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Anna Calvi - Hunted

Anna Calvi- Hunted

Domino / GoodToGo
VÖ: 06.03.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Nackt, ohne Blöße

Weglassen heißt Loslassen. Musikalischen Ballast abzuwerfen, ist kein leichtes Unterfangen. Wurde der Weg zum Bombast einmal beschritten, gestaltet sich die Rückkehr zum Wesentlichen oftmals schwierig. Gewohnheiten sind gefährliche Begleiter. Anna Calvi hat auf ihren ersten drei Alben exakt diesen Weg zurückgelegt. Immer opulenter wurden die Arrangements, immer komplexer die Konzepte. Der Qualität ihrer Musik schadete dies nicht, wenngleich ihr drittes Werk "Hunter" nicht mehr ganz die Intensität ihres fantastischen Debüts erreichen konnte. Ein Reboot erscheint daher nicht nur vernünftig, sondern fast schon notwendig. Und die Britin hat sich tatsächlich dazu entschieden, der Vielspurigkeit Lebewohl zu sagen. Auf "Hunted" spendiert sie dem Hörer sieben ruppige Neueinspielungen von "Hunter"-Songs. Diese sind von vorne bis hinten gelungen.

Das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Man könnte auch sagen, dass "Hunted" mit den Originalen größtenteils den Boden aufwischt. So rauh und unmittelbar hat man Anna Calvi lange nicht erleben dürfen. Erinnerungen an PJ Harveys legendäre "4-track demos" werden wach, wenn sie in "Indies or paradise" zu schrammeliger Begleitung das Studio zu Klump schreit. Kompromisse sind passé. Es ist ein Segen, dass die Musikerin endlich die Handbremse loslässt und sich gehen lässt. Auch das gemeinsam mit Julia Holter eingespielte "Swimming pool" erzeugt schon beim ersten Hören Gänsehaut. Dadurch, dass auf eine Begleitband verzichtet wurde, erhalten die Stimmen der Damen den Raum, den sie verdienen. Auf diese Weise kommt auch die wunderbare Melodieführung zur Geltung.

Nun besaß Calvi schon immer einen Hang zum Exaltierten, man erinnere sich an das seinerzeit ins Theatralische abgleitende "The devil". Auch auf "Hunted" zeigt sie keine Scheu vor der großen Geste. Allerdings entsteht durch die reduzierten Arrangements ein Gefühl der Nahbarkeit. Nachzuhören in "Hunter", einer fast schon zärtlichen Neuinterpretation des Titelsongs des Ursprungswerks. Auch das durchaus kontroverse "Don't beat the boy out of the girl" erhält in der Minimalfassung endlich die nötige musikalische Prägnanz. Courtney Barnetts tiefe Stimme ergänzt Calvis Gesang hervorragend. Überhaupt beweist die Dame des Hauses ein äußerst glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Gäste. So fragt man sich beim Genuss von "Eden", wie dieser Song bisher ohne Charlotte Gainsbourg auskommen konnte.

So richtig kaputt wird es nur einmal: Das, was Calvi und Idles aus "Wish" machen, erinnert an einen Lagerfeuersong, der nach einem Atomkrieg aufgenommen wurde. Stimmen kommen und gehen, schräge Töne schleichen sich zwischen die Akkorde. Im Moment der größten Anspannung kippt der Song urplötzlich ins Nichts. Seelenheil ist eine bürgerliche Kategorie. Wer sich hier verloren fühlt, kann sich mit "Away" leicht therapieren. Es knackst und knistert erheblich, die Akustikgitarre klingt, als wäre das Mikro einen halben Meter entfernt aufgestellt worden. Und Calvi lässt sich sehr viel Zeit, ehe sie aus einem Flüstern ein Raunen macht. Der letzte Refrain ist dann so etwas wie ein Versöhnungsangebot an all jene, die die Wärme auf ihrem letzten Album vermissten. Womit "Hunted" ein Kunststück gelingt, das nur selten vollbracht wird: Es ist eine der wenigen Neueinspielungen, die das Original in den Schatten stellen.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Swimming pool (feat. Julia Holter)
  • Away
  • Indies or paradise

Tracklist

  1. Swimming pool (feat. Julia Holter)
  2. Hunter
  3. Eden (feat. Charlotte Gainsbourg)
  4. Away
  5. Don't beat the girl out of my boy (feat. Courtney Barnett)
  6. Wish (feat. Idles)
  7. Indies or paradise

Gesamtspielzeit: 30:02 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Peacetrail

Postings: 3890

Registriert seit 21.07.2019

2020-03-27 23:07:13 Uhr
Gerade Live-Mitschnitt auf arte. Hab bisher noch nix von ihr gehört, aber da bleib ich mal bei.

kingbritt

Postings: 5161

Registriert seit 31.08.2016

2020-02-27 14:31:40 Uhr

yub, passend gemacht! Letzten Track um 3sekunden hinausgeblendet.

Frau Calvi ist eh ne ziemlich Kleine. Und dann die große Gitarre . . .

Herr

Postings: 2170

Registriert seit 17.08.2013

2020-02-27 14:06:13 Uhr
Danke; ja, ganz interessant. War mir nicht geläufig.

Dann hat die Frau Calvi die Messlatte um 2 sek. gerissen und PT hat formal korrekt rezensiert.

kingbritt

Postings: 5161

Registriert seit 31.08.2016

2020-02-27 13:09:13 Uhr

bei Vinyl . . . LP's 33u/min, EP'S bei 45u/min. Spieldauer egal.

. . . nicht meine Art, aber wissenswert:

Die „Maxi-Single“ ist die kleinste Form und setzt sich aus einem bis drei Songs zusammen.
EP steht für „Extended Play“. Eine EP setzt sich aus vier bis neun Songs zusammen. Dabei haben EPs üblicherweise eine Spielzeit von weniger als 30 Minuten. EPs werden oft auch als „Mini“-Album bezeichnet.
Eine LP, auch bekannt unter der Bezeichnung „Album“, hat mindestens fünf Songs und sollte eine Gesamtspielzeit von mindestens 30 Minuten aufweisen.

Herr

Postings: 2170

Registriert seit 17.08.2013

2020-02-27 12:32:09 Uhr
Die Definition zur Unterscheidung von EP und LP mag fließend sein und das Kriterium der Spieldauer eher zweitrangig. Sonst hätten die Ramones ja nur EPs gemacht.
Zum kompletten Thread

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