The Weeknd - After hours
Republic / Universal
VÖ: 20.03.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Lei(n)wand
Schon klar. Auf der einen Seite zieht man sich die Drogen kiloweise rein, Frauen sind grundsätzlich "bitches", die nur ans Kleingeld in der Hose oder an andere Sachen ebendort wollen und der Tag beginnt auch erst, wenn die Sonne schon wieder ans Verabschieden denkt. Auf der anderen Seite möchte man das alles aber auch gar nicht mehr und dann gibt es ja auch noch die Eine, für die man alles tut, die eigentlich gar nicht so ist. Künstler sind da gelegenheitlich etwas schizophren unterwegs. Auftritt The Weeknd (zu deutsch: "das Wochennde"), der diese Dialektik der Lebensführung als Markenzeichen perfektioniert hat. So gut, dass ihn das Slate-Magazin bereits als "the new AC/DC" bezeichnet hat. Abel Tesfayes Themenkosmos hat sich auch auf "After hours" nicht vergrößert, eher scheint er mehr denn je um seine eigene Identität zu kreisen. "Got everything I wanted / I'd be nothing without you." Und wenige Momente später: "LA girls all look the same / I can't recognize / The same work done on their face / I don't criticize."
"Escape from LA" ist nicht der einzige Song, der so etwas wie den Spagat zwischen eskapistischer Liebeserklärung und der Chronik eines schnellen Studioficks probt. Da holt man sich schnell eine blutige Nase, möchte einem das Coverfoto offenbar weismachen. Doch ebenso wie moralisch zeigt sich "After hours" auch musikalisch flexibel. Hitgarant Max Martin hat bei mehreren Songs – die wenig überraschend die mit Abstand poppigsten sind – seine Finger im Spiel, daneben gastieren so unterschiedliche Leute wie Oneohtrix Point Never oder Metro Boomin. Doch auch Rückgriffe auf die psychedelischen Texturen der frühen "Trilogy"-Mixtapes finden sich in Songs wie dem massiven "Too late" mit seinem 2-Step-Beat oder der Jugenderinnerung "Snowchild". Und das klappt stimmiger als auf dem arg zerrissenen "Starboy". Zudem führte die erste Single "Heartless" mit ihrer Trap-Orientierung und der Repetition eher auf eine falsche Fährte. Die kurz später mit "Blinding lights" richtiggestellt wurde.
"Blinding lights" tritt charttechnisch vollkommen zurecht in die Fußstapfen des Titeltracks von "Starboy", es ist hierzulande The Weeknds erster Nummer-eins-Hit. Der Song ist beinahe unverschämt eingängig, ein Mörderbrett mit teuflischer Synthesizer-Hook. Tesfaye weiß das selbst und liefert die anfeuernden "Hey"s gleich frei Haus. Auf "After hours" eröffnet der Track eine Trilogie, in welcher die Platte zum Synthpop-Album wird. "In your eyes" und "Save your tears" ziehen die Kitschschraube noch deutlich mehr an, bleiben aber ebenfalls im Ohr, wenn auch nicht ganz auf dem Level von "Blinding lights". In diesen Momenten wird klar, dass The Weeknd mittlerweile einer der größten Stars des Planeten ist und "After hours" ein Blockbuster, der einen Ruf zu verteidigen hat. Entsprechend sind die Songs produziert, ein "Scared to live" hält da keinesfalls mit der großen Geste hinterm Berg und legt ordentlich pathetischen Hall auf die Beats.
Wie das im Popcorn-Kino so ist, kommt die Klimax gegen Ende. In diesem Fall ist es der fantastische Titeltrack, der zwar Tesfayes Spielzimmer nicht verlässt, aber dank des interessanten Splittereffekts, der sich durch den sechsminütigen Song zieht, zum waschechten Kopfhörer-Erlebnis wird. "Oh baby, where are you now that I need you close?", fleht der Sitzengelassene – "I know it's all my fault / Made you put down your guard." Es ist bei weitem nicht das erste so ähnlich lautende Schuldeingeständnis, aber "After hours" lebt eben nicht von textlicher Vielfalt, sondern von der Konzentration auf eben dieses Bildnis des sündigen Lebens und dem Morgen danach. Die Songs sind aber viel zu gut, als dass diese Monothematik letztlich in irgendeiner Weise stören würde. "After hours" ist das stimmigste Gesamterlebnis, das Tesfaye mindestens seit "Echoes of silence" geschnürt hat. Ein Album wie ein guter Film.
