Badly Drawn Boy - Banana skin shoes
One Last Fruit / AWAL / Rough Trade
VÖ: 22.05.2020
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Damons lange Pause
Wenn man so durch seine Plattensammlung geht, findet man wohl einige Alben, die vor allem mehrere Fragen aufwerfen: Warum ist der Künstler, dessen Klänge ich früher immer so laut aufgedreht habe, in letzter Zeit so leise? Und was machen Musiker eigentlich, wenn sie augenscheinlich gerade nicht arbeiten? Wenn sie eine Pause machen? Irgendwie müssen die ja auch 168 Stunden die Woche mit Inhalt füllen. Was Damon Gough dann in den letzten zehn Jahren erlebt hat, übersteigt dabei die Vorstellungskraft. "It's what I'm thinking Pt. 1", erschienen 2010, war seinerzeit als erster Teil einer Album-Trilogie vermarktet worden. Nur: Teil zwei und drei erschienen nicht. 2012 gab es mit dem Film-Soundtrack "Being Flynn" ein kaum wahrgenommenes Lebenszeichen, 2015 eine Tour und immer wieder Talkshow-Auftritte im britischen Fernsehen.
Mit der Veröffentlichung einer neuen Single Ende Januar 2020 lässt Badly Drawn Boy dann durchdringen, womit er die letzte Dekade verbracht hat. 2012 wurde er von seiner Freundin und der Mutter seiner Kinder verlassen, was seine Alkoholsucht und bereits vorhandene Depression noch verstärkt hat. Die politische Situation in Großbritannien, die Debatte um "Leave" und "Remain", taten ihr Übriges, um Gough in eine tiefe Krise zu stürzen, die er dank einer Entzugsklinik, einer neuen Liebe und einer Therapie nun endlich überwunden hat. All die Erfahrungen der letzten Jahre hat er nun in "Banana skin shoes", einem wohligen, wenn auch stellenweise etwas unebenen Album gebündelt.
Es beginnt mit dem Gong, der die Pause nun förmlich beendet. Nach dem Titelsong, der mit seinem bombastischen Jazz-Pop vermuten lässt, Badly Drawn Boy würde auf dem Album neue Wege beschreiten, bringt einen aber schon "Is this a dream?" wieder in die süßlichen Brit-Pop-Gefilde, die Gough schon auf früheren Alben wie "Born in the U.K." so gut bespielt hat. So wirkt der Einstieg, als würde sich Gough erst freischwimmen müssen, um dann zu dem zurückzukommen, was er am besten kann: dem Hörer mit seinen melancholischen, aber nie hoffnungslosen Songs schmeicheln. Seine sanfte Stimme legt sich in "Is this a dream?" angenehm mitten in die dichte Instrumentation und beklagt über den warmen Melodien ganz subtil den Brexit und dessen bisherige Folgen. Auffällig sind der Einsatz und die Vordergründigkeit von Percussion-Instrumenten, etwa in dem übermäßig repetitiven "Colours", in dem das allzu präsente Tamburin für den Song nicht zwingend förderlich ist. Das harmlose "Note to self" fließt so unauffällig dahin, dass man es nicht vermisst hätte, wenn es erst gar nicht da wäre. Es gibt in diesem Album weniger akustische Gitarren, dafür noch mehr Piano, was den Songs allerdings keinen Abbruch tut.
Am stärksten ist das Album dann, wenn die Stücke an Goughs Soundtrack zu "About a boy" erinnern ("I'm not sure what it is") und vor allem immer wieder in wunderbar melodischen und einprägsamen Refrains gipfeln, etwa in "Fly on the wall" oder "I just wanna wish you happiness". Textlich gelingt es Badly Drawn Boy, seine Erlebnisse gleichermaßen explizit zu schildern, dem Hörer aber trotzdem, oder gerade deshalb, zu ermöglichen, sich in dem Gesungen wiederzufinden. "I guess there's no escaping your shadow of a doubt / And it's no use chasing what's gone", heißt es beispielsweise in "Never change", das letztlich die alte Erkenntnis, dass man die Vergangenheit nicht mehr ändern kann, appetitlich verpackt. "Banana skin shoes" ist eine ziemlich runde Antwort auf die eingangs formulierten Fragen. Und letztlich einfach ein charmantes Lebenszeichen eines alten Bekannten.
Highlights
- Is this a dream?
- I just wanna wish you happiness
- Tony Wilson said
- Never change
Tracklist
- Banana skin shoes
- Is this a dream?
- I'm not sure what it is
- I just wanna wish you happiness
- Tony Wilson said
- You and me against the world
- I need someone to trust
- Note to self
- Colours
- Funny time of year
- Fly on the wall
- Never change
- Appletree boulevard
- I'll do my best
Gesamtspielzeit: 50:49 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Badly Drawn Boy Postings: 45 Registriert seit 22.07.2016 |
2020-05-28 12:11:06 Uhr
Doch, ich rede von mir immer in der dritten Person. |
Peacetrail Postings: 4030 Registriert seit 21.07.2019 |
2020-05-28 06:48:42 Uhr
Bist Du gar nicht der echte Badly Drawn Boy? |
Badly Drawn Boy Postings: 45 Registriert seit 22.07.2016 |
2020-05-27 23:57:37 Uhr
Wirklich schön, dass er wieder da ist, da hat echt was gefehlt, immer noch ein super-sympathischer Typ und super Musiker. Allerdings muss ich, so sehr ich ihn liebe, zustimmen, dass mehr drin gewesen wäre - nach den unkonventionellen Opener verfährt er sich dann leider doch wieder in seinen üblichen, bisweilen etwas arg süßlichen Brit-Poprock-Gefilden. Zwar natürlich immer noch auf hohem Niveau, aber wenig überraschend. Ich wünschte wirklich, er würde noch mal so was mutiges, unkonventionelles wie Hour of Bewilderbeast oder Have You Fed the Fish machen, das bleiben wahrlich seine Höhepunkte (Und About A Boy war auch sehr schön), noch mehr Born in the UK und It's What I'm Thinking brauche ich hingegen nicht unbedingt. |
Perfect Day Postings: 703 Registriert seit 18.01.2014 |
2020-05-26 21:12:35 Uhr
Wollte damit gar nicht ausdrücken, dass er schlechte Alben gemacht hat. Ich habe mich vielleicht bei „Born in the UK“ etwas von ihm entfernt. Umso mehr hat mich jetzt das Neue wieder gepackt... |
Hogi Postings: 538 Registriert seit 17.06.2013 |
2020-05-26 21:05:31 Uhr
Welches Album von ihm war denn nicht gut? Find das neue Album ok, zum Ende hin fälllt es etwas ab und an den Titelsong muss ich mich noch gewöhnen. Aber Hauptsache er ist zurück... |
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Referenzen
Elbow; The Divine Comedy; ; David Gray; Doves; Turin Brakes; Gomez; The Thrills; ; Rufus Wainwright; Aqualung; I Am Kloot; Beck; Eels; Elliott Smith; Nick Drake; Sondre Lerche; Alfie; Babybird; Thom Yorke; Andy Burrows; The Notwist; Naked Lunch; Jonathan Richman; Belle & Sebastian; Violent Femmes; The Beatles; John Lennon; Paul McCartney; Ben Lee; Ben Folds; Brendan Benson; Athlete; Sebadoh; Lou Barlow; Murry The Hump; Mull Historical Society; Beulah; The Polyphonic Spree; Folk Implosions; Girl Called Eddy
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