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Wire - Mind hive

Wire- Mind hive

Pink Flag / Cargo
VÖ: 24.01.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Wir gewinnt

Wussten Sie schon beziehungsweise wissen Sie noch? Wire waren nicht nur auf dem wunderbar schroffen Rumpel-Album "Red barked tree" zwischenzeitlich zu dritt, bevor der vergleichsweise jugendliche It-Hugs-Back-Gitarrist Matthew Simms das Urmitglied Bruce Gilbert ersetzte. Auch als die Post-Punk-Mitbegründer Anfang der Neunziger immer mehr in Richtung elektronische Klangerzeugung rutschten und Schlagzeuger Robert Grey wegen gefühlter Beschäftigungslosigkeit ausstieg, machten Wire kurzfristig als Trio weiter und benannten sich angesichts des fehlenden Musikers sogar vorübergehend in Wir um. Inzwischen sind die Briten längst wieder zu viert, doch das Wir gewinnt immer noch – und zwar in Form der vielbeschworenen Schwarmintelligenz in Zeiten allgegenwärtiger Vernetzung, die der Titel des 17. Wire-Longplayers aufgreift.

Nicht, dass Colin Newman und Kollegen Zeit ihres vielfältigen Schaffens von zornigem Art-Punk über diesigen Wave-Pop und verhuschtes Synthie-Gemurmel bis hin zum rauen Indie-Rock von "Wire" oder "Silver / Lead" je den Rückenwind einer Strömung nötig gehabt hätten, um zu wissen, was sie zu tun oder zu lassen haben: Nein, ein lapidares "Be like them" stand nie auf der Agenda der mit Ausnahme von Simms inzwischen weit über 60-Jährigen, wie es der Opener von "Mind hive" scheinbar glauben machen will. Zu störrisch schaukeln sich tonlose, entfernt orientalische Leads und donnernde Gitarrenschläge zum schmatzigen Groove gegenseitig hoch, als dass diese kantige Versuchsanordnung von einem Track der Zackigkeit eines "Three girl rhumba" in irgendetwas nachstehen würde. Exquisit – und ein wahrhaftiges Brett vom Flipchart mit den ganz klotzigen Entwürfen.

Die nächsten lassen nicht lange auf sich warten: Besonders "Primed and ready" unterziehen Wire einer Schmirgelpapier-Massage aus Bass-Gewummer, wogenden Keyboards und blechernen Drums, während sich die Single "Cactused" immerhin als gefälliger Ohrwurm mit ausfransendem Saitengezwirbel tarnt, ehe auch dieses Stück subtil seine Stacheln ausfährt. Pop-Aufatmen macht sich erst zum hymnischen Riffing von "Off the beach" breit – doch selbst diesen beschwingten Shuffle holt spätestens dann die auf "Mind hive" stets spürbare Düsternis ein, wenn Newman von "People lying, homeless, dying" erzählt und vor dem geistigen Auge das Bild des ertrunkenen Flüchtlingsjungen an der türkischen Küste auftaucht. Und so hält auch der geschmeidigste der neun Songs mit seinen unheilvollen Assoziationen nicht allzu lange hinterm Berg.

Und obwohl Wire ab der beinahe gewichtslosen Folk-Symphonie "Unrepentant" deutlich weniger die musikalischen Muskeln spielen lassen, geht es in der Folge immer tiefer in die Abgründe menschlicher Verworfenheit. Da verblasst in "Oklahoma" selbst die schwarze Romantik der von Bassist Graham Lewis heiser geraunten Zeilen über sexy Leichenwagen, wenn "Shadows" mit den Worten "The men are lined up, then shot into graves / The children are murdered, the women enslaved" unverhohlen die Schrecken des Krieges verhandelt. Und ist die achtminütige Industriebrache "Hung" in Zeitlupe runtergerockt, wartet zum Schluss doch ein Hauch harmonische Erlösung: "I can't quite remember how it went wrong / Someone was humming a popular song." Vielleicht keinen von "Mind hive" – so ziemlich alles richtig gemacht haben Wire mit diesem Album trotzdem.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Be like them
  • Cactused
  • Off the beach

