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Black Lips - Sing in a world that's falling apart

Black Lips- Sing in a world that's falling apart

Fire / Cargo
VÖ: 24.01.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Western burps

Ohne großes Tamtam, direkt Butter bei die Fische: Black Lips haben ein Country-Album gemacht. Das muss man erst einmal schlucken. Aufmerksame Beobachter der Band könnten allerdings vorher schon geahnt haben, dass sie sich in einer Art Sinnkrise befindet. In den Nullerjahren kultivierten Black Lips die andere Seite des Garagenrock-Revivals, stellten mit Freakshow-Attitüde und ekelerregenden Live-Shows die Antithese zu durchgestylten Acts wie den Strokes dar. Das Älterwerden gestaltete sich holpriger, Alben wie "Satan's graffiti or God's art?" oder "Underneath the rainbow" waren von etwas halbgaren Experimenten geprägt und seit 2017 sind die Frontmänner Cope Alexander und Jared Swilley die einzigen verbliebenen Gründungsmitglieder. Da passt der Titel ihrer neunten Platte "Sing in a world that's falling apart" wunderbar, weil sich die kollabierte Truppe aus Atlanta selbst wieder neu zusammensetzen muss. Dass sie das ausgerechnet im amerikanischsten aller Genres machen, erscheint obskur, aber mit einem besseren Adjektiv lassen sich Black Lips auch nicht beschreiben. Zweifel daran beseitigt schon der Opener: "Hooker Jon" galoppiert mit der gewohnten Rotz-Energie und kotzt groteske Textfragmente um Sex und LSD-Trips aus. Wie schafft es Alexander, Zeilen wie "You're like a wine-soaked varicose genitalia" noch zu toppen? Nun ja, er rülpst.

Wer mit diesem "Humor" nichts anfangen kann, sollte das Album aber nicht zu vorschnell verdammen. Das anschließende "Chainsaw" ist eine melancholische, sehnsuchtsvoll vorgetragene Country-Ballade, die im besten Sinne so klingt, als hätte sich das Quintett einen von Willie Nelsons Zöpfen durchgezogen. "Georgia" macht es als Ode an den Heimatstaat mit "I walk the line"-Gedächtnis-Gehoppel sogar noch besser und auch "Holding me, holding you" könnte vom Man In Black höchstselbst stammen. Zweifelsfrei interpretiert die Band die Schnittstelle zwischen Klamauk und Ernst immer noch als Rasierklinge: "Rumbler" erzählt mit Mundharmonika und großem Refrain von einem Western-Antihelden, nur um diesen als Spielzeug im Universum von G.I. Joe zu entlarven. Doch Black Lips kippen weder in Richtung Parodie, noch performen sie einfach nur ihren Garagenrock-Stiefel mit ein paar Lap Steels. "Sing in a world that's falling apart" präsentiert erstaunlich aufrichtige und hingebungsvolle Verbeugungen vor einem amerikanischen Kulturgut, gespielt mit viel Drive und einem tollen Händchen für Melodien. Von ein paar komischen Textzeilen und ein bisschen Gitarren-Fuzz im Hintergrund abgesehen, könnten viele dieser Songs schon jahrzehntealte Country-Klassiker sein.

Mit der neuen Reife und dem daraus gewachsenen Selbstbewusstsein traut sich der Fünfer sogar an das rare Velvet-Underground-Stück "Get it on time", das sie in ein Dylan-eskes Klagelied verwandeln. Einen an die E Street Band erinnernden Roadhouse-Stampfer wie "Angola rodeo", der spaßig, aber nicht peinlich daherkommt, muss man auch erstmal aus der Lederweste schütteln. Auf ihrem Songwriting-Höhepunkt zeigen sich Black Lips in "Gentleman", einer erhabenen Psychedelic-Americana-Großtat mit hymnischer Klimax und dem besten Auftritt von Saxofonistin Zumi Rosow. Im Einklang mit der Musik fällt es schwer, Alexanders Geschichte eines alten Querkopfs nicht auf die Band selbst zu beziehen: "This old middle finger has grown sick and tired of flipping the bird." Wenn das letzte Albumdrittel die Country-Anteile ein wenig reduziert, um mit Dampfmaschinen wie "Odelia" und "Dishonest men" früheren Zeiten zu frönen, ist die vertonte Midlife-Crisis perfekt. Doch Black Lips haben noch nie so mit sich im Reinen gewirkt, weil ihnen der Spagat zwischen würdevollem Altern und dem weirden Scheiß-auf-alles-Rebellentum von Früher gelingt. Dass sie die auseinanderfallende Welt sowieso nicht retten können, wissen sie selbst gut genug: "Live fast, die slow and painful / In a world that's falling apart."

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Rumbler
  • Holding me, holding you
  • Gentleman
  • Georgia

Tracklist

  1. Hooker Jon
  2. Chainsaw
  3. Rumbler
  4. Holding me, holding you
  5. Gentleman
  6. Get it on time
  7. Angola rodeo
  8. Georgia
  9. Odelia
  10. Dishonest men
  11. Locust
  12. Live fast die slow

Gesamtspielzeit: 40:27 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Deaf

Postings: 2653

Registriert seit 14.06.2013

2021-11-08 12:34:26 Uhr
Aufgrund eines Covid-Verdachtsfalls im Umfeld der Black-Lips-Tour und der damit verbundenen Quarantäne in Deutschland muss das Konzert von heute Abend leider abgesagt werden.

Wie geil, jetzt werden Konzerte schon am Konzerttag abgesagt. Das wird wieder eine schwierige Zeit für Band/Veranstalter, wenn ein Verdachtsfall ausreicht, um eine ganze Tour zu canceln...

Deaf

Postings: 2653

Registriert seit 14.06.2013

2021-11-03 14:31:23 Uhr
Immer noch ein tolles Album, das hier wohl aufgrund des Country-Anteils nicht grossen Anklang gefunden hat.

Heute im Badehaus Berlin zu hören, falls es Kurzentschlossene gibt. Ich seh sie dann hoffentlich nächste Woche.

diggo

Postings: 140

Registriert seit 02.09.2016

2020-02-18 08:36:06 Uhr
Ich finde die Platte grossartig. Macht Spass. Ihr bestes Album seit "Arabia Mountain".

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-02-17 20:57:44 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

fluppeaufex

Postings: 213

Registriert seit 29.10.2019

2020-01-21 18:26:34 Uhr
Album ist ein Banger! Waren die letzen beiden Releases doch sehr durchwachsen und weder Fisch noch Fleisch, so haben die Black Lips wieder geliefert. Der weirdo Garagesound ist dem Country gewichen. 13th Floor Elevator mit Steelguitar, oder so...

8/10
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