Highlights
- Too late
- Blinding lights
- After hours
Tracklist
- Alone again
- Too late
- Hardest to love
- Scared to live
- Snowchild
- Escape from LA
- Heartless
- Faith
- Blinding lights
- In your eyes
- Save your tears
- Repeat after me (Interlude)
- After hours
- Until I bleed out
Gesamtspielzeit: 56:18 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10274 Registriert seit 26.02.2016 |
2021-04-26 19:23:27 Uhr - Newsbeitrag
|
XTRMNTR Postings: 1276 Registriert seit 08.02.2015 |
2021-03-02 08:18:30 Uhr
"Blinding Lights" ist ein geiler Song, aber im Grunde einfach Synthwave.Tracks wie diesen gibt es auf YouTube zuhauf. Nur die laufen eben nicht im Radio. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10274 Registriert seit 26.02.2016 |
2021-02-28 22:36:11 Uhr
Nun ja, The Weeknd hat sicherlich aber den R'n'B-Sound von heute mit seiner Mixtape-Trilogie mitgeprägt. Insbesondere was Atmosphäre und Auswahl von Samples angeht (noch vor Kendrick ist er auf die Idee mit einem Beach-House-Sample gekommen), hatte er schon Einfluss.Klar hat er auch nach und nach sehr poppige Songs einfließen lassen (spätestens ab "Beauty Behind The Madness"), aber zumindest folgt auf dem letzten Album nach "Save Your Tears" 2 Tracks weiter sowas wie "After Hours", das eben nicht die einfache Route ist. |
Superhelge Postings: 826 Registriert seit 15.06.2013 |
2021-02-28 21:41:19 Uhr
Erstaunlich, dass ich bis dahin nie eien Song von The Weeknd wahrgenommen habe. Wenn ich jetzt querhöre merke ich, dass ich einige kenne, diese aber anderen Künstlern zugeordnet hatte oder sie schlicht zu unauffällig fand um zu gucken, wer's ist.Das sagt so ziemlich alles über den musikalischen Wert des Jungen. hatte mir mehr versprochen. Wird vermutlich wie mit Timbaland vor ein paar Jahren. Einige Zeit ist er omnipräsent und wird dann verschwinden. Nur das Timbaland einen eigenen Sound geprägt hat... |
Superhelge Postings: 826 Registriert seit 15.06.2013 |
2021-02-28 21:36:46 Uhr
Habe vor ein paar Tagen einen Song namens 'Save your Tears' im Radio gehört und mich mega gefreut, dass Jeff Lynne so schnell nach dem letzten Album 'From Out of Nowhere' schon wieder nachliefert...Megatrack, bis man merkt, dass es gar nicht lynne ist sondern ein Plagiat. Ein Genie ist nur der erste, danach ists einfach. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
The Noise; Michael Jackson; Frank Ocean; Drake; R. Kelly; Miguel; Jhené Aiko; JMSN; Justin Timberlake; Ginuwine; John Legend; The Internet; Dornik; Jazmine Sullivan; Banks; Kanye West; Thundercat; Daft Punk; Future Brown; Kid Cudi; The-Dream; How To Dress Well; Trey Songz; Jay Sean; Janelle Monáe; Prince; XoV; Maxwell; Quadron; Rhye; Sade; Pharrell Williams; Clams Casino; Childish Gambino; Lupe Fiasco; Jamie Woon; D'Angelo; J. Cole; Kendrick Lamar; Erotic Market; FKA Twigs; M.I.A.; Santigold; Ariana Grande; Jason Derulo; Sia; Lapsley; Empress Of
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- The Weeknd - Hurry Up Tomorrow (17 Beiträge / Letzter am 28.11.2024 - 17:54 Uhr)
- The Weeknd (52 Beiträge / Letzter am 06.08.2024 - 15:28 Uhr)
- The Weeknd (1 Beiträge / Letzter am 01.06.2024 - 11:57 Uhr)
- The Weeknd - Double fantasy (6 Beiträge / Letzter am 21.04.2023 - 21:42 Uhr)
- The Weeknd - Dawn FM (63 Beiträge / Letzter am 03.02.2023 - 22:26 Uhr)
- The Weeknd - After hours (45 Beiträge / Letzter am 26.04.2021 - 19:23 Uhr)
- The Weeknd - The Highlights (3 Beiträge / Letzter am 08.02.2021 - 14:40 Uhr)
- The Weeknd - House of balloons (16 Beiträge / Letzter am 11.01.2021 - 23:33 Uhr)
- The Weeknd - My dear melancholy (1 Beiträge / Letzter am 29.03.2018 - 21:43 Uhr)
- The Weeknd - Starboy (21 Beiträge / Letzter am 18.06.2017 - 12:46 Uhr)
- The Weeknd - Beauty behind the madness (13 Beiträge / Letzter am 22.10.2015 - 21:45 Uhr)
- The Weeknd - Kiss land (4 Beiträge / Letzter am 09.09.2013 - 11:29 Uhr)
- The Weeknd - Echoes of silence (3 Beiträge / Letzter am 02.01.2012 - 00:33 Uhr)