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Daniel Blumberg - On&on

Daniel Blumberg- On&on

Mute / Rough Trade
VÖ: 31.07.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der ewige Kreisverkehr

Viele Musiker*innen brauchen eine Weile, um ihre künstlerische Identität zu finden, doch bei den wenigsten dürfte sich dieser Prozess so langwierig gestalten wie bei Daniel Blumberg. Ganze sieben Debütalben veröffentlichte der ehemalige Frontmann von Yuck und Cajun Dance Party mit verschiedenen Projekten, mit keinem hielt er es länger als eine Platte lang aus – bis jetzt. "On&on" heißt sein bereits zweites Solo-Album, wobei "solo" nur auf dem Papier zutrifft. Dem Indie-Rock und Shoegaze-Pop seiner Anfangszeit hat sich der Londoner schon lange abgewandt, inzwischen ist er fester Bestandteil der experimentellen Musikszene seiner Heimatstadt rund um die renommierte Jazz-Location Cafe Oto. Dort stellte er sich eine in der Improvisation geschulte Band um Dirty-Three-Drummer Jim White zusammen, mit der er "Minus" einspielte: das Dokument einer Lebenskrise, gefasst in die musikalische Form der Dekonstruktion. Der Nachfolger verfolgt einen ähnlichen Ansatz, auch wenn der weiterhin rastlose Blumberg das für ihn sonst so essenzielle Piano aus dem Studio geschmissen und durch Gitarren ersetzt hat. Wieder lauschen wir jazzigen Singer-Songwriter-Balladen, die von Streichern und rhythmischen Hinterhalten liebevoll in ihre Einzelteile zerlegt werden.

"I expected that love to be strong / And go on and on and on." In der visuellen Begleitung zum Titeltrack, die mehr Kunstinstallation als Musikvideo ist, dreht Blumberg einsame, endlose Runden in einem Kreisverkehr. Die Wiederholung, das scheinbar Unendliche dienen als Leitmotiv auf "On&on": Wie Efeu windet sich besagtes Titelstück um das Albumskelett, erklingt in gleich vier Interpretationen, jede ein größerer Kraftakt als die zuvor. Was in der Theorie wie überambitionierter Unsinn anmutet, erweist sich in der Praxis als hervorragende Idee, weil diese himmlische, wiederkehrende Melodie einen Anker in der zuweilen chaotischen Hörerfahrung bildet. An manchen Stellen ist ein solcher besonders nötig: "Silence breaker" bearbeitet eine minimalistische, formlose Geräuschfläche, die synthetisch modifizierte Stimmfetzen Elvin Brandhis noch mehr zerstückeln. Es ist der sich aus den Dissonanzen schälende Wohlklang, den Blumberg meisterhaft beherrscht, das ständige Beieinander von Schönheit und Schmerz, Struktur und Zerrüttung. In "Sidestep summer" entwickelt White im Zusammenspiel mit einer besonders scharfkantigen Geige einen herrlich kaputten Groove, aus dem ein in seiner Grazie kaum fassbarer Refrain emporsteigt.

Blumberg hat vielleicht keine so einzigartige Stimme wie manche seiner stilistischen Vorbilder – Nick Cave, Tom Waits oder Lou Reed seien etwa zu nennen –, doch vermag er sie auf ähnliche Weise mit ausdrucksstarken Emotionen zu füllen. Das gilt auch für diejenigen Songs, die sich am ehesten formalen Konventionen annähern. Das kleine Indie-Epos "Bound" schunkelt mit einer beschwipsten Gitarre, sackt kurz in sich zusammen und schwebt schließlich auf Streichersaiten einer druckvollen Klimax entgegen. Die zerfallene Liebe, die "Minus" zu begreifen versuchte, findet hier erneut Erwähnung: "It was a mistake to put that ring on your finger." Auch "Teethgritter" verpackt die Aushandlung einer toxischen Beziehung in ein luftiges Stück Musik mit warmen Harmonien und einem zugänglichen Herzschlag-Rhythmus. "On&on" ist kunstvoll, aber nicht künstlich – die destruktiven Elemente dienen einzig zur Bestärkung der rohen Intimität, dazu weiß der Brite genau, wann seine Band die Schnörkel zurückstellen muss. Hervorzuheben ist auch die Produktion von Peter Walsh, der als langjähriger Wegbegleiter Scott Walkers seine Erfahrungen mit aus dem Pop kommenden Avantgardisten hat und hier die Atmosphäre des Raums in ein zusätzliches Instrument verwandelt. Vor allem im Mundharmonika-unterstützten Abgesang "Pillow" lässt sich seine friedvoll in sich ruhende Seele geradezu greifen. Sieben Debütalben hat es gedauert, doch nun scheint Daniel Blumberg endlich bei seinem künstlerischen Ich angekommen zu sein.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Sidestep summer
  • Bound
  • Teethgritter

Tracklist

  1. On & on
  2. Sidestep summer
  3. On & on & on
  4. Bound
  5. Silence breaker
  6. On & on & on & on
  7. Teethgritter
  8. On & on & on & on & on
  9. Pillow

Gesamtspielzeit: 38:41 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Kai

User und News-Scout

Postings: 2767

Registriert seit 25.02.2014

2021-07-17 12:57:26 Uhr
Ich find die On&On Tracks im Verlauf des Albums immer stärker weil sie das gleiche Thema immer wieder anders in Szene setzen.

Vor allem On&On&On&on mit seinen 4:31min ist dabei absolut grandios.

Kai

User und News-Scout

Postings: 2767

Registriert seit 25.02.2014

2020-09-29 22:37:31 Uhr
Passt vielleicht besser in den Herbst:

find die Scheibe immer noch sehr gut

Kai

User und News-Scout

Postings: 2767

Registriert seit 25.02.2014

2020-08-27 19:23:11 Uhr
Gefällt mir immer noch richtig gut.
Könnte echt etwas mehr aufmerksamkeit vertragen.

Die On&On Tracks gehören imho auch in die Highlights.

saihttam

Postings: 2360

Registriert seit 15.06.2013

2020-08-20 00:21:38 Uhr
Geht mir auch so, hab Yuck und My Bloody Valentine beide noch auf meinem guten alten I-Pod Classic. Aber den hab ich immer seltener dabei, weil für neue Musik dann Spotify doch meistens praktischer ist.

Mr Oh so

Postings: 2973

Registriert seit 13.06.2013

2020-08-19 20:02:33 Uhr
Junge ...
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