Paradise Lost - Obsidian
Nuclear Blast / Warner
VÖ: 15.05.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Die Schwarzseher
Es ist an dieser Stelle schon mehrfach betont worden: Wenige Bands probieren sich so oft und vor allem so radikal aus wie Paradise Lost. 30 Jahre nach "Lost paradise", dem Debütalbum der Band aus Halifax, West Yorkshire, gelingt es dem Fünfer immer noch, nur für den Moment greifbar zu sein, die musikalische Entwicklung in Phasen der Selbstfindung einordnen zu können. Man möge dazu einfach mal die unsterblichen Klassiker "Gothic" und "Draconian times" sowie "Host" und als krönenden Abschluss das letzte Album "Medusa" hintereinander an einem Stück hören – die radikalen Stilwechsel waren nicht immer so von Orientierungslosigkeit geprägt wie in den so genannten Nuller-Jahren, sondern gewollte Brüche, um ja nicht ausrechenbar zu sein. "Medusa" jedoch war in seiner Kompromisslosigkeit, in seinem schonungslosen Rückgriff auf die frühen Jahre der Band vermutlich das krasseste Statement der Nordengländer seit "Host", so weit entfernt voneinander diese beiden Platten auch immer sein mögen.
Insofern war klar, dass "Obsidian" den Härtegrad seines Vorgängers sicherlich nicht noch einmal erreichen kann – es sei denn, Sänger Nick Holmes und Gitarrist Gregor Mackintosh hätten ihre Kollegen jetzt auf Grindcore eingeschworen. Aber, und das zeigt der Opener "Darker thoughts" ganz wunderbar, es muss auch nicht sein. Denn der Spannungsbogen zu Beginn ist geradezu unmenschlich. Leise weinen Streicher, sachte, fast beschwörend dazu Holmes' Gesang. Bis nach knapp zwei fast schon qualvollen Minuten der Song nahezu explodiert und donnernde, bedrohlich zähflüssige Riffs den Weg für Mackintoshs so einzigartig klagende Gitarre ebnen. In dieser Form können das vielleicht noch Moonspell, ansonsten ist das schlicht einzigartig.
Ebenso wie der markerschütternde Schrei zu Beginn des brutalen "Fall from grace", in den Holmes offenbar all seine Emotionen gelegt hat. Gibt es etwa immer noch Menschen, die den Frontmann für einen schlechten Death-Metal-Shouter halten, wie im Zusammenhang mit der von ihm eingegrunzten letzten Bloodbath-Platte "The arrow of Satan is drawn" geschehen? Doch als wollten die Briten jegliche Erwartungshaltung zertrümmern, plötzlich ein stumpfer Beat. Umz umz umz – was zur Hölle? Nein, keine Fehlpressung. Sondern "Ghosts", ein düsterer Bastard, der entsteht, wenn sich Paradise Lost mit The Sisters Of Mercy zu einem grotesken Gothic-Gangbang treffen und Fields Of The Nephilim die Rolle der Spanner übernehmen. Oder wenn der Rückblick auf die stilistischen Fähigkeiten schlicht das immer noch famose "Say just words" vom Album "One second" von 1997 einarbeitet, ganz wie man will.
Nach diesem fulminanten schwarzen Dreigestirn scheint es, als wollten sich Paradise Lost eine kleine künstlerische Pause nehmen. Zumindest sind im Mittelteil einige Passagen dabei, die nicht umgehend zünden, den Fluss des Albums aber auch nicht wirklich stören. Doch hey – das war vor 25 Jahren bei "Draconian times" auch der Fall, und dieses Album gilt zu Recht als unverzichtbares Opus im Band-Kanon. Wichtiger ist nämlich, dass das Beste sprichwörtlich zuletzt kommt. Und damit willkommen zu "Ravenghast", einem Schwärze nur so versprühenden Düster-Epos, das alles in sich aufsaugt und zermalmt, was sich ihm in den Weg stellt. Das ist Doom-Death in Perfektion, hier gibt es kein Entrinnen aus ultralangsamen Riffs, grabestiefem Klargesang und irren Growls, faszinierend, abstoßend und dabei auf großartige Weise den Bogen zu "Lost paradise" und "Gothic" schlagend. Ein Vergleich mit den Klassikern der Band verbietet sich dennoch aus bekannten Gründen – die Hörgewohnheiten waren damals nun einmal andere, so bitter es sein mag. Doch "Obsidian" zeigt eindrucksvoll, dass auch in Zeiten des Musik-Fast-Food via Streaming in sich geschlossene Alben verdammt stark sein können.
