Kidbug - Kidbug
Joyful Noise / Cargo
VÖ: 22.05.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Vergangenheitsbewältigung
Das Problem an Zeitmaschinen ist ja folgendes: Sie existieren nur in der Fiktion. So schön die Vorstellung also auch ist, durch die Epochen zu reisen, um der Mondlandung beizuwohnen, Woodstock live vor Ort mitzuerleben oder gar in die Zukunft zu fliehen, so wenig real umsetzbar ist sie. Gut, dass es Musik gibt, die zu einem gewissen Grad ganz ähnliche Fähigkeiten mit sich bringt. Das Debütalbum der Gruppe Kidbug beispielsweise beamt den Hörer in die frühen Neunzigerjahre, in eine Zeit der zerfetzten Jeans, der löchrigen Ringelpullis und fettigen Haare, der Ära der Teenage Angst. Grob umrissen also lässt sich festhalten, dass Kidbug auf dem selbstbetitelten Album Grunge-, Alternative- und Collegerock spielen. Verzerrt, verpeilt, berauschend. Kein Album, das große Ansprüche erhebt, außer eben jenen, die Zeit ein wenig zurückzudrehen.
Hinter dem Projekt Kidbug stehen Mitglieder von so unterschiedlichen Bands wie Best Coast, Swans, Eerie Wanda und Dumb Numbers und irgendwo in diesem spannenden Koordinatensystem lässt sich auch der Sound von Kidbug verorten. Laut Eigenaussage sei das Ziel gewesen, kuscheligen Sludrerock zu spielen – wie auch immer man sich das nun vorstellen möchte. In der Realität klingen Kidbug wie eine längst vergessene, aber just wiederentdeckte Alternative- oder Grunge-Band: Im repetitiv voranmarschierenden "Lovesick" dröhnen die Gitarren wie bei Dinosaur Jr., alles knirscht und fiept und leidet am eigenen Herzschmerz, dass es eine helle Freude ist. "Good inside", der beste Song der Platte, packt ein wenig Surfrock-Feeling als zuckersüße Cocktailkirsche obenauf: In Gitarrenpop gegossener Sonnenschein, so eingängig wie zwingend und ein Highlight auf nahezu jeder Sommerplaylist, die keine Angst vor ein bisschen Verzerrung hat.
Andere Songs zeigen vielleicht weniger Zug zum Tor, liefern aber Atmosphäre satt: "Woozy" starrt sich mit zunehmender Begeisterung und bleierner Schwere selbst auf die Schuhe, was Erinnerungen an den rauschig-verträumten Sound von My Bloody Valentine und Konsorten evoziert. Und "Together" liebäugelt so sehr mit dem Fuzz, dass Freunde von Mudhoney mit den lärmgeplagten Ohren schlackern dürften. Honigsüße Melodien verlaufen hier unter dickflüssiger Distortion, die wechselnden Stimmen sorgen für, nun ja, willkommene Stimmungswechsel. Im düster scheppernden "Stay" gibt es eine Vocal-Doppelspitze, die dem Industrial-Dreampop des Songs eine unheilvoll-sympathische Dringlichkeit verleiht. Und unterstreicht, dass Kidbug bei aller Verwurzelung im Jahrzehnt des Grungerock auch irgendwie knuffig können. Neben dem Zeitreisen ist das ihre wohl herausragendste Fähigkeit.
Highlights
- Lovesick
- Good inside
- Moonglue
Tracklist
- Now let's go to sleep
- Lovesick
- Good inside
- Moonglue
- Never
- Woozy
- Theme from Kidbug
- Together
- Stay
- Yesterdays
- Dreamy
Gesamtspielzeit: 33:53 min.
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2020-06-24 12:08:58 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Best Coast; Eerie Wanda; Dumb Numbers; Hole; The Breeders; Babes In Toyland; Liz Phair; Courtney Love; Melissa Auf Der Maur; Pixies; Pavement; L7; Nirvana; Dinosaur Jr.; Smashing Pumpkins; Mudhoney; Pearl Jam; Soundgarden; Alice In Chains; The Jesus And Mary Chain; Sonic Youth; My Bloody Valentine; Slowdive; Courtney Barnett; DIIV; Jade Hairpins; Dum Dum Girls; Wavves; Surfer Blood; Cloud Nothings; Girls; Beach Fossils; Vivian Girls; Sleigh Bells; Yuck; The Pains Of Being Pure At Heart; No Age
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