Igorrr - Spirituality and distortion
Metal Blade / Sony
VÖ: 27.03.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Die Musik durchgespielt
Manchmal kommt es vor, dass Label einem im Zuge von Rezensionen noch ungefragt weitere Alben schicken. Als auf diesem Wege 2012 "Hallelujah" von Igorrr in der Plattensammlung landete, bekam es dort schnell einen ganz besonderen Platz. Es wurde zu einem eigenen Maßstab. Wann immer es fortan in Diskussionen, Empfehlungsgesprächen oder einfach als Running Gag um die Grenzen der Musik ging, wurde "das pinke Album von Igorrr" genannt, alternativ gern diverses von Sunn O))). "Hallelujah" ist ein irrwitziger Ritt. Es versammelt bis zum Anschlag gedrehten Blackmetal, Breakcore und Kammermusik. Dass im Laufe der Jahre kleine Internetfunde wie die "Chicken Sonata" hinzukamen, bei dem Igorrr Hühner auf Klaviertasten Körner aufpicken lässt, passt umso mehr ins Bild.
Die Erwartungen an "Sprituality and distortion" sind also mindestens so hoch, wie allein der Titel eine wunderschöne Ankündigung ist. Tatsächlich ist jedoch erst einmal Verwirrung angesagt. "Downgrade desert" beginnt mit orientalischem Gezupfe, ehe ein doomiges Metalriff übernimmt und sphärische Gesangspassagen, später dunkle Growls einsetzen. So weit, so hörbar. Schon anstrengend, aber kein Gemetzel. Sollte Igorrr etwa ... ? Nein. "Nervous waltz" wischt mal eben mit den Gehörgängen den Boden und verbindet tänzerisch Klassikstreicher mit heftigen Riffs, wildem Geprügel und Breakbeats. Da ist es wieder, das Genre "alles". Natürlich hält auch das folgende "Very noise", was der Titel verspricht: Aphex-Twin-Geschredder auf Hardcore-Stereoiden. "Camel dancefloor" hingegen ist partiell eine Art eklektizistischer, orientalischer Brostep-Track, samt Mitklatschphase und böse groovendem Riff am Ende. Das sind im übrigen nur die ersten 15 Minuten: Im weiteren Verlaufe der knapp einstündigen Platte laufen noch diverse ganz andere Experimente gewollt aus dem Ruder.
Gautier Serre, wie Igorrr bürgerlich heißt, nimmt hier keinerlei Gefangene. Die schiere Anzahl angespielter und zerlegter Genres (allein Death Metal bis Nintendocore in "Parpaing") dürfte selten so eine Dichte erreicht haben. Hier wird selbst die Verrücktheit eines Mike Patton noch auf die Spitze getrieben (wird Zeit für ein Kollabo-Album). Erstaunlich dabei: Bis auf die Karusselfahrt "Musette maximum" ist "Spirituality and distortion" an jeder Stelle ernstzunehmen. Igorrr ist kein Projekt, bei dem Musiker im Studio herumalbern und Dinge in einen Topf werfen, die zusammen nie gehen, sondern der unglaubliche Versuch, so viel Musik wie nur möglich auf kleinstem Raum zusammenzubringen, mit mehr als achtbarem Resultat. Selten war der Begriff Avantgarde so angebracht wie hier.
Highlights
- Downgrade desert
- Himalaya massive ritual
- Paranoid bulldozer Italiano
Tracklist
- Downgrade desert
- Nervous waltz
- Very noise
- Hollow tree
- Camel dancefloor
- Parpaing
- Musette maximum
- Himalaya massive ritual
- Lost in introspection
- Overweight poesy
- Paranoid bulldozer Italiano
- Barocco Satani
- Polyphonic rust
- Kung-fu chèvre
Gesamtspielzeit: 55:37 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Socko Postings: 1984 Registriert seit 06.02.2022 |
2024-05-14 13:34:54 Uhr
9/10.immer noch |
Arne L. Postings: 1456 Registriert seit 27.09.2021 |
2024-05-14 12:26:49 Uhr
Immer noch eine absolut wilde und spaßige Achterbahnfahrt! |
Analog Kid Postings: 2155 Registriert seit 27.06.2013 |
2020-05-13 17:14:18 Uhr
Das Video zu "very noise" ist jedenfalls ziemlich cool:https://youtu.be/Osqf4oIK0E8 Erinnert schon sehr an die Cunningham-Videos für Aphex Twin |
Marküs Postings: 1294 Registriert seit 08.02.2018 |
2020-05-13 17:09:16 Uhr
Absolut geile Scheibe! Total crazy, aber trotzdem catchy. Jeder Song bleibt hängen. |
BVBe Postings: 810 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-05-13 14:53:30 Uhr
Ganz ehrlich? - Beim ersten Anhören hat es mich fast krank gemacht, ein kleiner Teil in mir fand es aber faszinierend und lustig.Deathmetal vs. Kammermusik vs. Programming vs. Oper vs. französische Folklore vs. Hastenichgesehn? Es ist irgendwie vertonter Wahnsinn, aber es macht irre Spaß! Auch wenn ich mit den Folkloreanteilen und Operngesängen ansonsten überhaupt nichts anfangen kann. Ist es nicht erstaunlich, welche Stilrichtungen der Metal zusammenbringen kann? Auch wenn IGORRR nur eine kleine Nische einnehmen, so sind sie doch zumindest einzigartig und dabei auch unterhaltsam und musikalisch-technisch voll auf der Höhe. Einen ähnlichen Stimmungsflash habe ich bislang nur von MAXIMUM THE HORMONE bekommen. Danke für den Tipp, PLATTENTESTS! |
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Referenzen
Whourkr; Corpo-Mente; Aphex Twin; Mr. Bungle; Mike Patton; Johann Sebastian Bach; Cannibal Corpse; Meshuggah; Portishead; Frédéric Chopin; Ez3kiel; Venetian Snares; Drumcorps; Morbid Angel; Boards Of Canada; AFX; Autechre; Colin Stetson; The Future Sound Of London; Amon Tobin; Cattle Decapitation; Secret Chiefs 3; Maria Callas
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