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Zelienople - Hold you up

Zelienople- Hold you up

Miasmah
VÖ: 13.03.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Erinnerungen lösen sich

Das Verhältnis eines Albums zu seinem Cover ist komplex. Spätestens seit Frank Sinatra und die Beatles das Bild auf der Vorderseite zu einer eigenen Kunstform erhoben hatten, etablierte es sich als Erstkontakt mit dem Album. Es schließt seinen Inhalt auf, verschleiert ihn oder weist darüber hinaus. Manchmal harmoniert es in verblüffender Weise. Das in Chicago ansässige, aber nach einem Vorort Philadelphias benannte Trio Zelienople zeigt auf "Hold you up" die Fotografie eines mediterran anmutenden Feldwegs, auf dem ein Mensch spaziert. Der Eindruck ist sommerlich, doch die mögliche Hitze in Sepia getränkt; sie scheint somit bloßer Bestandteil einer Erinnerung zu sein. Wenn ausbleichende Fotografien das Emblem einer Vergangenheit sind, die sich verliert, haben Zelienople auf "Hold you up" das musikalische Äquivalent geschaffen.

Die sechs ausufernden Lieder wirken wie Kapitel einer längeren Erzählung. Es ist schlecht vorstellbar, sie zu separieren, da sie auf einem gemeinsamen rhythmischen und atmosphärischen Gerüst Platz finden. "Safer" beginnt mitten im Takt, als hätten wir die Band während einer Probe überrascht und gibt den Tenor des Albums vor. Zurückhaltende, langsame und doch komplexe Percussion grundiert einen Klangraum, in dem fragile Gitarrenlinien und ein sanft pulsierender Bass impressionistisch miteinander verwischt werden. Das klingt im Opener ein wenig nach The War On Drugs, die sich verlangsamen und völlig ihrer Nostalgie hingeben, aber auch sonst pendelt der Sound zwischen Post-Rock und verspultem Americana, späten Talk Talk und frühen Red House Painters. Schlagzeuger Mike Weis hat in den vergangenen Jahren einige Ausflüge in tranceähnliche Zen-Rituale unternommen und die verträumten Gitarrenfiguren verbünden sich mit seinen repetitiven Rhythmen zu Loops, auf denen sich sukzessive nostalgischer Verfall ausbreitet. Noch stärker tritt diese Dynamik in "Breathe" zutage, das paradoxerweise fast völlig ohne Percussion auskommt: Unter der brüchigen Stimme Matt Christensens versammeln sich ein erodierendes Piano – eines, das klingt, als löse sich die Schallplatte auf, auf der man ihm lauscht – und Bruchstücke anderer Instrumente, während die durchgehend verhallte Produktion geschickt zwischen Vorder- und Hintergrund, Melodie und Ambient wechselt. Am Ende löst sich eine geloopte Gitarre in ihrem eigenen Echo auf. Eindeutig lauschen wir einem Kollektiv, das seine Klänge organisch miteinander aushandelt. Ein Großteil von "Hold you up" scheint daher auch im Geiste der Improvisation gewachsen zu sein.

Zelienople erschaffen auf diesem Weg eine sehr kohärente und eindringliche Atmosphäre, die nicht so sehr auf feingeschliffenes Songwriting setzt, sondern vor allem von einer spezifischen klanglichen Idee lebt. Es nimmt sich faszinierend aus, wie stark das Gespür der Musiker für den Raum ist, in dem Geräusche entstehen. Nähe und Distanz bilden den thematischen roten Faden, der sich sogleich in die Frage übersetzt, wie wir mit den sich auflösenden Konturen einer Erinnerung umgehen. Langsam baut "Hold you up" eine emotionale Wucht auf, die den speziellen Sound des Albums eben nicht als abstrakte Klangspielerei ausweist und tiefer gräbt. Dabei können es kleine Melodiefetzen oder verwaschene Dissonanzen in der Basslinie sein, die eine unerwartet evokative Kraft annehmen und sich aus dem Strudel lösen. Ob der zunehmende Verfall der Songs auf ihren abklingenden Loops dabei als tragisch oder beruhigend wahrgenommen wird, gehört zu eben jenen produktiven Uneindeutigkeiten, die die poetische Handschrift Zelienoples auszeichnen.

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights

  • Safer
  • Breathe

Tracklist

  1. Safer
  2. Breathe
  3. Hold you up
  4. You have it
  5. Just an unkind time
  6. America

Gesamtspielzeit: 36:19 min.

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Armin

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2020-03-03 13:08:13 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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