Jeff Rosenstock - No dream

Polyvinyl / Specialist Subject / Quote Unquote
VÖ: 20.05.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der nun wieder!
Er hat es schon wieder getan! Er, das ist Jeff Rosenstock, früher mal unter so großartigen Bandnamen wie Arrogant Sons Of Bitches oder Bomb The Music Industry! unterwegs und inzwischen unter eigenem Namen auch schon beim vierten Album angekommen. Wie inzwischen fast schon Usus bei Jeff Rosenstock, kommt selbiges einfach so aus dem Nichts, heißt "No dream" und nimmt den Faden ungefähr dort wieder auf, wo er beim großartigen letzten Werk "Post-" fallen gelassen wurde. Ungefähr nur deshalb, weil "No dream" nicht mit einem elfminütigem Midtempo-Exzess samt ausuferndem Outro aufmacht, sondern mit den exakt 54 Sekunden von "No time". Die machen in aller Kürze klar, womit man es hier zu tun hat und was in den folgenden 40 Minuten in etwa auf die Hörer zukommt.
Rosenstock hat nämlich Bock, und davon so viel, dass er im Opener das Haus gleich komplett abreißt, anstatt sich mit langweiligem Mit-der-Tür-ins-Haus-Fallen abzugeben. Könnte ja jeder. Sollte irgendjemand unken, aufgrund seines stetig gewachsenen Bekanntheitsgrades, der es ihm gerechterweise nun sogar ermöglicht, von seiner Kunst zu leben, sei der Kerl weich oder gar satt geworden: nein, einfach nein. Im Gegenteil, führt man sich vor dem Genuss von "No dream" den Vorgänger noch mal zu Gemüte, stellt man sogar fest, dass es sich der Kritikerliebling unter den Punkrock-Barden alles andere als einfach macht. Schließlich kommt Album Nummer vier auf den ersten Blick in etwa so daher, wie es das Cover vermuten lässt. Laut, schrill, überdreht, bunt und krachig. Das heißt natürlich nicht, dass Rosenstock plötzlich nur noch durch die Gegend bolzt wie ein Bekloppter, bedeutet aber trotzdem mehr Arbeit für die Hörer. Weil man neben den offensichtlichen, bis zur Oberflächenspannung mit Melodie befüllten Orientierungspunkten, erst in dieses Album hineinfinden muss.
Die Orientierungspunkte, das sind Nummern wie "Scram!", welches erstmals Tempo und Lautstärke ein kleines bisschen herunterfährt, vergnügt mit dem Offbeat im Sandkasten spielt und dann einen Refrain auspackt, vor dem Rivers Cuomo eventuell niederknien würde. Oder "State line", das mit jeder, aber auch wirklich jeder Faser auf Hit getrimmt ist. Man antizipiert zwar genau, wo Rosenstock seine wie immer bedenklich windschiefen Gesangslinien hindengeln wird, ist aber trotzdem nicht nur um jede Silbe dankbar ist, sondern grölt jedes Wort mit und vor allem: fühlt es mit! Oder eben "Old crap", das sich knapp 90 Sekunden als demotapige Akustiknummer gefällt und doch irgendwann den Weg zum Uffda-Vollgaspunkrock und schließlich noch zu einer etwas verqueren Hymne findet. Alles Songs, die man dankend annimmt, für die man Jeff Rosenstock seit jeher schätzt.
Anderswo geht es aber nicht, ohne noch mal genauer hinzusehen. Weil man sonst Gefahr läuft, die ein oder andere Abzweigung zu verpassen. Wie etwa der furiose Titeltrack es vollbringt, von seiner vollkommenen inneren Ruhe zu einem Tobsuchtsanfall allererster Kajüte zu werden, wird nicht sofort offensichtlich. Dabei muss man den Hut zücken, wie der Song langsam das Tempo anzieht, mittendrin eine Zeile wie "The only framework capitalism can thrive in is dystopia" raushaut, sich letztendlich von allem Fesseln der Vernunft befreit und am Ende doch auf leisen Sohlen den Raum verlässt, als wäre nichts gewesen. Auch die Raserei, in die sich "f a m e" mit seinem Mantra "You will not control me" steigert, hätte man so zunächst nicht auf dem Schirm gehabt. Überhaupt ist es Rosenstocks konsequent durchgezogener Mut und Wille zum Kratzbürstigen, der über die volle Spielzeit immer wieder für hochgezogene Augenbrauen sorgt. Und wie er es schafft, selbst in die exaltiertesten Krachmomente noch irgendwo eine unwiderstehliche Gesangslinie oder einen Rettungsanker von Gitarrenlick zu friemeln. So fügt er mit "No dream" einem eigentlich auserzählten Genre einen Leuchtturm hinzu. Schon wieder.
Highlights
- No time
- N O D R E A M
- State line
- Old crap
Tracklist
- No time
- Nikes (Alt)
- Scram!
- N O D R E A M
- State line
- f a m e
- Leaving it in the sun
- The beauty of breathing
- Old crap
- ***BNB
- Monday at the beach
- Honeymoon ashtray
- Ohio tpke
Gesamtspielzeit: 40:41 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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fakeboy Postings: 5834 Registriert seit 21.08.2019 |
2022-01-10 10:43:05 Uhr
Da ich zuerst die SKA DREAM kannte, hört sich NO DREAM für mich immer so an, als hätte jemand aus einem Ska-Punk-Album ein rotziges Indie-Rock/Punk-Album gemacht ;-) |
fakeboy Postings: 5834 Registriert seit 21.08.2019 |
2021-04-20 11:00:15 Uhr
Hab dazu einen Thread eröffnet. Das Album ist wirklich sehr gut. Mighty Mighty Bosstones meets MU330 - macht Spass! |
All Crips are Bloods Postings: 296 Registriert seit 05.06.2020 |
2021-04-20 10:56:12 Uhr
Wie geil. Dann ist der Tag ja gerettet. |
fakeboy Postings: 5834 Registriert seit 21.08.2019 |
2021-04-20 08:47:46 Uhr
Heute erschienen: SKA DREAMYep, genau das, wonach es tönt: eine komplett neu eingespielte Version von NO DREAM als Ska-Album. Und nein, das ist nicht als Witz zu verstehen sondern ein richtiges gutes Ska-Punk-Album amerikanischer Prägung: https://jeffrosenstock.bandcamp.com/album/ska-dream |
AVMsterdam Postings: 403 Registriert seit 13.03.2017 |
2020-06-22 20:39:57 Uhr
Toller Musiker, mit fantastischem Gespür für Melodien. "We Cool?" mochte ich mehr, aber trotzdem tolle Erweiterung der Diskographie. |
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Referenzen
Titus Andronicus; Fake Problems; Mischief Brew; Ghostmice; This Bike Is A Pipe Bomb; Defiance; Ohio; Against Me!; Chuck Ragan; The Gaslight Anthem; Hot Water Music; Cloud Nothings; Wavves; Neutral Milk Hotel; LVL UP; The Draft; Weezer; Dinosaur Jr.; Pavement; Pixies; Alvvays; The Fall; Two Gallants; Desaparecidos; Green Day; Sommerset; Smoke On Fire; Face To Face; Bouncing Souls; The Lawrence Arms; Ted Leo & The Pharmacists; Bruce Springsteen; Paul Westerberg; Tom Petty & The Heartbreakers; The Replacements; The Hold Steady; Bright Eyes; The Decemberists; The Weakerthans; Cursive; The Promise Ring; Screamin' Jay Hawkins; Gallon Drunk
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