Prinz Pi - Wahre Legenden
Keine Liebe / Sony
VÖ: 14.02.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Home sweet home
"So viel Scheiß passiert, immer irgendein Krisenstab / Jeder Tag war 'Miese Brise, keine Liebe'-Tag / Jetzt mach' ich meinen Mund auf und es kommt alles raus / Nach zwanzig Jahren tiefen Grau, willkommen zu Haus." Ganz so trist war es bis dato sicherlich nicht, aber Friedrich Kautz, so Prinz Pis bürgerlicher Name, hat in seinem Leben und seiner langen Karriere in der Tat schon einiges erlebt. Zeit also, mal innezuhalten, zurückzublicken und mit der unaufgeregten Reife eines mittlerweile gesettelten Vierzigjährigen Geschichten zwischen damals und heute zu erzählen. Es sind sanfte Piano-Klänge des eröffnenden "Willkommen zu Haus", die den gerappten Strophen und gesungenen Refrains einen melodischen Rahmen verleihen und eine Vorschau auf den Rest des Albums geben. Der gute Mann scheint angekommen zu sein. Sehr schön. "Keine Liebe 2019", das mit dem gleichnamigen Track aus den Spätneunzigern nur sehr wenig zu tun hat, setzt ebenfalls auf Klavierbegleitung und kratzt hier und da etwas am Kitsch, bevor in letzter Minute doch noch die Drums einsetzen.
Und überhaupt hat es den Anschein, dass der Berliner dieses Mal extrem Gefallen an Piano-Beats gefunden hat. Passenderweise immer dann, wenn es inhaltlich sehr persönlich wird, die Familie ins Spiel kommt und es ans Eingemachte geht. Das wunderbare "Technicolor" samt seiner diversen Filmanspielungen ist so ein Fall. "Es zog mich immer wieder zu Dir, denn Du bist mein Anker / All die Schwierigkeiten führten uns nur zueinander", erzählt er und setzt in puncto Liebeserklärung an seine Frau mit dem bereits als Single bekannten "Immer nur zu Dir" noch einen drauf. Fast schon mantraartig wiederholen Prinz Pi und die ebenfalls aus Berlin stammende Nessi den Refrain. Bei soviel Liebe und guten Vibes darf eine Hommage auf den Sohnemann natürlich auch nicht fehlen. "Heimweg" heißt das gute Stück, das zwischen Gangster-Getue ("Du willst wissen, wer Dein Vater ist / Er hat eine Waffe, die geladen ist, immer unter'm Fahrersitz.") und tiefer Vater-Sohn-Liebe ("Du musst wissen, dass ich immer nur an Dich denk' / Auch wenn ich wieder mit 'ner Hand an einem Cliff häng'.") zwar voller Pathos daherkommt, dabei jedoch authentisch bleibt.
Friedrich Kautz gibt sich reflektiert und innerlich aufgeräumt wie lange nicht. Wäre "erwachsen" in dem Zusammenhang nicht vielerorts negativ belegt und "gereift" ein Synonym für langweilig, könnte man auch diese Beschreibungen wählen. Gesellschaft, Klima, Politik: Er macht sich berechtigterweise Sorgen und spart nicht an Kritik. "Unsere Gedanken sind gefangen / Schon fast seit Anfang an / Wir sehen den Topf aus Gold / Und hoffen wir kommen ran / Vielleicht nicht im gleichen Boot / Aber im gleichen Meer / Und bis hintern Horizont, treiben Leichen umher", stimmt er nachdenklich in "Die Gedanken sind frei" an und legt in "Nachtschicht" fragend nach: "All die Jahre in der Tretmühle, was haben die gebracht? / Ein Leben im Bürostuhl, was haben wir gemacht?"
Auch wenn seine "On-Off-Dauerfreundin", die Melancholie, sich durch quasi alle Songs und Geschichten zieht, schafft Prinz Pi es komischerweise, dass man sich beim Zuhören nicht schlecht fühlt. Selbst wenn es um Depressionen und Ängste ("Schwarz"), die postapokalyptische Welt ("Gelb") oder Tragik und Schmerz ("Arme Sau") geht. Das mag einerseits an den passend eingesetzten Samples, Drums und Bässen liegen, die die überwiegend in schleppenden bis mittleren Tempo-Gefilden befindlichen Songs auflockern. Hier und da hört man gar eine Akustikgitarre und Streicher. Andererseits ist es einfach die kurzweilige Bildsprache und das bisweilen intime Storytelling von Prinz Pi, wo so viel los ist, dass man gar keine Zeit für schlechte Laune hat. Wer kann schon RS6, Kinderaugen, Batman, Polizei, Armani, Messerstich, Papa, Elternabend, Gott und Terre de Hermès vernünftig in einen Song packen? Wohl nur jemand, der zu Hause angekommen ist.
Übrigens: Wer Lust auf mehr Musik aus dem Hause Kautz hat, der kann sich das gleichzeitig erschienene "Mit Abstand" anhören, das der Rapper unter seinem Alter Ego Prinz Porno veröffentlicht hat.
Highlights
- Laserstrahlen
- Gelb
- Technicolor
- Heimweg
Tracklist
- Willkommen zu Haus
- Keine Liebe 2019
- Die Gedanken sind frei
- Nachtschicht
- Arme Sau
- Los
- Weiße Rose
- Schwarz
- Laserstrahlen
- Wölfe
- So viele Fragen
- Überlebende Legenden
- Gelb
- Technicolor
- Immer nur zu Dir (feat. Nessi)
- Heimweg
- Unter Brücken aus Stahl (feat. RAF Camora)
Gesamtspielzeit: 53:50 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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peppermint patty Postings: 1904 Registriert seit 07.05.2019 |
2020-04-22 23:26:09 Uhr
Abseits der Städte, in Dörfern, die mit "ow" oder "itz" enden, hier lernst du Kids kennen, die nix kennen, für die sich Prinz Pi nicht interessiert mit seiner Band...aus: Grim 104 (Chrystal Meth in Brandenburg) |
HassoChanel Postings: 14 Registriert seit 03.04.2020 |
2020-04-22 22:04:36 Uhr
Ich konnte mir den von "Donnerwetter" bis "THMS 2" schon gut geben. Das neue Album ist aber wirklich richtiger Schrott. 3/10 maximal. |
Affengitarre User und News-Scout Postings: 11087 Registriert seit 23.07.2014 |
2020-04-22 21:49:03 Uhr
Verstehe auch nicht, wie so ein Schrott (genauso wie das andere Album) eine 7/10 bekommen konnte. Fürchterlicher Typ. |
edegeiler Postings: 3003 Registriert seit 02.04.2014 |
2020-04-22 21:32:18 Uhr
Ungehört 1/10 von dem Typen. Das Äquivalent zu den Foo Fighters im Deutschrap. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27171 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-04-22 21:16:27 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Prinz Porno; Maeckes; Tua; Kamp; Chakuza; Casper; Dendemann; Marteria; Sido; Mopz Wanted; Die Orsons; Olli Banjo; Alligatoah; F.R.; Ahzumjot; Philipp Dittberner; Morlokk Dilemma; Vasee; Aphroe; Hegel; Curse; MAdoppelT; Afrob; Dynamite Deluxe; Samy Deluxe; Favorite; Die Firma; Beginner; Kollegah; Mark Forster; Bosse; Kool Savas; Jack D; Clueso; Die Fantastischen Vier; Genetikk; Jan Delay; Das Bo; Massive Töne; Blumentopf; Fettes Brot; K.I.Z.; Trailerpark; Marsimoto; Bo Flower
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