Land Of Talk - Indistinct conversations
Saddle Creek / Dine Alone / Rough Trade
VÖ: 31.07.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Mehr als Schall und Rauch
Sharon Van Etten, Justin Vernon, Jeremy Gara (Arcade Fire), Steve Shelley (Sonic Youth). Die Liste der Künstler*innen, mit denen Land Of Talk bereits zusammenarbeiteten, liest sich wie das Standardrepertoire jedes Indie-Fans der letzten 20 Jahre. Und doch kam die kanadische Band selbst nie über den Status eines Geheimtipps hinaus. Vielleicht machten sie sich im schnelllebigen Musikgeschäft einfach selbst zu schnell vergessen: Mehr als eine halbe Dekade lang pausierten sie nach den ersten zwei Alben "Some are lakes" und "Cloak and cipher", bis sich Hauptsongwriterin Elizabeth Powell nach einem Schlaganfall ihres Vaters wieder der Musik und derer therapeutischen Wirkung zuwendete. Vielleicht gestalten sich Powells oft assoziativ-kryptische Lyrics in Kombination mit ihrem fragilen Gitarrenspiel auch zu unscheinbar, um im oberflächlichen Ohr genügend Eindruck zu hinterlassen. Es ist allerdings müßig, hier weiter über unbeantwortbare Fragen zu grübeln – stattdessen lässt es sich viel fruchtbarer ergründen, warum der geringe Bekanntheitsgrad von Land Of Talk so ungerechtfertigt ist. Auch ihre vierte Platte "Indistinct conversations" beherbergt wieder ein paar wunderbare Folkrock-Kleinode und entfaltet aus all seiner Flüchtigkeit eine tiefe emotionale Klarheit.
Mit einem sanften Beat und ebensolchen Gitarrenanschlägen führt der Opener "Diaphanous" jedoch zunächst noch auf eine falsche Fährte. "I get caught up in the wrong stuff", realisiert Powell, dreht plötzlich die Verstärker auf und lässt ihre Unruhe von weitaus energischeren Drums als zu Beginn begleiten. Den noisigen Indierock ihrer Anfangszeit atmen Land Of Talk nur noch gelegentlich, doch das akustischere Gewand steht ihnen ausgezeichnet, weil ihre Dynamik keineswegs darunter leidet und diese so unter die Haut gehenden Worte darin noch freier zirkulieren können. Am allerbesten macht es die Single "Weight of that weekend". Sehnsüchtige Bläser wärmen die gleitenden Saiten wie ein Kaminfeuer, während Powell die Überreste einer destruktiven Beziehung zusammenkehrt, um der Hoffnung für ein besseres Danach mehr Raum zu geben: "This is a prayer for love." Das große Four-Letter-Word steht stets im Fokus von "Indistinct conversations", sei es im unglücklichen Dreieck von "Compelled" gefangen oder in eine Metapher der aufs Nötigste reduzierten Ballade "Festivals" gefasst: "If your mouth is a festival / There's a song in the way you speak." Das Trio nahm die Platte zu Hause bei Bassist Chris McCarron auf und konserviert diese häusliche Intimität, ohne den Eindruck einer rudimentären Nachmittagsproduktion zu erwecken. Die Art, wie Gitarren und Synthies in die skelettale Schwebe von "Love in 2 stages" reinschimmern, manifestiert dessen zentrales Motto auch auf musikalischer Ebene: "I dig deep / Why don't you?"
In diesem Sinne rütteln Land Of Talk ihre kuschelige Berghütten-Atmosphäre mit ein paar lauteren Nummern auf. "Look to you" beschwört zarte Feedback-Wölkchen und würde mit seinem athletischen Bass auch Yeah Yeah Yeahs oder The Kills gut zu Gesicht stehen. "Footnotes" deutet an, wie Fleetwood Mac als Neunziger-Indierock-Band geklungen hätten, während "A/B futures" mit grobkörniger Gitarre den sicheren romantischen Erfolg deklariert: "I'm your future lover / There's me, there's no one else." Doch das hier zur Schau gestellte Selbstbewusstsein hat in der Zerbrechlichkeit des folgenden "Now you want to live in the light" schon keinen Platz mehr: "Have I lost the feeling? / What's wrong with me?" Powells vielleicht nicht sehr markante, aber kristallklare und empathische Stimme hält all die unterschiedlichen Gefühle zusammen, was auch ein Grund dafür ist, warum der Abschlusstrack etwas enttäuschend gerät. Powell ist nicht mehr zu hören, stattdessen lauscht man einer Collage der titelgebenden "Indistinct conversations": beiläufiges Hintergrundgebrabbel wie auf der Straße oder in der Bar wahrgenommen und eine leider recht egale Coda für ein ansonsten tolles Album. Zum Glück haben Land Of Talk zuvor genug unternommen, um sich nicht so schnell zu verflüchtigen wie diese ins Nichts geraunten Worte.
Highlights
- Diaphanous
- Weight of that weekend
- A/B futures
Tracklist
- Diaphanous
- Look to you (Intro)
- Look to you
- Weight of that weekend
- Love in 2 stages
- Compelled
- Footnotes
- A/B futures
- Festivals
- Now you want to live in the light
- Indistinct conversations
Gesamtspielzeit: 37:27 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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noise Postings: 970 Registriert seit 15.06.2013 |
2020-09-05 13:33:10 Uhr
Kenne und besitze von denen nur das Debut "Applause Cheer Boo Hiss". Emfand die Musik am Anfang als sehr angenehm und unaufgeregt.Leider haben sich die Songs für mich ziemlich schnell abgenutzt. Vielleicht, weil sich da nicht so viel tut.Könnte ich aber mal wieder hören. |
Alice Postings: 262 Registriert seit 27.10.2019 |
2020-08-24 16:03:25 Uhr
Finde es schön, mir fehlen in den Referenzen Rilo Kiley, die kamen mir zuerst in den Kopf. Mal schauen wie es sich entwickelt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 26281 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-08-16 21:00:55 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Big Thief; Florist; Feist; Tiny Ruins; July Talk; Fleetwood Mac; Bailen; Great Grandpa; Stars; Cat Power; Sharon Van Etten; Julien Baker; Phoebe Bridgers; Lucy Dacus; Jessica Pratt; Laura Veirs; Waxahatchee; Better Oblivion Community Center; Bright Eyes; Conor Oberst; Purple Mountains; R.E.M.; Wintersleep; Okkervil River; J Mascis; Kurt Vile; Wye Oak; Hop Along; Mazzy Star; Hope Sandoval & The Warm Inventions; Widowspeak; Blonde Redhead; PJ Harvey; The Kills; Yeah Yeah Yeahs
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