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Thomas Azier - Love, disorderly

Thomas Azier- Love, disorderly

Hylas
VÖ: 12.06.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Fuck the world

Man kann sich ja nicht immer auf der ganzen Welt rumtreiben. "Stray", das 2018er Werk des Niederländers Thomas Azier, lebte ein wenig von seiner Entstehungsgeschichte. Improvisiert eingerichtete Studios in Hotelzimmern rund um den Erdball, viele zufällige Kollaborationen, ein Album aus dem spontanen Moment. Und dies führte leider dazu, dass ein übergeordneter Rahmen fehlte, dass trotz einzelner, großer Pop-Momente alles wie ein wenig zufällig zusammengekleistert wirkte. Da wollte Azier anscheinend alles auf einmal abdecken. Mit "Love, disorderly" stehen die Zeichen nun jedoch auf Fokussierung und Ausarbeitung. Statt möglichst jede Stimmung abzubilden, konzentriert sich Azier auf ein dunkles Setting, sinistre Neon-Leidenschaft, menschliche Abgründe und das vereinsamte Leiden. Diese Platte steht mit unterkühltem Pathos im Schatten.

Ein großes Plus sind dabei die Beschränkungen, denen sich Azier unterwirft. Seine neuen Songs begnügen sich mit wenigen klanglichen Elementen, die reizvoll zu Ende gedacht werden. So reicht dem Titelstück ein infernalisches, träges Stampfen mit finsterem Synthie-Sperrfeuer und degenerierten Streichern. Der Druck und die Spannung, die sich dabei aufbauen, sind in hohem Maße intensiv und eine echte Belastungsprobe für die Nerven. Doch entfaltet sich so eine apokalyptische Herrschaftlichkeit, die staunen macht: Meine Damen und Herren, der Fürst der Finsternis gibt sich die Ehre. Auch die dramatischen Streicher von "Hold on tight" verweisen in dunkle Straßenecken, wo so manches Verbrechen aus Leidenschaft im Verborgenen stattfinden könnte. Dazu setzt es in ihrer Verspieltheit erstaunlich fatalistische Bläser und einen Gesang, der verletzlich zwischen Rückzug und großer Geste changiert.

Das Zeitlupen-Drama "Concrete" wandelt zwischen intimem Falsett und aristokratischer Theatralik durch ein von der Liebe verlassenes Wasteland-Szenario, die Melodien atmen noch die romantischen Regungen aus, doch fehlt der Adressat. Man denkt bei dieser Platte oft an die tragischen Liebesfiguren, das Phantom der Oper oder Graf Dracula, deren abgründige Charaktere perfekt in diese düsteren Songs passen würden. Das großartige "Entertainment" bringt zusätzlich etwas Glam in die abseitigen Soundlandschaften, bleibt aber distinguiert bis zur Posenhaftigkeit und damit sehr reizvoll. Die Welt dieser Platte wird vom Mond beschienen, kalt und fahl, sodass selbst Liebesbotschaften erst im Schatten ihre Erfüllung finden: "If there's a god / Then you'd be mine / Let's meet in the dark."

Dass Azier diese Soundästhetik konsequent durchhält, ist ein großer Gewinn. Und so wird aus der Coverversion von Galas "Freed from desire" ein okkulter Gottesdienst, der Manie und Panik bis zum schmerzhaften Endpunkt treibt, statt ausgelassene Tanzfreuden hervorzurufen – sich dabei aber immer noch so etwas wie Coolness bewahrt. Wenn also das Vorgängeralbum den Eindruck hinterließ, Azier spiele ein bisschen rum, so hat er mit "Love, disorderly" Ernst gemacht. Diese Platte besitzt, den Blick ins Morbide gerichtet, nämlich eine starke künstlerische Vision.

(Martin Makolies)

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Highlights

  • Love, disorderly
  • Entertainment
  • Freed from desire

Tracklist

  1. Love, disorderly
  2. Hold on tight
  3. Concrete
  4. Entertainment
  5. If there's a god
  6. For Tsoy
  7. Freed from desire
  8. Open your arms

Gesamtspielzeit: 33:17 min.

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Z4

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Registriert seit 28.10.2021

2022-02-06 23:19:50 Uhr
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Armin

Plattentests.de-Chef

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Registriert seit 08.01.2012

2020-06-10 20:24:04 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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