Twice your size
  8. Rapture
  9. Sagittarius A*
  10. Eventually, darling

Gesamtspielzeit: 40:26 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Ralph mit F

Postings: 513

Registriert seit 10.03.2021

2022-05-26 20:25:05 Uhr
Die "Zeros"-Tour nach zwei Jahren (!) Verschiebungen dann gestern endlich in Köln besucht. Luxor wohl einer der kleineren Läden, die er bespielt (immerhin kann man da sogar an die Decke trommeln, wenn man auf dem Keyboardhocker steht). Gab sich die meiste Zeit dann auch ganz Gallagher-mäßig kühl und distanziert und hat die Songs sprechen lassen - aber sowas von. Furiose Glamrock-Show, als hätte es in den 70ern schon Britpop/Indierock gegeben, oder so.
"Zeros" gab es tatsächlich zur Gänze, dann noch ganze sieben Stücke vom Debüt und die zwei neueren Non-Album-Singles (davon "British bombs" als Finale mit schönem Rock'n'Roll-Abgang). Publikum begeistert (würde mal sagen: zu 85% eher jugendlich und weiblich). Schon beeindruckender und auch ein bisschen irrer Typ einfach, ich bleibe Fan.
Bester Moment die Ansage zu "Brazil": "I hope you enjoy this one, I fucking hate it" ;)

Ralph mit F

Postings: 513

Registriert seit 10.03.2021

2021-06-30 18:09:43 Uhr
Wow, der Gute wird hier ja echt mit Ignoranz gestraft.

Neue Single "My house" kommt am 9.Juli.

TheMakko

Postings: 74

Registriert seit 27.02.2015

2020-09-05 09:24:43 Uhr
Großartig

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-08-23 20:20:06 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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