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Everything Is Recorded - Friday forever

Everything Is Recorded- Friday forever

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 03.04.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Sperrstunde war gestern

Everything Is Recorded: Nicht nur das Motto eines fiktiven Überwachungsstaats irgendeines fiktiven Stephen-King-Romans, dessen langsam einschleichender Horror mehr und mehr an die Realität erinnert, sondern auch der Name des Nebenprojekts von Richard Russell. Der hat zwar auch mal musikalische Sache unter anderem mit Damon Albarn gemacht, ist vor allem aber durch seine Tätigkeit als Chef von XL Recordings bekannt. Nun fallen Labelbosse in der Regel ja nun weniger durch ihren hohen Sympathiefaktor auf, eher für ihre Obsession von Zahlen – möglichst hoch, möglichst schwarz. Russells gutes Händchen für andere Künstler verschafft ihm aber mindestens einen kleinen Bonus und mit Everything Is Recorded ist ihm mal wieder ein Geniestreich gelungen.

Die zweite Runde des Kollaborationsprojekts verfolgt schon wie sein selbstbetitelter Vorgänger von 2018 ein recht einfaches Konzept: Musiker verschiedener Genres und Hautfarben kommen im Studio zusammen, dessen offene Tür nicht nach dem Ausweis fragt, sondern allerhöchstens um gute Laune bittet. Waren beim ersten Album noch viele bekannte Kollegen wie etwa Owen Pallett, Sampha oder auch Albarn selbst mit an Bord, versuchen sich auf "Friday forever" mit Ausnahme von beispielsweise Ghostface Killah größtenteils Künstler, die bisher keiner breiteren Masse aufgefallen sind. Das macht die Sache nicht weniger spannend, eher im Gegenteil: Wie ein frischer Wind taucht dieses Album auf, reißt den Hörer vom ersten Track an mit und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los.

Ein Blick auf die Tracklist deutet es bereits an: Hier fragt niemand, was eigentlich Zeit ist, weil jeder weiß, dass es längst höchste Eisenbahn ist. Für was? Das bleibt offen. "Friday forever" spielt eine stürmische, aufwühlende, oftmals tiefbewegende Freitagnacht durch, von kurz vor 22 Uhr abends bis zum verkaterten, verunsicherten nächsten Tag, wenn sich der Geschmack der Stunden zuvor noch immer auf der Zunge ausbreitet, auch wenn die Erinnerungen daran langsam verblassen. Der Opener "09:46 PM / Every Friday thereafter (Intro)" ist kaum wirklich ein Song, sondern mehr eine Ansage, ein kleines Mantra, das unter die Haut zu gehen weiß und für den ersten Schauer sorgt, ehe das darauffolgende "10:51 PM / The night" die Party richtig losrollen lässt. Die Mischung aus Rap, TripHop, Electronica und Weltmusik ist stellvertretend für sämtliche zwölf Stücke dieses Albums, hier und da jazzt es gewaltig, groovt es untergründlich, flowt es wie sonst nur am Meer.

Mit "01:32 AM / Walk alone" und der Unterstützung von Infinite Coles und Berwyn, beide auf mehreren Songs vertreten, gibt es das erste Highlight von "Friday forever". Ganz und gar nicht allein schmiegt es sich auf der Tanzfläche nämlich an alles und jeden an, der nicht bei drei auf dem DJ-Pult steht, klatscht es sich durch den inneren Gospelchor irgendeiner Südstaaten-Kirche, wackelt es mit dem Hintern, als stünde es zu später Stunde auf der Reeperbahn. Mit dem Doppel aus "03:15 AM / Caviar" und "04:21 AM / That sky" fängt die Nacht langsam an ins Vernebelte zu kippen, Zeitgefühl hat hier schon lange keiner mehr, ein Gefühl für die bereits einverleibten Getränke sowieso nicht. "05:10 AM / Dream I never had" lässt pünktlich zu den ersten zarten Sonnenstrahlen eine wohlig-warme Melancholie aufkommen, die mit dem düsteren, harten "10:02 AM / Burnt toast" auf direktem Weg wieder ausgekotzt wird. Zum Schluss fragen sich nicht nur die beiden regelrecht himmlischen "11:55 AM / This world" und "11:59 AM / Circles (Outro)", was hier eigentlich los war. Irgendwie ja aber egal. Was ist schon ein Samstagmorgen, wenn man sich nicht gerade noch mal aufs Ohr hauen kann? Kontrolliert zum Glück ja keiner. Nicht mal Stephen King.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • 01:32 AM / Walk alone (feat. Infinite Coles & Berwyn)
  • 05:10 AM / Dream I never had (feat. A.K. Paul)
  • 11:55 AM / This world

Tracklist

  1. 09:46 PM / Every Friday thereafter (Intro) (feat. Maria Somerville & Berwyn)
  2. 10:51 PM / The night (feat. Berwyn & Maria Somerville)
  3. 12:12 AM / Patients (Fucking up a Friday) (feat. Aitch & Infinite Coles)
  4. 01:32 AM / Walk alone (feat. Infinite Coles & Berwyn)
  5. 02:56 AM / I don't want this feeling to stop (feat. Flohio)
  6. 03:15 AM / Caviar (feat. Ghostface Killah & Infinite Coles)
  7. 04:21 AM / That sky (feat. Maria Somerville & James Massiah)
  8. 05:10 AM / Dream I never had (feat. A.K. Paul)
  9. 09:35 AM / Pretending nothing's wrong (feat. Kean Kavanagh)
  10. 10:02 AM / Burnt toast (feat. Berwyn & A.K. Paul)
  11. 11:55 AM / This world (feat. Infinite Coles / Maria Somerville)
  12. 11:59 AM / Circles (Outro) (feat. Penny Rimbaud)

Gesamtspielzeit: 37:32 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

embele

Postings: 576

Registriert seit 14.06.2013

2020-04-16 22:44:45 Uhr
Ich bin begeistert von der ersten Platte und habe mir diese zweite einfach blind bestellt. Rechne mit einem weiteren sehr interessantem Album mit vielen groooovy Sounds.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 25628

Registriert seit 08.01.2012

2020-04-15 20:29:15 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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