Holy Fuck - Deleter

Holy EF / Indigo
VÖ: 17.01.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Keine Schaumparty
Wir hatten es geahnt: Brian Borcherdt war auch mal jung. Wie wäre der Mann sonst darauf gekommen, Alvin And The Chipmunks, den mutmaßlichen Helden seiner Kindheit, das Horror-Vaporwave-Projekt Chipmunks On 16 Speed zu widmen? Aber keine Sorge: Als Heranwachsender Anfang der Neunziger trieb sich der Kanadier genauso in massentauglich beschallten Zappelbuden herum wie die meisten seiner Altersgenossen auch – wiewohl man auf den Platten seiner Band nicht allzu viel davon hörte. Dass auch Borcherdt seinen musikalischen Knalloballo-Wurzeln jedoch bestenfalls bedingt entfliehen kann, zeigte 2017 Holy Fucks "Bird brains"-EP, die sich mitten auf eine von ausgiebiger DFA-Records-Beschallung verbeulte Tanzfläche pflanzte. Reinster Pop? Wo denken Sie hin – den gibt es erst auf dem fünften Album des Quartetts aus Toronto. Na gut, das stimmt nicht so ganz. Aber wenn am Anfang von "Deleter" direkt ein Feature von Hot-Chip-Sänger Alexis Taylor steht, wird man ja wohl mal laut denken dürfen.
Darf Taylor im Opener "Luxe" schließlich auch: "I want to scrap all of this / And start over again", säuselt der bebrillte Bunthemdenträger voller Aufbruchsstimmung, während sich eine Sequenz aufrichtet und die pulsierende Elektronik wenigstens für Holy-Fuck-Verhältnisse eine euphorische Schlagseite erhält. Noch bunter – sowohl im halluzinogenen Sinne als auch in Bezug auf frenetisch überschwappende Keyboards – treibt es höchstens "Free gloss", mit dem sich Nicholas Allbrook am Mikro locker genauso viele Psilocybin-Pilze verdient wie beim Tame-Impala-Ableger Pond. Und auch Angus Andrew von Liars hat als geistesverwandter Gast auf "Deleters" im Quasi-Titelstück viel zu japsen und zu skandieren, während die explosiven Synthie-Parts für Dynamik sorgen und der funky shit freidreht. Und fast fällt es zwischen den an die 2010er-Single "Latin America" erinnernden Flächen und scharfem Geknarze gar nicht auf, dass Borcherdt und Kollegen bei "Endless" auch eigene Vocals in die ersten vier Tracks schmuggeln.
Doch damit ist die Sache noch lange nicht über den Berg: Auch ohne in den Vordergrund gemischten oder zumindest prominent ausproduzierten Gesang rütteln Holy Fuck erneut so kräftig an sämtlichen Dance-Grundfesten, dass rabiater Disco-Punk, mehrere Jahrzehnte Krautrock und entstellter Techno übereinander herfallen und auch die zweite Albumhälfte zum Muskelprotz hochjazzen. Das komplex verflochtene "Moment" lässt sogar Platz für die einzige zweifelsfrei erkennbare Gitarre, die ausgesucht kantige Riffs ins Getümmel streut, ehe das motorische Rattern von "Near mint" die Hypno-Zentrifuge anwirft und Bassist Matt McQuaid "No error" zu einem rohen Groove-Karton nach !!!-Manier aufbrezelt. Da tut es wenig zur Sache, dass Holy Fuck die heißgelaufene Kiste voller Polyrhythmen und schmorender Schaltkreise gegen Ende merklich runterfahren und Reste von Indie-Rock mit dem Feuerlöscher aufweichen – auf den Schaumpartys der Neunziger hätte "Deleter" trotzdem keinerlei Prognose gehabt. Nur ein Vorteil dieses Albums.
Highlights
- Luxe (feat. Alexis Taylor)
- Deleters (feat. Angus Andrew)
- Moment
Tracklist
- Luxe (feat. Alexis Taylor)
- Deleters (feat. Angus Andrew)
- Endless
- Free gloss (feat. Nicholas Allbrook)
- Moment
- Near mint
- No error
- San Sebastian
- Ruby
Gesamtspielzeit: 41:18 min.
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34616 Registriert seit 07.06.2013 |
2020-01-29 13:50:30 Uhr
Debut und besonders "LP" fand ich ja sehr geil. Danach etwas aus den Augen verloren. Werd ich mal reinhören, in die neue. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28498 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-01-27 20:45:00 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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