Ásgeir - Bury the moon

Embassy Of Music / Warner
VÖ: 07.02.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zwischen Holzhütte und Welt
Als der damals gerade 20-jährige Ásgeir Trausti 2012 sein Debütalbum veröffentlichte, schlug ihm ungeahnter Überschwang entgegen. Innerhalb kürzester Zeit hatten mehr als 30.000 Isländer "Dýrð í dauðaþögn" im Schrank stehen, eine Dimension, die in Deutschland acht Millionen verkauften Tonträgern gleichkäme. Selbst für Helene Fischer bislang unerreichbar – vielleicht, weil sie es nicht mit elektronisch angehauchtem Indie-Folk versucht. Noch heute läuft das Album in den Cafés und Geschäften Reykjavíks rauf und runter. Eineinhalb Jahre später legte Ásgeir die englische Version des Albums vor und reiht sich seitdem ein in die Liste musikalischer Exporte Islands, die angesichts seiner wenigen Bewohner immer wieder staunen lässt. Mit seinem dritten Album kehrt er zu diesem Prinzip zurück, die Texte seines Vaters überträgt erneut John Grant ins Englische und "Bury the moon" erscheint ebenso als "SÁtt" – für all jene, die den Charme und die klanglichen Feinheiten des Isländischen der Verständlichkeit vorziehen, auch die bessere Wahl.
Der Mythos von Henry David Thoreaus "Walden" lebt nach wie vor und scheint sich besonders in Momenten des Umbruchs und Verlusts in Holzhütten in Erinnerung zu rufen. Nach dem Ende einer längeren Beziehung trieb es nun auch Ásgeir in die Einsamkeit der Natur, begleitet von einer Gitarre und einem Keyboard. (Justin Vernon, anyone?) So klischeehaft diese Geschichte anmutet, so folkig und pastoral beginnt "Bury the moon": Bilder der erwachenden Natur und zugefrorener Seen, in deren Reflektion die Katharsis anfängt, werden gestützt von Ásgeirs akustischen Kompositionen. Peu Á peu treten in den Liedern andere Instrumente hinzu, die markante Stimme zwischen Thom Yorke und Bon Iver harmoniert vielschichtig mit sich selbst, Bläser aus der Ferne und leises, vertracktes Drumming erhöhen die Komplexität. Die folkige Idylle gerät recht bald in einen Konflikt, wenn in "Breathe" verzerrte Synthies drohen, Ásgeir aus seiner Ruhestätte aus filigranen Gitarren und dunkelschweren Klavierakkorden zu reißen. Doch der Sänger beschwichtigt: "Wherever I go, I find my way home."
Viele starke Momente des Albums bespielen die Spannung zwischen den friedlichen Fundamenten der Songs und einer abgründigen Atmosphäre, gegen die sie sich zur Wehr setzen müssen. "Rattled snow" beginnt im Grunde als Klavierballade und überschreitet mit dramatischen Streichern und einem immer wieder durchkreuzenden Technobeat die Grenze, hinter der Einsamkeit zur Isolation wird. "Turn gold to sand" hingegen wirkt mit seinem souligen Lick und klarem Beat wie ein Slow Jam am Puls der Zeit, bevor sich im Refrain langsam eine wunderschöne und verschlungene Gesangsmelodie entfaltet. Als hätte Harry Styles sich in der isländischen Provinz entschleunigt. Und auch der abschließende Titeltrack entfernt sich weit vom anfänglich tonangebenden Folk, wenn der treibende, sich in Synkopen überschlagende Rhythmus Á la Four Tet unruhig den Hintergrund durchflimmert, während ein minimalistisches Klavier, flirrende Gitarren und einmal mehr die Bläser dem Song weitere Textur geben. Die stets mitschwingende Traurigkeit wirkt nun abgeklärter und führt zu einem neuen Aufbruch: "Went to alien lands overflowing with dust."
In diesen abenteuerlustigen Liedern kommt Ásgeirs ganzes Songwriting-Talent zur Geltung: Es gelingt ihm, verschiedene Strömungen zu kontrollieren und subtil eine Tiefe zu entwickeln, die das etwas abgeschmackte Narrativ des Albums übersteigt. So präsentieren sich die konventionelleren Songs als Sprungbrett, von dem aus Ásgeir sich richtungsweisend profiliert. Diesen Prozess macht "Bury the moon" mit großer Raffinesse hörbar und erweist sich somit im Endeffekt als weit mehr als ein weiteres Dokument aus dem einsamen Leben in der Holzhütte. Es ist der kleine, aber ungemein wichtige nächste Schritt auf dem Weg, einer künstlerischen Vision Ausdruck zu verleihen: Die monumentale Kargheit Islands grundiert sie auch weiterhin, doch endet sie dort ebenso wenig wie Ásgeirs persönliche Reise.
Highlights
- Breathe
- Rattled Snow
- Turn gold to sand
- Bury the moon
Tracklist
- Pictures
- Youth
- Breathe
- Eventide
- Lazy giants
- Overlay
- Rattled snow
- Turn gold to sand
- Living water
- Until daybreak
- Bury the moon
Gesamtspielzeit: 42:09 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Ilu Postings: 308 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-02-09 19:23:47 Uhr
Großartig, dass Ásgeir das Album auch wieder auf Isländisch veröffentlicht hat. Das Debüt fand ich auf Isländisch um Welten besser, warum auch immer. Jetzt ist hier gerade der erste Durchlauf von Sátt und ich find's klasse! :-) |
vincent92 Postings: 137 Registriert seit 22.11.2016 |
2020-02-07 17:33:41 Uhr
Wieder ein Top Album von Asgeir. Abwechslungsreicher als Afterglow und elektronischer als In The Silence. Island at its best. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27979 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-02-03 20:38:12 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Bon Iver; José González; Radical Face; Ben Howard; Jeff Buckley; Justin Vernon; JFDR; John Grant; Of Monsters And Men; Get Well Soon; Kings Of Convenience; Teitur; Brian Eno; Nick Drake; Four Tet; Simon & Garfunkel; Harry Styles; Radiohead; Newton Faulkner; Junip; Patrick Wolf; Múm; Sigur Rós; Perfume Genius; Simple Kid; Empire Of The Sun; Jack Beauregard; Jens Lekman; Maximilian Hecker; The Tallest Man On Earth; Patrick Watson; MGMT; Peter Broderick; Fionn Regan; Syd Matters; Hercules And Love Affair; The Postal Service; Underworld; Mount Kimbie; Thom Yorke; Atoms For Peace; Coldplay
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