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JG Thirlwell & Simon Steensland - Oscillospira

JG Thirlwell & Simon Steensland- Oscillospira

Ipecac / Rough Trade
VÖ: 24.04.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Klein, aber auweh

Wenn an einem kein Mangel herrscht, dann an Mikroben. Dummerweise, denn sie sind mit bloßem Auge nicht sichtbar, verbreiten üble Gerüche sowie Pandemien, die ganze Zivilisationen lahmlegen. Diese linken Bazillen. Doch nicht alle Mikroben sind schlecht. Bei Bierhefe etwa steckt der Vorzug bereits im Namen, und wenn man kalte Füße hat, kommt ein Pantoffeltierchen wie gerufen. Trotzdem: Wer klein ist, geht auf die Nerven. Vielleicht holen JG Thirlwell und Simon Steensland darum das ganz große Besteck raus – auf einem Album, das ausgerechnet wie ein grampositives Darmbakterium heißt. Und nein, das hat nichts mit gramgebeugt zu tun.

Im Gegenteil: Wie "Oscillospira" durch sämtliche orchestralen Instanzen stolziert, ist äußerst imposant – und bei vorliegender Konstellation kein Wunder. Schließlich hat sich Thirlwell alias Jim Foetus dank zahlreicher Score-Beteiligungen und Instrumental-Projekte wie Manorexia oder Steroid Maximus längst vom Industrial-Extremisten mit Leichenschänder-Fantasie zur angesehenen Koryphäe gemausert, und auch Steensland genießt quer durch die Genres für seine Theatermusiken und Avant-Prog-Platten einen exquisiten Ruf. Folgerichtig, dass die zwei Virtuosen nach Thirlwells Stippvisite bei Steenslands Great Learning Orchestra nun kräftig auffahren: Neoklassik-Donner, Versatzstücke von Post-Rock, King Crimson oder der verspulten 70er-Prog-Spielart Zeuhl – darunter machen es der gebürtige Australier und der Schwede nicht.

Da möchte man fast sinnentstellend Magma zitieren: "JG Thirlwell iss de hündin." Und die kehrt nicht zu ihrem Erbrochenen zurück, sondern sperrt neben mächtigen Bläserbatterien und zornigen Gitarren auch Oboen, Bassklarinetten, Streicher und entgrenzte Bombast-Chöre ins Mischpult. Steensland rekrutiert dazu seinen Landsmann Morgan Ågren für die irrwitzigen Synkopen und Tempowechsel am Schlagzeug. Heraus kommen acht meist überlange und oft brillante Aufzüge, die vieles sein könnten. Zum Beispiel der Soundtrack zu einem Monumentalfilm aus dem Verdauungstrakt eines verhungernden Virologen. Oder das akustische Pendant zur monströsesten Grafik, die je einen Flipperautomaten verunstaltet hat. Ihr fragt: Was ist ein Flipperautomat? Wir sagen: schwieriges Unterfangen, einzelne Tracks aus "Oscillopira" herauszugreifen.

Denn was nützt das Gerede über Kunst? Zumal sich dieses Album jegliche Lyrics spart? Thirlwell und Steensland werden sich vermutlich gedacht haben, dass Titel wie "Catholic deceit" oder "Papal stain" ausreichen, um den Hörer Richtung religiöse Skepsis zu schubsen. Aber bitte sanft, da beide Stücke samt grantigen Riffs und den drohenden Posaunen von Jericho grimmig das Glaubenszentrum aufmischen, wobei verhuschter Brummelbass und perkussives Geklöppel nur sporadisch für Erleichterung sorgen. Mit der ist ohnehin Schluss, wenn "Heresy flank" frühe Laibach im Raumschiff Enterprise aufspielen lässt und "Redbug" dem Free Jazz Stromstöße versetzt. Ein würdiges Finale für hochfiligrane 72 Minuten, die bei Bedarf aber genauso heftig zutreten können. Manchmal muss es eben wehtun. Merkt Euch das, Ihr Mikroben!

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Catholic deceit
  • Papal stain
  • Redbug

Tracklist

  1. Catholic deceit
  2. Heron
  3. Night shift
  4. Papal stain
  5. Heresy flank
  6. Mare
  7. Crystal night
  8. Redbug

Gesamtspielzeit: 72:15 min.

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Armin

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2020-05-06 21:12:42 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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