Highlights
- Fall from grace
- Ghosts
- Ravenghast
Tracklist
- Darker thoughts
- Fall from grace
- Ghosts
- The devil embraced
- Forsaken
- Serenity
- Ending days
- Hope dies young
- Ravenghast
Gesamtspielzeit: 45:23 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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regger Postings: 323 Registriert seit 31.03.2021 |
2023-04-06 14:11:05 Uhr
Von mir 9/10Darker Thoughts ist denk ich mein Lieblingslied der Band. Absolut atemberaubend wie geil der Sound bei diesem Lied ist, da kommt mir jedesmal die Gänsehaut. |
nagolny Postings: 1545 Registriert seit 06.11.2022 |
2023-04-06 00:50:06 Uhr
Durchweg starkes Album, stilistisch sehr vielfältig, flüssig abfolgende Songs, alles richtig gemacht. Mit Obsidian hat Paradise Lost eines der besten Alben dieser Band veröffentlicht.10/10 |
Schwarznick Postings: 1302 Registriert seit 08.07.2016 |
2020-05-15 19:50:28 Uhr
dem schließe ich mich an. was für ein tiefschwarzer brocken! da wird wohl jeder fan seinen gefallen dran finden. unglaublich dass die in 32 jahren schon 16 alben mit diesem rausgehauen haben, und keines war irgendwie vollkommener käse. was die zeit vergeht. ein für mich irgendwie immer wegbegleiter und bei den letzten outputs freut man sich doch echt wie ein kleines kind, weil es zurück zu den pechschwarzen wurzeln geht und sie glaub ich momentan ihre ganzen stile gut in einem vermischt haben. bockstark ^^bisheriges highlight: fall from grace |
Marküs Postings: 1294 Registriert seit 08.02.2018 |
2020-05-15 19:32:41 Uhr
Selbst nach einem einzigen Durchlauf kann ich schon sagen, dass mir das Album hervorragend gefällt. Das ist selbst für mich als absoluter Fanboy bemerkenswert. Dieser Sound ist genau derjenige, den ich von ihnen hören will und mir gefallen ausnahmslos alle Schaffensperioden. |
MM13 Postings: 2453 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-05-15 18:31:57 Uhr
bin ja mehr der host fan,aber dieses album ist der schon der hammer,wie in der rezi schon erwähnt vereint es irgendwie ihr ganzes schaffen,sauber. |
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Referenzen
My Dying Bride; Amorphis; Sentenced; Katatonia; Tiamat; Moonspell; Lacrimas Profundere; Anathema; Type O Negative; At The Gates; Samael; Vallenfyre; Cathedral; Saint Vitus; Trouble; Solitude Aeturnus; Atrocity; Crematory; Lake Of Tears; Theatre Of Tragedy; Candlemass; Draconian; End Of Green; Poisonblack; The Man-Eating Tree; Charon; Agalloch; The Foreshadowing; Arctic Plateau; Sinamore; Opeth; Orphaned Land; Sinine; The Sisters Of Mercy; Fields Of The Nephilim; Killing Joke; Dreadful Shadows; Love Like Blood; Therion; Asphyx; Metallica; Apocalyptica; Entombed; Satyricon; Morgoth; In Flames; Dark Tranquillity
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