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Jeremy Zucker - Love is not dying

Jeremy Zucker- Love is not dying

Republic / Universal
VÖ: 17.04.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Die neue Schüchternheit

Manche Zahlen sprechen für sich. 331.693.621 zum Beispiel. So häufig wurde "Comethru" bislang via Spotify gestreamt, wohingegen das dazugehörige Video, in dem ein junger Mann schüchtern über ein Hausdach tanzt, auf YouTube immerhin mehr als 230 Millionen Aufrufe zählt. Überrascht es, dass dieses wohltuend unaufdringliche Stück Feelgood-Pop ein solcher Erfolg wurde? Wohl kaum. Für einige Verwunderung dürfte hingegen Jeremy Zuckers Debütalbum sorgen. Weil es sich nämlich nicht in der bewährten Erfolgsformel erschöpft, sondern vor allem in musikalischer Hinsicht eine respektable Weiterentwicklung darstellt. Mit "Love is not dying" unternimmt der 25-Jährige eine vielschichtige und verschlungene Annäherung an das Phänomen Liebe mit all seinen Wiedersprüchen und Abgründen. Eine Annäherung, die zwar gespickt ist mit ausladenden Pop-Gesten und bezwingenden Melodien, die aber in ihrer ganzen Anmutung an die zerbrechliche Sensibilität des Indie-Folk anknüpft. Ein Spagat zwischen Justin Bieber und Justin Vernon? Schon eher eine in weiten Teilen gelungene Verschmelzung zweier doch sehr unterschiedlicher Ansätze.

Statt großem Tamtam erwartet den Hörer eine spannungsvolle Fragilität, eine anrührende Zärtlichkeit. Im Anschluss an das Intro begnügt sich "We're fucked, it's fine" mit sanften Gitarrenklängen, zu denen Zucker mit brüchiger Stimme mehr haucht als singt, bevor kurz darauf ein vages elektronisches Flimmern einsetzt. Ein vernehmbarer Beat ertönt erstmals in "Somebody loves you", das sich bis zur großen Entfaltung jedoch ausgiebig Zeit lässt. Auch im Folgenden wird die makellose Klangoberfläche immer wieder durch kleine Einsprengsel und Irritationen durchbrochen. Hier ein Knistern, dort ein Rauschen. Dazu Zuckers Stimme, die zwischen kraftvoll und brüchig changiert. "Love is not dying" tut gut daran, die Erwartungen, die gemeinhin an ein Mainstream-Pop-Album gestellt werden, konsequent herauszufordern und zu unterlaufen, ohne seine Ambitionen je völlig zu leugnen. "Lakehouse" bringt das Potenzial für einen Hit mit, kippt aber urplötzlich in noisige Tiefen ab, "Full stop" beginnt balladesk, um dann unter wütenden Percussions zu versinken. Und wo sich "Not ur friend" allem Anschein nach als gefällige Pop-Nummer präsentiert, sorgt der unversöhnliche Text dafür, dass sich keine unbeschwerte Laune einstellen mag.

Denn lieben heißt vor allem und zuvorderst: leiden. Diese zugegeben nicht ganz neue Einsicht steht hier gleichermaßen am Anfang wie am Ende. Dazwischen jedoch ist genug Raum für alle Stadien der menschlichen Gefühlswelt, von Wut und Resignation bis hin zu Scham und Trauer. Und schließlich sogar für Einsicht und Versöhnung, wenn sich zwischen "Lakehouse" und "Not ur friend" der vielleicht schönste, zumindest aber zärtlichste Song des Albums versteckt hält. Weniger als einer Minute lang wiederholt "Good for her" nur zwei Sätze: "She's with a new boy now / I know that they're better off now". Von der leider verbreiteten Mackerhaltung, nach der die abtrünnige Exfreundin zwangsläufig Verrat am männlichen Ego begeht, ist dieses unscheinbare Eingeständnis so weit entfernt wie die Songs dieses ambitionierten Debüts vom launigen "Comethru". Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass Zuckers bislang größter Hit auf einigen Versionen des Albums als Bonustrack enthalten ist, zusammen mit "You were good to me", einem Duett mit Chelsea Cutler. Was zweifellos als netter Service für die Fans gedacht ist, erweckt jedoch auch ein bisschen den Eindruck, als würde hier jemand seiner neu gefundenen Ausdrucksform noch nicht ganz über den Weg trauen. Für diese Unsicherheit besteht nun wahrlich kein Anlass.

(Markus Huber)

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Highlights

  • We're fucked, it's fine
  • Lakehouse
  • Good for her

Tracklist

  1. Still
  2. We're fucked, it's fine
  3. Somebody loves you
  4. Orchid
  5. Lakehouse
  6. Good for her
  7. Not ur friend
  8. Full stop
  9. Julia
  10. Hell or flying
  11. Always, I'll care
  12. Brooks
  13. Oh, Mexico
  14. You we're good to me (feat. Chelsea Cutler) (Bonustrack)
  15. Comethru (Bonustrack)

Gesamtspielzeit: 43:53 min.

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Armin

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2020-05-13 20:42:23 Uhr - Newsbeitrag
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