The Beths - Jump rope gazers

Carpark / Indigo
VÖ: 10.07.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Akzeptanz des Zweifels
"I'm not getting excited / 'Cause the thrill isn't mine to invite in." Die ersten Verse auf The Beths' zweitem Album "Jump rope gazers" irritieren, schließlich hätte die Band jeden Grund zur freudigen Erregung. Ihr Debüt "Future me hates me" verzückte Indie-Fans wie Kritik gleichermaßen, brachte den neuseeländischen Vierer raus aus seiner globalen Randexistenz und rein ins Vorprogramm von Death Cab For Cutie oder Pixies. Doch Frontfrau Elizabeth Stokes weiß, dass die Klinge des Erfolgs eine zweischneidige ist. In einem Lebensabschnitt, in dem alte Freundeskreise sowieso schon zu bröckeln begannen, erschwerte das langfristige Touren den Kontakt zu den Lieben zusätzlich. So sind Stokes' unterwegs geschriebene Songs von Ambiguität geprägt: Heimweh und andere unerfüllte Sehnsüchte auf der einen, das durch die weitläufige Anerkennung gestärkte Selbstbewusstsein auf der anderen Seite. Die ganze Band trägt diese Doppelbödigkeit mit: The Beths spielen zwar weiterhin sommerlichen Indie-Pop-Punk und haben genug Clownsnasen in der Schublade, um ein beklopptes YouTube-Format zwischen Studiokonzert, Kinderprogramm und Fantalk hochzuziehen. Doch fügen sie ihrer Musik auch eine markant nachdenkliche Note hinzu und fahren ihren Turbo zuweilen auf Balladen-Tempo herunter.
Davon ist zu Beginn jedoch noch nichts zu spüren. Besagtes "I'm not getting excited" lässt die Becken scheppern und die Gitarren knistern, während Stokes mit ihrem Gesang zwischen Dreampop-Falsett und Slacker-Attitüde den Neunziger-Vibe des Tracks abrundet. In "Dying to believe" beleben The Beths eine der Eigenarten ihres Debüts wieder: die Hintergrundchöre der männlichen Bandmitglieder, die teilweise Beach-Boys-ähnlichen Harmonien nahekommen. Was dieses nach vorne preschende Eröffnungsdoppel nebst seinen unter der Gaudi versteckten Selbstzweifeln miteinander teilt, ist die leicht versetzte Struktur. Trotz aller Eingängigkeit sucht das Kiwi-Quartett nicht die einfachsten Wege zu großen Hooks oder Slogans, sondern spannt seine Melodien weit und lässt die Wortschwälle fließen. Das tolle "Acrid" führt mit dezentem Emo-Touch das Momentum des Albumstarts ebenso fort wie "Mars, the God of war", das etwas straighter auf den Punkt kommt und in der stürmischen Schlussminute Gitarrist Jonathan Pearce ein Hochgeschwindigkeitssolo abringt. Dass alle vier Musiker*innen im Jazz ausgebildet wurden, hört man unter der Oberfläche dieses kompakten Pop-Rocks durchaus heraus: An der Präzision der Tempowechsel samt finalem Kollaps in "Don't go away" würde so manche 08/15-Garagen-Truppe krachend scheitern.
Doch "Jump rope gazers" zeichnet sich weniger durch musikalische Schnörkel und mehr durch eine neue Klarheit aus, die vor allem die ruhigeren Stücke begleitet. Das nostalgische Schwelgen des Titeltracks könnte schnell in das Feuerzeug-Pathos eines seichten Coming-of-age-Films abdriften, doch Stokes bringt ihre zentrale Erkenntnis mit entwaffnender Aufrichtigkeit rüber: "I think I love you / And I think I loved you the whole time." In "Do you want me now" sinniert sie über Kommunikationsschwierigkeiten, während sich ihre Näherungsversuche mit akustischen und elektrischen Gitarrenspuren überlappen. "You are a beam of light" stellt den Strom schließlich ganz ab, um sich zärtlicher Folk-Poesie zuzuwenden. Vielleicht haben sich The Beths in ihrer neuen Reflektiertheit manche Kante des Ungestümen abgeschliffen, doch das warme Wohlgefühl ihrer Musik bleibt bestehen. So sind es gar nicht die rhythmischen Spielereien, die sich bei "Out of sight" am stärksten einbrennen, sondern die wundervoll empathischen Zeilen: "If your world collapses / I'll be down in the rubble / I'd build you another." Im abschließenden Jangle-Pop von "Just shy of sure" findet Stokes zu einer Akzeptanz des Zweifels, kommt ohne Reue mit einer leidvollen Erfahrung ins Reine: "Hey, you can't win without entering / Are you cool to lose everything? / Roll the dice." Ob sie damit eine verflossene Liebe oder die ungewohnte Trennung von ihrer alten Lebenswelt meint? Da bleiben The Beths wie so oft ambig.
Highlights
- I'm not getting excited
- Acrid
- Mars, the God of war
Tracklist
- I'm not getting excited
- Dying to believe
- Jump rope gazers
- Acrid
- Do you want me now
- Out of sight
- Don't go away
- Mars, the God of war
- You are a beam of light
- Just shy of sure
Gesamtspielzeit: 38:56 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Kojiro Postings: 4211 Registriert seit 26.12.2018 |
2020-07-24 21:01:53 Uhr
Man kriegt, was man erwartet. Das ist nicht großartig, aber mitnichten schlecht. Solides Album. Macht Spaß. |
Kojiro Postings: 4211 Registriert seit 26.12.2018 |
2020-07-19 20:53:29 Uhr
Debut fand ich ganz nett. Mal reinhören in der kommenden Woche..: |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27979 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-07-17 22:10:29 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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