Julia Marcell - Skull echo

Long Branch / SPV
VÖ: 08.05.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Wucht und Wonne
Wohin mit den Blumen? Ein fröhliches Wiedersehen mit Julia Marcell war angedacht. Da sie ihr 2016er-Werk "Proxy" in ihrer Muttersprache veröffentlichte und dadurch unter dem Radar der gängigen Blogosphäre mäanderte, stellt "Skull echo" ihr erstes englischsprachiges Album seit nunmehr sechs Jahren dar, mit dem die gebürtige Polin auch hierzulande wieder verstärkte Aufmerksamkeit genießen dürfte. Und dann entscheidet sich Marcell als Opener-Hallo nicht etwa für den feinen Achtziger-Retro-Elektro-Pop von "Nostalgic", sondern grüßt aus dem mystischen, synthetischen Nebel von "Cerebral bliss". Gänzlich euphoriebefreit schiebt die 38-Jährige einen kalten Rotorblätter-Beat hinterher: "My feet are bleeding, I've walked for so long / The road before me unravels like a tongue." Irgendwie grüßt Marcell dann doch. Nur stehen Björk und The Knife auf der Empfängerliste – und man selbst mit runtergeklappter Kinnlade daneben.
Mit diesen Stücken ihres fünften Albums zeigt Marcell exemplarisch, wie souverän sie als Singer-Songwriterin in elektronischen Spielarten unterwegs ist. Während "Infinity halt" mit druckvollen Patterns um sich feuert, ziehen die Synthies des tollen "The odds" lange Fäden. Träge wirkt darin der Beat aufs erste Ohr, verstärkt aber auch die im Song thematisierte Bedeutungslosigkeit des eigenen Seins im Kontext des Weltgeschehens. Marcell plädiert in der Geschichte über ein befreundetes Paar für einen entspannten Umgang mit jener unerschütterlichen Tatsache – wider das destruktive Denken; mach das Beste draus: "I'm stuck inside this design with you / See what I can do." In "Houses of glass" öffnet Marcell, die zwischen Warschau und Berlin lebt und pendelt, den Raum für eine träumerische zweite Songhälfte und schlägt hier eine Schneise von digitaler Grundierung zu analoger Rhythmik. Von letzterer fehlt im Titeltrack jede Spur und auch "Which way is now" verschlingt als Interlude Stimmen in synthetisch-gespenstischer Verdichtung ohne perkussive Unterstützung..
Überbordende Diffusität bietet das Finale von "Understand me". Es klingt, als würden 20 gepimpte Keyboards abends um den Block fahren, sich mit aufheulendem Motor unterhalten und so zeigen, wer den Längsten hat. Die Antwort liegt begraben unter einem teils kakophonischen und in jedem Fall synthetisch-orchestralen Gebilde namens Outro. Möglicherweise erwartet der eine oder andere Hörer als Ausgleich nun die soften Weiten von "Life is on television", aber Marcell fordert noch sieben Minuten ein. Ein paar elektronische Drumtupfer und ihr leicht manischer Sirenengesang sind nur der Beginn eines technoid pumpenden, Dark-Wave verschluckenden Epos mit zarten Störgeräuschen. Doch noch ein Hallo zum Schluss. Es trägt nur den Vornamen Aber.
Highlights
- Cerebral bliss
- The odds
- Mother
- Life is on television
Tracklist
- Cerebral bliss
- Infinity halt
- Time
- Nostalgic
- The odds
- Which way is now
- Houses of glass
- Understand me
- Mother
- Life is on television
- Skull echo
Gesamtspielzeit: 46:55 min.
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2020-05-06 21:10:11 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Björk; Fever Ray; Bat For Lashes; Iamamiwhoami; Me And My Drummer; Charlotte Brandi; My Brightest Diamond; The Knife; Zola Jesus; Austra; Goldfrapp; St. Vincent; Astrid Swan; Kate Bush; Cocteau Twins; Róisín Murphy; Ionnalee; Sophie Hunger; Tori Amos; Regina Spektor; Amanda Palmer; Joanna Newsom; Florence & The Machine; Little Dragon; CocoRosie; Soap&Skin; Amanda Jenssen; PJ Harvey; Xiu Xiu; Emiliana Torrini; Micachu; Holly Herndon; Depeche Mode
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