Tracklist

  1. Be like them
  2. Cactused
  3. Primed and ready
  4. Off the beach
  5. Unrepentant
  6. Shadows
  7. Oklahoma
  8. Hung
  9. Humming

Gesamtspielzeit: 34:53 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Herr

Postings: 2204

Registriert seit 17.08.2013

2020-01-26 18:09:11 Uhr
Der geschätzte Rezensent beschreibt das Werk von Wire in treffender Differenziertheit.
Letztere tut sich im audiophilen Genuss weit weniger ausgeprägt auf. Dennoch mit solider Produktion und spannendem Songwriting ein Höhepunkt im Wire‘schen Oeuvre, wenn auch innerhalb einer Hügellandschaft.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26285

Registriert seit 08.01.2012

2020-01-12 22:54:04 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Herr

Postings: 2204

Registriert seit 17.08.2013

2019-11-13 14:29:44 Uhr
Die Kunst der Verfassung von Pressetexten!
Wahnsinn!

Aber „Cactused“ klingt in der Tat famos!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26285

Registriert seit 08.01.2012

2019-11-13 11:42:00 Uhr - Newsbeitrag
WIRE

Post-Punk-Ikonen veröffentlichen neues Album im neuen Jahr!
„Mind Hive“ erscheint am 24. Januar via pinkflag!
Schaut euch das neue Video zu „Cactused“ an!



WIRE sind wohl unumstritten die ultimative Post-Punk-Band. Seit ihrer Gründung haben sie sich den Ruf erworben, Musik zu kreieren, die das Rock-Format dehnt und gleichzeitig auf das Wesentliche reduziert. Mit ihrem Talent, Songs zu kreieren, die Experiment und Barrierefreiheit perfekt in Einklang bringen, wurden WIRE kürzlich vom Magazin Quietus als „eine der beständigsten britischen Bands aller Zeiten“ gefeiert. Doch WIRE zeigen wenig Neigung, lediglich auf vergangene Ruhmesgeschichten zurückzublicken, sondern konzentrieren sich weiterhin entschlossen auf die Produktion von Musik, die intelligent, vital und trotzig modern ist.

„Mind Hive“, das neue Album, welches am 24. Januar via pinkflag veröffentlicht wird, ist das erste neu aufgenommene Material der Gruppe seit „Silver/Lead“ aus dem Jahr 2017. Dieses Album erhielt begeisterte Kritiken („Some of the best tunes they've done“ - The Guardian) und generierte die besten Verkäufe ihrer Karriere. Doch auch wenn „Silver/Lead“ die Messlatte ziemlich hoch legt, scheint „Mind Hive“ kein Problem damit zu haben, noch darüber zu springen.

Den ersten Beleg dafür liefert die Band mit ihrem neuen Video zur ersten Single „Cactused“.

Der Backkatalog von WIRE ist natürlich reich an einflussreichen, epochalen Werken. Im vergangenen Jahr wurden die bahnbrechenden ersten drei Alben neu aufgelegt: „Pink Flag“, „Chairs Missing“ und „154“, welche unter den Top-Reissues des Jahres gewählt wurden. Und jetzt kommt „Mind Hive“ zu einer Zeit, in der WIRE von einer weiteren Generation von Bands als Einfluss genannt werden.

Sie sind auch Gegenstand einer Karriere übergreifenden Spielfilm-Dokumentation namens „People in a Film“, die Ende 2020 veröffentlicht werden soll. Wie eine Band, die seit so langer Zeit tätig ist, immer noch in der Lage ist, so spannende und wichtige Arbeiten zu leisten, ist schwer zu verstehen. Und doch sind wir hier: „Mind Hive“ ist der meisterhafteste 35 Minuten währende Post-Punk, den man nächstes Jahr hören wird.

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