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DMA's - The glow

DMA's- The glow

Infectious / BMG / Warner
VÖ: 10.07.2020

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Noel hat's gewusst

Das sogenannte "Terra Australis" bezeichnete in der Antike und im Mittelalter einen mythischen Südkontinent, einen Sehnsuchtsort, auf den viele Europäer paradiesische Vorstellungen projizierten. Es enthält eine gewisse Ironie, wenn sich heutige Bewohner des tatsächlichen Australien wiederum nach dem verregneten Grau ihrer britischen Ex-Kolonialmacht sehnen. Anders ließe sich die Existenz von DMA's kaum erklären: drei Jungspunde aus Sydney, welche die Abgeschiedenheit ihres Heimatlands nicht zu einer eigenen künstlerischen Vision formen, sondern unverblümt den Britpop und Madchester-Sound der Neunziger wiederbeleben. Auf "Hill's end" und "For now" gelang ihnen das noch so gut, dass man sich beim obligatorischen Noel-Gallagher-Diss schützend vor sie stellen wollte. Mit der dritten Platte "The glow" wird aber zum ersten Mal klar, dass der alte Grantler durchaus ein bisschen Recht hatte. Das Trio wringt den ollen Lappen Britpop nicht nur kräftig aus, es gibt bei der anschließenden Wäsche auch einen ordentlichen Schuss Weichspüler dazu.

Das klingt negativer, als es gemeint ist, denn über weite Teile macht das Album zweifelsfrei Spaß. Der Opener "Never before" verdichtet akustische und elektrische Gitarrenschwaden samt verspielter Percussion zu einem hypnotisch groovenden Strudel, der an die Stone Roses oder Primal Scream auf "Screamadelica" erinnert. Leider plantschen DMA's in diesem psychedelischen Pool nur noch im späteren "Strangers". Ansonsten bedienen sie sich auf "The glow" häufiger bei den balladeskeren Epigonen britischer Stadion-Musik wie etwa Keane oder gar Snow Patrol. Das ist nichts grundsätzlich Schlimmes, doch balancieren die Australier auf dem schmalen Grat zwischen hymnischem Pathos und schmalzigem Kitsch etwas zu wacklig. Dass Sänger Tommy O'Dell, seinem Engelsstimmchen nach zu urteilen, gerne mit Daunenfedern gurgelt, schleift die kantenlose Musik nur noch resoluter ab.

Es lässt sich einfach pointieren: DMA's mangelt es an Persönlichkeit. Kein Problem, solange die Songs, die Melodien, die Leidenschaft stimmen, aber in dieser Hinsicht gestaltet sich die erste Hälfte der Platte durchwachsen. Neben dem grandiosen Opener steht "Silver" auf der Habenseite, das mit dem Selbstbewusstsein der alten Helden nach den Sternen der Pop-Geschichte greift. Kaum zu glauben, dass der Totalausfall "Criminals" die stilistischen Regler nur minimal verschieben muss, um selbst den schmierigsten Charts-Schleimbeuteln die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Wie schon auf dem Vorgänger mit seinen Dreampop-Anleihen wühlen DMA's wieder auch in neuen Altkleiderkisten. Der Titeltrack ruft mit Synthies und flächiger Gitarre eine Zeit ins Gedächtnis, in der die Killers noch nicht scheiße waren, während sich "Life is a game of changing" zwischen Funkel-Disco und Rave bewegt. Beide Stücke vereinen gekonnt Druck mit Melancholie, wissen aber nicht komplett zu begeistern.

Der neue Schimmer, der "The glow" überzieht und zur Band weniger als zum Albumtitel passt, ist möglicherweise Produzent Stuart Price geschuldet – Kopf von Zoot Woman und zuvor bei Madonna, Dua Lipa oder Pet Shop Boys an den Reglern. Trotz dessen manchmal fehlgeleiteter Ideen spielen O'Dell und Co. nach der Halbzeit so stark auf, dass sie an den internationalen Plätzen zumindest schnuppern können. Das perlende "Appointment" oder "Learning alive" mit seinem von Streichern und Piano gestützten Lennon-Vibe beweisen, dass der Dreier die große Geste auch in geschmackvoller Variation hinbekommt. In "Hello girlfriend" darf sich die Gitarre ein bisschen Fuzz aufladen und mit ihrem scheppernden Schlagzeug-Freund den Motor heulen lassen. Am allerbesten macht es "Round and around": Ein überragender Refrain, ein kleines Solo und O'Dells beste Liam-Performance lassen gar die alte Oasis-Magie aufblitzen. Für einen kurzen, aber eindrücklichen Moment erscheinen DMA's wie die Giganten, auf deren Schultern sie nach wie vor stehen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Never before
  • Silver
  • Round and around

Tracklist

  1. Never before
  2. The glow
  3. Silver
  4. Life is a game of changing
  5. Criminals
  6. Strangers
  7. Learning alive
  8. Hello girlfriend
  9. Appointment
  10. Round and around
  11. Cobracaine

Gesamtspielzeit: 41:57 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Kojiro

Postings: 2967

Registriert seit 26.12.2018

2021-08-20 10:13:57 Uhr
Gibt eine neue EP, die zwar nicht umhaut, aber soundtechnisch wieder in die bessere Richtung geht.

Gordon Fraser

Postings: 2536

Registriert seit 14.06.2013

2020-07-15 00:49:03 Uhr
Bin da leider bei Kojiro. Ganz seltsamer Sound, mitunter fast schon in Richtung Italodisco gehend. Warum auch immer.

Kojiro

Postings: 2967

Registriert seit 26.12.2018

2020-07-10 20:12:17 Uhr
Wie erwartet leider wirklich nichts Besonderes. Wo das Modern-Talking-Hafte auf "The End" noch gut geklappt hat, verliert man sich hier irgendwo in seltsamen Sounds zwischen Autotune, Pop und Eurodance. Weiß nicht, welchen Sound die Band da gerade sucht.

Manchmal schimmert natürlich der gewohnte Sound durch. Aber hängen bleibt leider gar nichts..

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-07-01 19:35:27 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

musie

Postings: 3751

Registriert seit 14.06.2013

2020-04-21 08:34:21 Uhr
Da bin ich anderer Meinung. Gefallen mir immer besser. Der Song 'Silver' ist doch schon ein Klassiker. Auch der neue ist gut.
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