Millionaire - Applz ≠ applz
Unday / Rough Trade
VÖ: 06.03.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Mit Grips
Nichts darf man mehr! Nachdem schon der Vergleich von Äpfeln und Birnen per Sprichwort untersagt wurde (Birnen sind im Übrigen besser, sofern die Konsistenz stimmt), ist es nun nicht mal mehr erlaubt, Äpfel untereinander zu vergleichen. Sagen zumindest die Belgier von Millionaire. "Applz ≠ applz" – lesbar als "Apples not apples" – heißt der vierte Longplayer, vergleichsweise fix veröffentlicht nach knapp drei Jahren Wartezeit, die seit dem großartigen "Sciencing" vergangen sind. Abermals bezeichnet Millionaire vielmehr ein erweitertes Soloprojekt von Gitarren-Virtuoso Tim Vanhamel, der die groovigen Songs mit allerlei Ideen aus der Flausenkiste anreichert. Die Stücke kommen zwar wieder etwas kompakter daher und "Applz ≠ applz" ist im Gesamten rund 20 Minuten kürzer als sein Vorgänger, das heißt aber nicht, dass irgendetwas hier den Weg des geringsten Widerstands wählt.
Ähnlich wie "Sciencing" startet die Platte mit freakigem Rock, driftet in der Mitte in düsteren Pop ab, um zum Ende hin die Riffs wiederzuentdecken. Der Auftakt ist dabei wie eine Startrampe zu verstehen, vom relativ straighten Opener "Cornucopia" bis zum abgedrehten "Whiplash". "Los romanticos" feiert im Marschrhythmus ausgelassen den Weltuntergang – "We've been living on this planet far too long / One step forward, let's move on." Und "Strange days" stimmt direkt mit ein: "And when the world ends / I will be watching from the front row seat." Und als ob es an die Vertonung ginge, lässt "Whiplash" ein feuriges Saxofon von der Leine, der Refrain suhlt sich in Dissonanz. "Faster!", spornt Vanhamel sogar an. "Identify! / Are you an apple or a tree?" Existentielle Fragen stellt "The watchman" gleich im Anschluss, immer flankiert von zwei "Jailhouse rock"-Gedächtnisakkorden. Spaßig!
"Would you like to see my garden?", fragt das Sample zu Beginn von "Selected garden works", einem dieser hübschen beatlastigen Tracks, die schon auf "Sciencing" so geil für Abwechslung sorgten. Das kurze "Applude" leitet in das leicht dubbige "Can't stop the noise" über, das mit einem einfachen, aber überraschenden Kniff plötzlich seinem Namen doch alle Ehre macht. "Dig a ditch" lässt verträumte Sechssaiter gegen Vanhamels Stimme in schrägen Höhen laufen und sorgt mit diesem inneren Gefälle für Spannung. Darauf folgt mit dem sanft und dennoch monströs wummernden Brocken "Blue mountains, white sky" ein echtes Highlight, das zum Verlorengehen geradezu einlädt – immer zwischen vernebelten Soundgebilden und dem markanten Riff schwankend.
Der Closer "There is a heart riot going on" denkt allerdings gar nicht daran, als Outro oder Rausschmeißer zu fungieren, sondern leitet den Hörer vielmehr tiefer in das Labyrinth aus diesigen Krauthecken hinein und bleibt als eindrucksvolles Fragezeichen im Raum. Für "Applz ≠ applz" steht das sinnbildlich, wie es zwar genug Futter für den oberflächlichen Spaß bietet, aber immer auch eine tiefere Ebene bereithält, die für Entdeckernaturen geschaffen ist. "Did you know there's a right way to eat an apple?", informiert die Platte direkt am Anfang. Dieser macht allerdings keinesfalls mehr Spaß als sich durch diese herrliche Platte zu beißen.
Highlights
- Whiplash
- The watchman
- Selected garden works
- Blue mountains, white sky
Tracklist
- Cornucopia
- Los romanticos
- Strange days
- Whiplash
- The watchman
- Selected garden works
- Applude
- Can't stop the noise
- Dig a ditch
- Blue mountains, white sky
- There is a heart riot going on
Gesamtspielzeit: 42:46 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33841 Registriert seit 07.06.2013 |
2020-12-31 17:33:38 Uhr
Habe Millionaire zu Paradisiac Zeiten auch mal live gesehen und das war superOh ja, ich auch. Hat gut geballert. Ich hab die Band auhc lustigerweise erst entdeckt, weil sie 2002 Vorband von QOTSA waren. Wohl mit das beste Support-Konzert meines Lebens. |
fuzzmyass Postings: 17672 Registriert seit 21.08.2019 |
2020-12-31 17:10:01 Uhr
Debut und Paradisiac finde ich schon noch besser, aber die hier gefällt mir auch gut... bin mir nicht sicher ob ich bei 7 oder 8/10 wäre, muss ich nochmal auflegen nach längerer Zeit... macht aber Spaß!Habe Millionaire zu Paradisiac Zeiten auch mal live gesehen und das war super... ach, Konzerte, Livemusik... :( |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33841 Registriert seit 07.06.2013 |
2020-12-31 16:31:35 Uhr
Hmm, nee. Dafür mochte ich damals "Paradisiac" zu sehr, auch wenn das ein extrem anstrengendes Ding ist. Und auch das Debut mag ich ein Mini-Bisschen mehr, hab ich allerdings ewig nicht gehört. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10260 Registriert seit 26.02.2016 |
2020-12-31 16:27:03 Uhr
Die Platte ist mir irgendwie durchgerutscht in der Liste, würde sich bei Platz 21-30 wiederfinden. Schon ein gutes Ding, aber ja, den Vorgänger mag ich auch ein klein wenig lieber. Beide aber mehr als die ersten beiden Platten. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33841 Registriert seit 07.06.2013 |
2020-12-31 16:18:05 Uhr
Jahresendbetrachtung:Kann mich leider nicht wie der tolle Vorgänger begeistern, irgendwas fehlt. Macht trotzdem größtenteils Spaß, nur mit "Los Romanticos" dierekt auf der 2 komm ich nicht klar. Dafür ist "Can't stop the noise" der kühlste Song des Jahres. 7/10 |
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Referenzen
Queens Of The Stone Age; Them Crooked Vultures; Sycamore Age; The Fever; Primal Scream; Mondo Generator; Soulwax; Waldorf; Fugazi; The Paper Chase; Ghinzu; Zornik; The Cooper Temple Clause; Wire; Ima Robot; Beep Beep; The Faint; Les Savy Fav; Enon; Brainiac; Girls Against Boys; Nation Of Ulysses; Death From Above 1979; Blues Explosion; Clinic; The Beta Band; Whirlwind Heat; dEUS; Eagles Of Death Metal; Atari Teenage Riot; Evil Superstars
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