2nd Grade - Hit to hit

Double Double Whammy / Bertus
VÖ: 29.05.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ich will aufn Arm!
Manchmal ist es einfach zu viel. Weil man sich irgendwo im Selbstoptimierungsurwald verlaufen hat und nicht mehr herausfindet, weil man Eltern, Freunde, Bekannte und Verwandte schon viel zu lang nicht mehr gesehen hat. Weil die Träume immer intensiver werden, so man denn überhaupt schlafen kann, und der Himmel einem beim Blick nach oben jeden Tag eine gähnende Leere entgegenbrüllt, die höchstens bei Chemtrailsjüngern für Begeisterung sorgt. Da will man der ganzen Scheißwelt schon mal einfach die kalte Schulter zeigen und einfach aufn Arm, wenn denn einer zugegen ist.
Wer auf einen solchen allerdings nicht zurückgreifen kann, muss sich nicht für immer in den eigenen vier Wänden verbarrikadieren, ein schweres Alkoholproblem entwickeln und allem und jedem mit funkelndem Hass entgegenblicken. Es gibt ja Peter Gill, der sich unter der Flagge seines Power-Pop-Projekts 2nd Grade genau solchen existenziellen Nöten angenommen hat. In Form von satten 24 Songs, ohne aber von seinen Hörern die notwendige Konzentration für eine Diplomarbeit zu verlangen. "Hit to hit" macht nämlich ungefähr das, was sein Titel ganz unbescheiden verspricht und lässt einen ganzen Haufen musikalischer Kleinode auf seine Hörer los, die sich dann auch wie ein Rudel flauschiger Katzenbabys auf eben jene stürzen. Klar, ein kitschiger und abgenutzter Vergleich, aber hier gut passend. Gills Power-Pop-Entwurf ist schließlich herrlich einfach, geradeheraus und trotzdem auffällig verspielt und voller Liebe zu kleinen Details. Da darf dann schon mal kurzerhand ein Baby die Gesangsspur des putzigen Rumpelpunkers "Baby's first word" beisteuern oder "Shooting from the hip" mit einem cartoonesken Lucky-Luke-Gedächtnis-Ballergeräusch enden. Da darf "Summer interlude" auch einen musikalischen Strandspaziergang unternehmen und sich dabei recht eng an das frühere Schaffen von Will Toledo schmiegen.
So geht das über die ganze Spielzeit von "Hit to hit". Dabei ist man erst mal ein Stück weit überfordert mit der Masse an Songs und vor allem deren Kürze. Kaum hat man sich es gerade in einem Stück bequem gemacht, ist es auch schon wieder rum ums Eck. Mit jedem Mal aber, wenn diese bisweilen skizzenhaften und genau deshalb so liebenswürdigen Songs vorbeihuschen, bleibt ein bisschen mehr hängen, bemerkt man neue Kleinigkeiten, die man nochmal hören will. Die eigentlich total überzogenen Metalgitarren, die immer wieder in "Try to be on my side now" reingrätschen, oder den genial einfachen Text von "My bike" etwa, der sich um nichts anders dreht als mit dem Rad durch die Gegend und zum Plattenladen zu fahren. Oder den Sonnenuntergang, den "Sunkist" an den Horizont pinselt, um sogleich in selbigen zu reiten. Oder eben das verträumte Minisolo von "Not in the band". So funktionert "Hit to hit", auch wenn es zum Ende hin ein bisschen ausfranst, ganz und gar hervorragend. 24 Songs, die einen dann auf den Arm nehmen, wenn es bitter nötig ist. 41 Minuten Eskapismus in Reinform, ohne einfältig oder ignorant rüberzukommen. Eine Trostrunde, die man einfach gerne ausgegeben bekommt.
Highlights
- Velodrome
- 100 Hrs
- Shooting from the hip
- My bike
- Sunkist
- Not in the band
Tracklist
- W-2
- Trigger finger
- Velodrome
- Something I'll have to remember
- Baby's first word
- 100 hrs
- Dennis Hopper in Easy Rider
- Shooting from the hip
- Over and over
- Bye-bye Texas
- You're so cool
- My bike
- Sunkist
- Not in the band
- Sucking the thumb
- Boys in the heat
- Jazz chorus
- Try to be on my side now
- When you where my Sharona
- Maybe I
- Summer interlude
- Flavor of the week
- Summer of your dreams
- Steven's
Gesamtspielzeit: 41:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Immermusik Postings: 1136 Registriert seit 04.11.2021 |
2024-12-31 15:58:19 Uhr
Auch dieses Jahr wieder ein Brydsmäßiges Rumpelalbum rausgehauen. Peter Gill der Robert Pollard des Tweepops. |
Gordon Fraser Postings: 2745 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-07-14 01:40:42 Uhr
Ah, schönes Potpourri von kleinen bis großen Popperlen. Gefällt mir gut. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27966 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-06-10 20:23:52 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Free Cake For Every Creature; Friendship; The Bicycles; Tony Molina; I Was A King; Young Guv; Tacoat; TUNS; The Fairweather Band; Tullycraft; Car Seat Headrest; Hurry; Bunny; The Dates; Sick Sad World; Teenage Fanclub; The Rubinoos; Jade Hairpins; Trace Mountains; Empty Country; Disq; Katie Von Schleicher; Wednesday; Peel Dream Magazine; Gladie; Melkbelly; Beach Boys; Ratboys; Snarls; Long Neck; Ellis; Kiwi Jr.; Nation Of Language; Same; Thick; Johanna Warren; Christian Lee Hutson; This Many Boyfriends; Spearmint; The Pastels; Allo Darlin'; Evans The Death; Ballboy; Loveninjas; Bearsuit; Los Campesinos!; Say Anything; All Girl Summer Fun Band; Tender Trap; Boyracer; Denim; The Vaselines; Hefner; Alphabeat; Saturday Looks Good To Me; Someone Still Loves You Boris Yeltsin; Belle & Sebastian; Camera Obscura; Aberfeldy
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- 2nd Grade - Hit to hit (3 Beiträge / Letzter am 31.12.2024 - 15:58 Uhr)