Ben Watt - Storm damage
Caroline / Universal
VÖ: 31.01.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Raffiniert einfach entspannen
Aus einer erfolgreichen Musikkarriere im Duo sich auch solistisch seine Meriten zu verdienen, ist nicht immer ganz einfach. Sicher, zusammen mit seiner Ehefrau Tracey Thorn als Everything But The Girl wurde Ben Watt gerne auf das wunderschöne "Missing" reduziert, doch dass sich dahinter ganze neun Alben und eine über 20-jährige Bandgeschichte verbergen, ist ein wenig in Vergessenheit geraten. Watt hat sich bereits während der Arbeit im Duett solistisch verdingt, doch erst mit dem hübschen "Hendra" aus dem Jahr 2014 und dem zwei Jahre später folgenden "Fever dream" hat sich der auch immer als Produzent und DJ arbeitende Musiker so richtig auf die Poplandkarte platziert. Sein viertes Album "Storm damage" schließt den als Trilogie konzipierten Albumzyklus ab und lässt wie auf den Vorgängerwerken Pop und Folk in fast schon aufreizend altmodischer Weise miteinander kommunizieren.
Raffinierte Melodien, süffig instrumentiert und erzählerisch vorgetragen, beherrschen das Bild auf "Storm damage". Ben Watt suchte nach persönlichen Schwierigkeiten, dem Tod seines Halbbruders und den sonderbaren politischen Verhältnissen in Großbritannien, nach einem Ventil und sehnte sich vor allem nach Ruhe und Entspannung. Gemächlich, aber nicht langatmig lässt er dazu Song um Song anschwellen, verharren oder sanft pulsieren und setzt an neuralgischen Stellen kleine elektronische Impulse. Einfache Wahrheiten lässt er über Klavier- und Gitarrenakkorden wie im kurzen "Sunlight follows the night" zu kostbaren Weisheiten werden. Warme Worte hier, komplexere Betrachtungen da. Das folgende "Hand" gehört zur ersten Kategorie und ist die schlicht-schöne Klavierballade, die auch dem ähnlich gearteten Neil Hannon von The Divine Comedy gut zu Gesicht gestanden hatte.
Watt lässt sich in der Regel Zeit, um den Songs einen passenden Rahmen zu verleihen. Das abschließende "Festival song" etwa beginnt erst nach gut einer Minute einen Open Air-Konzertabend am Strand zu beschreiben, 15.000 Menschen halten ihre Handys hoch und erleuchten die Szenerie, der Musiker am Piano, ganz bei sich selbst und trotzdem im Bad der Menge. Nach weiteren drei Minuten ist der Zauber vorbei, dann nur noch instrumentales Wabern, Wellenbewegungen, Stille. Dabei beginnt das Album quasi ohne Einleitung, Watt singt zu in "Balanced on a wire" davon, wie es ist, sich selbst im Wege und doch für andere da sein. Guy Garvey könnte Pate gestanden haben, doch der Song steigert sich, die Erwartungshaltung an etwas Lautes, Forderndes wächst. Nicht so Watt. Der schwelgt lieber und bringt im folgenden "Summer ghosts" Erinnerungen an den letzten Sommer und Vergleiche mit Prefab Sprout zu Gehör. Man hört dem Musiker fühlbar dabei zu, wie er sich von seinen Problemen der Vergangenheit löst und alles in Einklang zu bringen versucht.
Ganz selten ertappt man sich dabei, eine neue Ausrichtung, einen vehementeren Ausbruch zu fordern. Doch dann kommt "Irene" für das sich Watt noch ein bisschen mehr Zeit nimmt. Gute sechseinhalb Minuten feinste musikalische Simplizität und die Erinnerung an eine Frau, vielleicht eine Traumfigur, die im Lieblingsclub doch so fabelhaft gesungen hat und nun auf einmal unerreichbar scheint. Wie die Discokugelpünktchen flirren Synthitupfer und fangen die Gedankenwelt des Träumers ein. Sie bleiben bis der letzte Funken Sehnsucht im Nachthimmel verschwunden ist und sich das letzte Quäntchen Anspannung gelegt hat.
Highlights
- Summer ghosts
- Irene
- Festival song
Tracklist
- Balanced on a wire
- Summer ghosts
- Retreat to find
- Figures in the landscape
- Knife in the drawer
- Irene
- Sunlight follows the night
- Hand
- You've changed, I've changed
- Festival song
Gesamtspielzeit: 44:29 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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dreckskerl Postings: 10420 Registriert seit 09.12.2014 |
2020-02-09 02:09:37 Uhr
Ja, der Mann hat es echt drauf...ich mag musikalisch die beiden Vorgänger mehr. |
Sick Postings: 289 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-02-09 00:32:37 Uhr
Ganz toll. Große Songwriterkunst. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27366 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-01-19 20:47:12 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Everything But The Girl; Tracey Thorn; The Lilac Times; Perry Blake; Saint Etienne; Prefab Sprout; The Bluebells; John Southworth; Ron Sexsmith; The House Of Love; The Go-Betweens; Bryan Ferry; The Divine Comedy; Lloyd Cole; The Blue Nile; Ian McCulloch; Echo & The Bunnymen; Aztec Camera; OMD; The Beautiful South; Elbow; Guy Garvey; The Clientele; Morrissey; The Magnetic Fields; Edwyn Collins; Ed Harcourt; Simple Minds; The Lightning Seeds; Mark Eitzel; Lamb; David Sylvain; Archive; Tom McRae; Soulsavers; Paul Buchanan
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- Ben Watt - Storm damage (3 Beiträge / Letzter am 09.02.2020 - 02:09 Uhr)