Stephen Malkmus - Traditional techniques

Matador / Domino / Rough Trade
VÖ: 06.03.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Der kluge Idiot
"Dieser Idiot Malkmus ist ein echtes Songwriting-Genie." Mit diesem Kompliment durch die Hintertür umschrieb Gary Young, seines Zeichens Althippie und erster Pavement-Schlagzeuger, den Protagonisten dieses Albums. Der genießt mittlerweile längst Legendenstatus und spottet zugleich allen Stereotypen einer mumifizierten Lichtgestalt des Indie: Verspielt und profund, gerade indem er dem Leben seine allgegenwärtigen Clownerien abschaut, schreibt Malkmus seit fast drei Jahrzehnten einige der großartigsten und ambivalentesten Lieder abseits des Mainstreams. Zuletzt war er so aktiv wie lange nicht, "Traditional techniques" ist sein drittes Soloalbum in drei Jahren. Nach dem entspannten Fuzzrock von "Sparkle hard" und dem elektronisch geprägten, eher durchwachsenen "Groove denied", konzentriert sich Malkmus nun auf die akustischen Instrumente, die im Studio herumstanden.
Der Spaß daran, falsche Fährten zu legen, läutet "Traditional techniques" ein. Das psychedelische Wabern von "ACC Kirtan" rückt den Weltmusikeinfluss des Albums am stärksten in den noch etwas verschwommenen Fokus. Weitere Desorientierung: Die Single "Xian man" verwirrt zunächst einmal durch ihren Titel - anstelle der chinesischen Stadt ist das stilisierte X von "Christian" gemeint: Westen statt Osten also - um dann in einem schrägen Gitarrenduell mit Matt Sweeney Malkmus' erstaunlich westafrikanische Version des Bluesrock vorzustellen. Inklusive Bouzouki und solchen Wortspielen: "I'm Miles Davis better than any of you." Wer hat daran Zweifel? Doch nach diesem Parforceritt halten Malkmus und seine Kollegen zum akustischen Jam inne, lassen die Hörer näherkommen und das Album entfaltet seinen eigentlichen Charakter.
Das zarte Zusammenspiel der Gitarren, die schwerelosen Harmoniefolgen erinnern in der Folge an Paul McCartneys reduzierte Momente und halten die Songs in der Schwebe. Vertraut, entrückt, im Schaukelstuhl zurückgelehnt und doch innerlich aufgewühlt, gleiten Malkmus' Kompositionen vorbei, stets ein wenig komplexer, als es zunächst den Anschein hat. Im rätselhaft traurigen "Cash up" macht der Erzähler den Eindruck, seine Einsichten erst in dem Moment zu realisieren, in dem er sie ausspricht. "We're not foolish... adults anymore." Und in der Kunstpause liegt eine ganze Epiphanie. Langsam und geduldig materialisieren sich Malkmus' Lieder, werden immer wieder durch genannte Bouzouki und afghanische Flötenklänge verwischt, bis sie einen Resonanzkörper für den weisen Unsinn der Texte bilden. Wie man es von Malkmus gewohnt ist, intoniert er voller Lust an der Sprache und macht den assoziativen Spielraum der Wörter zum Rohrschachtest des Interpreten: "I long for the feeling when promises fade in the real: nobody wants to decolonize you."
Die Lieder wippen freundlich und nachdenklich; hinter den verschlungenen Gitarrenfiguren taucht plötzlich ein fuzziges Riff auf, um dann wie ein unwillkürlicher Erinnerungsfetzen wieder zu verschwinden. Aus diesem vordergründig sanften Wogen ragen nur wenige Momente heraus, doch mit Flaute hat das nichts zu tun. "Traditional techniques" verlangt Geduld und möchte zeigen, dass unaufgeregt und langweilig keine Synonyme sind. Dabei werden die Songs nicht auf einfache Formeln heruntergebrochen und dürfen mäandern. Das mag manchmal etwas ziellos erscheinen, wirkt aber auf subtile, unaufdringliche Weise inspiriert. Wenn Malkmus nach dem intimen Folk von "Amberjack" zum Ausklang in "Juliefuckingette" beschwingt von einer Shakespeare-Verballhornung zu Nikotinkaugummis springt, weil es der Reim eben zulässt, sagt uns das trotzdem viel. Albernheit muss nicht stupide sein. Und frei nach Sokrates: Schlau ist, wer den Idioten in sich sprechen lässt.
Highlights
- Xian man
- The greatest own in legal history
- Cash up
- Juliefuckingette
Tracklist
- ACC Kirtan
- Xian man
- The greatest own in legal history
- Cash up
- Shadowbanned
- What kind of person?
- Flowin' robes
- Brainwashed
- Signal western
- Amberjack
- Juliefuckingette
Gesamtspielzeit: 44:01 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34622 Registriert seit 07.06.2013 |
2025-04-22 20:03:01 Uhr
Kleiner Geheimfavorit dieses Album. Hat eine angenehme Ruhe und tolle Melodien. |
ZoranTosic Postings: 1237 Registriert seit 22.04.2020 |
2022-07-15 13:35:25 Uhr
Ist aber tatsächlich stark (also der Opener). Das ganze Album ist auch (wie fast alles von Malkmus abseits von Pavement) sträflich unterbewertet. |
AliBlaBla Postings: 7990 Registriert seit 28.06.2020 |
2022-07-15 12:29:37 Uhr
Wieso, -- is der guat, der Opener? |
Z4 Postings: 8861 Registriert seit 28.10.2021 |
2022-07-15 11:49:05 Uhr
Ich frag mich ja, wie Machina den Opener eigentlich findet. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34622 Registriert seit 07.06.2013 |
2022-07-15 11:21:04 Uhr
Dieser Opener ist so ein Traum... |
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Referenzen
Steven Malkmus & The Jicks; Pavement; Silver Jews; Kurt Vile; Loose Fur; Wilco; Sebadoh; Giant Sand; Built To Spill; Evan Dando; The Folk Implosion; Grandaddy; Yo La Tengo; Wooden Wand; Lee Ranaldo; Thurston Moore; Kim Gordon; Sonic Youth; Dinosaur Jr.; J Mascis; The Apples In Stereo; Superchunk; Jim O'Rourke; The Fall; Camper Van Beethoven; Mystery Jets; Low; Girls; Big Thief; Television; Pixies; Guided By Voices; Beck; John Fahey; Matt Sweeney; Bonnie Prince Billy; Bill Callahan; Mercury Rev; Dan Michaelson & The Coastguards; Quasi; Archers Of Loaf; Beulah; Spoon; Real Estate; Pete Doherty; Teenage Fanclub; R.E.M.; Nada Surf; Liz Phair; Eels; Deerhunter; Paul McCartney; The Beach Boys
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