Ian William Craig - Red sun through smoke

130701 / FatCat / Rough Trade
VÖ: 20.03.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Feuerprobe
Bisher war die Ästhetik des Verfalls bei Ian William Craig ein abstraktes Sujet, das sich in experimentellen Klanggedichten freischwebender Ambient-Musik auf Tape niederschlug. Mit diesem Album konkretisiert sich auf tragische Weise diese Ästhetik. Hier ist der Verfall nicht mehr bloß Konzept, sondern Realität. Die Brände in British Columbia 2018 und das damit zusammenhängende Sterben seiner Großeltern verarbeitet der Künstler hier, genauso aber erzählt er auch von einer neuen Liebe. Zu- und Zerfall treffen aufeinander. Persönliche und politische Realität werden hier auf eindringliche Weise hörbar gemacht.
Craig hat einen langsam näher kommen lassen. Von Album zu Album trug er die einzelnen Schutzschichten ab. Auf seinen ersten Alben dominierten knisternde, rauschende Ambient-Drone-Gebilde, unter denen seine Stimme mumifiziert vergraben lag. Schon auf den folgenden Platten präsentierte er seine Stimme unmaskierter, doch die Worte blieben verschleiert, das Songwriting und die Arrangements immer noch unnahbar. Mit "Red sun through smoke" geht diese Entwicklung einen entscheidenden Schritt weiter und ist dabei eine Offenbarung. Zwischen den minimalistischen, züngelnden Ambient-Versatzstücken, die fragmentarisch wie Erinnerungen lodern, stehen zarte Piano-Balladen, in denen Craig alleine zu hören ist, nur seine Stimme und ein Klavier ertönen – aufgenommen in dem Haus seiner verstorbenen Großeltern.
Im nur von geschichteten Stimmen getragenen Opener heißt es fast schon feierlich: "Oh the random". Es folgt das von knisternden und knackenden Tonspuren umgarnte Klavierstück "The smokefallen", dessen zunehmendes Rauschen wie das Brennen einer Landschaft klingt, bevor "Weight" den Hörer mit diesem erschlägt. Glasklare Klavierakkorde werden angeschlagen, Craigs Stimme tritt in ihrer ganzen Zerbrechlichkeit und ohne den elektronischen Kokon, der ihn sonst schützt, in den Vordergrund. Dann erheben sich distanzierte chorale Stimmlagen und Static-Rauchschwaden säumen die Ränder der Aufnahme. Unmaskiert hört man wieder Craig mit den klaren Worten "bless you for the weight", doch dann überwältigt das Rauschen die Melodie und der Track endet. In den folgenden fragmentarischen Tracks bestimmen verblassende Erinnerungen und Staub, die schleifenden Spuren, die sich herausschälenden und immer wieder sich selbst übermalenden Gesangslinien, die Verzerrung und der Lo-Fi-Charme – mal ätherisch surrend, dann auch wieder rhythmisch, pulsierend. Rauchende melancholische Assoziationen nehmen und lullen den Hörer ein.
Wenn in "Open like a loss" wie aus dem Nichts ein fast schon Sunn-O)))-artiges Drone-Riff ertönt, wirkt das monumental im Kontext des bisherigen Albumflusses, ist der Ausbruch, auf den es gedrängt hat – geradezu eine Befreiung. Im wieder reduzierten "Stories" heißt es "time doesn’t care", die Intensität im Vortrag lässt die Haare zu Berge stehen. Es ist ein würdiger und konsequenter Abschluss. Nie war Craigs Klangkunst dringlicher. "Red sun through smoke" widersteht dem Feuer.
Highlights
- Weight
- Open like a loss
- Stories
Tracklist
- Random
- The smokefallen
- Weight
- Comma
- Condx QRN
- Mountains astray
- Take
- Last of the latern oil
- Supper
- Far and then farther
- Open like a loss
- Stories
Gesamtspielzeit: 40:10 min.
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