Glass Animals - Dreamland

Polydor / Universal
VÖ: 07.08.2020
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Früher nix los
Einschnitte im Leben führen oft zur Bilanzierung des bisher Gewesenen. Als Drummer Joe Seaward im Juli 2018 in einen schweren Motorrad-Unfall verwickelt wurde, stand die Existenz der Band Glass Animals auf dem Spiel. Zunächst war unklar, ob Seaward überhaupt überleben würde. Und natürlich dadurch überhaupt nicht klar, wie es weitergehen würde mit einem Act, der mit demAlbum "How to be a human being" für viel Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Um sich vor der schrecklichen Gegenwart zu verschließen, ging Frontmann Dave Bayley in sich und darauf aufbauend in der Zeit zurück. Er verarbeitete Erlebnisse aus prägenden Ereignissen seines Lebens zu Songs, die jetzt, da Seaward wunderbarerweise wieder bei Gesundheit ist, die neue Platte "Dreamland" bevölkern.
Wer nun jedoch ein Album voller Brüche, Introspektion und avangardistischem Tiefgang erwartet, sieht sich getäuscht, denn "Dreamland" ist ziemlich glatt und geschmeidig, böse Zungen würden sagen seicht geworden. Dabei ist es eine gute Entscheidung, dass sich der sanft gleitende Titelsong einer größtmöglichen Hymnik verschließt und im Vorhof des großen Ausbruchs verharrt. Wie eine unaufgeregte Bilanzierung mit textlicher Dramatik wirkt dies dann, "You were ten years old / Holding hands in the classroom / He had a gun / On his first day in high school." Hier handelt es sich auch um jenen Moment, der den Höhepunkt an künstlerischer Ausdruckskraft auf "Dreamland" markiert. Was folgt, ist zumindest vordergründig entspannte Wohlfühlmusik, die im musikalischen Bereich zu einfache Lösungen und Antworten anbietet.
Generell flirten Glass Animals mit HipHop-Beats, gerne auch Trap. Was eine spannende Ausdrucksform hätte werden können, bleibt jedoch ein etwas unmotiviertes Anbiedern. Bereits "Tangerine" tänzelt und schwingt gemütlich vor sich hin, die Melodien sind geschmeidig und rund, doch fühlt man sich nur oberflächlich angesprochen, nicht wirklich gekitzelt. Klanglich verweilt alles in sanften, unbeschwerten Sphären, was nicht per se schlecht sein muss, hier jedoch sonderbar oberflächlich gerät. Natürlich hat der mit Straßen-Chor vorgetragene Refrain von "Hot sugar" einiges an Eingängigkeit zu bieten, nur sind dies in melodischer und instrumentaler Hinsicht Straßen, die schon oft abgeschritten wurden.
Gerade der Einsatz der mild tönenden Synthies ist an vielen Stellen recht plakativ und hausbacken geraten. Besser lässt sich da der pumpende Bass von "Space ghost coast to coast" an, und hier hat auch die Gesangsmelodie etwas Verfüherisches, Infektiöses. Durchaus gelungen ist auch "Tokyo drifting", welches vor allem durch den motivierten Gastbeitrag von Denzel Curry punktet. Doch das Meiste gebiert sich als handelsüblicher Synth-Pop von der Stange, den die HipHop-Untermalung zwar belebt, jedoch nicht zu wirklich überwältigenden Ergebnissen führt. So ist "Melon and the coconut" eine halbgare Spielerei im Halbschatten, und die Energie von "Your love (Déja vu)" verfließt in derart ausgelutschten HipPop-Pfaden, dass man meint, dieses Stück schon lange zu kennen und genauso lange für belanglos befunden zu haben. Der Aufbau von Songs wie "Waterfalls coming out your mouth" ist standardisiert, recht satte Beats als Grundlage, ein Leitmotiv vom Synthie, dann eine instrumentale Ruhephase und natürlich völlig klar: Der Refrain muss dann ordentlich anziehen. Was also ein vielschichtiges Album mit reizvollen Brüchen hätte werden können, ist zu einem lauwarm abgespulten Allerwelts-Pop mit geringer Identitätsstiftung geworden.
Highlights
- Dreamland
- Space ghost coast to coast
Tracklist
- Dreamland
- Tangerine
- ((Home movie: 1994))
- Hot sugar
- ((Home movie: btx))
- Space ghost coast to coast
- Tokyo drifting
- Melon and the coconut
- Your love (déja vu)
- Waterfalls coming out your mouth
- It's all so incredibly loud
- ((Home movie: rockets))
- Domestic bliss
- Heat waves
- ((Home movie: shoes on))
- Helium
Gesamtspielzeit: 45:25 min.
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