Bombay Bicycle Club - Everything else has gone wrong

Caroline / Universal
VÖ: 17.01.2020
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Flaws again
Es ist eine Plattentests.de-interne Regel, Kritik an vorhergegangenen Bewertungen auf das Nötigste zu beschränken. Deshalb ein großes Sorry an den ehemaligen Kollegen Preußer, doch an dieser Stelle muss der Rüffel wirklich mal sein: Nur 6/10 für "I had the blues, but I shook them lose", eines der besten post-punkigen Indie-Debüts der Nullerjahre? Dass Bombay Bicycle Club erst mit "So long, see you tomorrow" die magische Grenze zur 7/10 überschritten, kam viel zu spät, auch wenn sich jene Platte als bessere Vertreterin des neuen Band-Sounds die Punkte natürlich trotzdem verdiente. Im Vergleich dazu wirkt "Everything else has gone wrong" leider wieder wie ein Rückschritt. Die Londoner bemühen sich zwar weiterhin, Melancholie mit verspieltem, weltoffenen Indie-Pop in Einklang zu bringen, doch kommen sie damit hier ein wenig zahnlos und seicht daher. Vom Sturm und Drang der Anfangszeit samt seiner schäumenden Gitarren haben sie mittlerweile alle Spuren verwischt.
"Get up" steigert sich in ein großartig polterndes Finale hinein und hätte ein wirklich starkes Intro abgeben können, doch leider geht sein penetrantes Synthie-Riff nach wiederholten Durchgängen auf die Nerven. "Is it real" weiß in seiner zuckrigen Tanzbarkeit durchaus zu gefallen, doch wirkliche Charakterstärke können Bombay Bicycle Club bislang noch nicht entwickeln – dabei haben Bands wie Alt-J oder Everything Everything in den letzten Jahren gezeigt, dass man den modernen Indie-Pop auch eigenständig weiterdenken kann. Erst der tolle Titeltrack bringt die Kontur. "Aching for a word and the words are not coming", singt ein gehetzter Jack Steadman, die minimalistisch pulsierenden Instrumente bilden seine Schreibblockaden perfekt ab und eine Klimax findet zur Erlösung: "I guess I found my peace again / And yes, I found my second wind." Den Song zeichnet genau die Reife aus, die das Quartett auch beim ungestümen Debüt schon von seinen Artverwandten abhob.
Leider reduzieren Steadman und Kumpanen ihre sonst so gelungenen Genre-Spielereien hier auf ein Minimum. Es gibt keine Monstren mehr wie "Feel", das sich zwischen Balkan-Einflüssen, Streicher-Folk und Salsa bewegte, stattdessen setzen Bombay Bicycle Club subtilere Akzente. Im schlurfenden Rhythmus von "I can hardly speak" schimmert ein leicht orientalischer Einschlag, der sich in der Annäherung an R'n'B und Radio-Pop jedoch verliert. Auch "Good day" beginnt verheißungsvoll mit brummendem Bass und einer fantastischen Strophen-Melodie, kann seine Versprechen im eher uninspirierten Handclap-Refrain aber nicht einlösen. Nichts auf "Everything else has gone wrong" ist wirklich schlecht, doch die ersten sieben Songs zeigen sich noch arg durchwachsen und bleiben wenig hängen. Danach soll sich das aber schlagartig ändern.
"People people" ist ein lupenreiner Popsong, aber was für einer – sehnsuchtsvoll schmiegen sich die Stimmen von Steadman und Liz Lawrence aneinander und verzieren eine geschmackvoll komponierte Hook-Torte. "Do you feel loved?" verpackt eine bunte Palette vielseitig eingesetzter Synthies und Streicher-Imitate in eine bis in Chris Martins Villa reichende Umarmung, während das fast komplett elektronische "Let you go" einen beeindruckend intensiven Sog entwickelt. "Racing stripes" konzentriert schließlich den schwelgerischen Grundton der letzten Songs in einer zärtlichen und kunstvollen Ballade des Aufbruchs. Wäre das komplette Album so gut wie sein Schlussakt und Titelstück, könnte man von anderen Sphären sprechen, aber so sorgen sechs unrunde Songs dafür, dass Bombay Bicycle Club zu ihrer Standardwertung zurückkehren müssen. Da der Rezensent aber auch einstecken kann, macht er sich auf eventuelle Kollegen-Rüffel der nächsten Jahre schon gefasst.
Highlights
- Everything else has gone wrong
- People people (feat. Liz Lawrence)
- Do you feel loved?
- Racing stripes
Tracklist
- Get up
- Is it real
- Everything else has gone wrong
- I can hardly speak
- Good day
- Eat, sleep, wake (Nothing but you)
- I worry bout you
- People people (feat. Liz Lawrence)
- Do you feel loved?
- Let you go
- Racing stripes
Gesamtspielzeit: 41:40 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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jo Postings: 6775 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-01-17 15:14:06 Uhr
Verstehe die Kritik bisher gar nicht. Bin ziemlich begeistert. Habe mir nichts anderes vorgestellt als einige tolle Melodien im Sound des Bandkontexts - und das haben sie bisher locker übertroffen. |
Gordon Fraser Postings: 2766 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-01-17 14:09:11 Uhr
Man merkt der Band die lange Pause jedenfalls nicht an, ob das nun gut oder schlecht ist, ist 'ne andere Frage. Definitiv ein eher entspanntes Album, aber aktuell habe ich genau auf sowas Bock. |
Yndi_ Postings: 14 Registriert seit 23.09.2019 |
2020-01-17 13:22:13 Uhr
Es ist auf jeden Fall ziemlich ruhig geworden. Aber auch mit so wunderschönen Melodien, richtig schwelgerisch. Ich finde aber auch, dass der Vorgänger ihre beste Scheibe ist. |
Voyage 34 Postings: 958 Registriert seit 11.09.2018 |
2020-01-17 12:41:43 Uhr
Finde es nach 1 1/2 Durchgängen leider echt so lahm dass ich kaum Lust hab es mich mal zu versuchen... |
jo Postings: 6775 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-01-13 18:44:17 Uhr
Ui. Hätte ich jetzt nicht gedacht, da ich, wie gesagt, ein anderes Album der Band viel stärker einschätze. Schwach war der Vorgänger aber auch nicht. Mich haben nur Songs wie das im Review erwähnte "Feel" zum Beispiel nicht wirklich gekriegt. Dann schon eher das träumerische "Home by Now". |
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Referenzen
Two Door Cinema Club; Mystery Jets; Beat! Beat! Beat!; Coasts; The Maccabees; Metronomy; Django Django; Everything Everything; Alt-J; Jack Peñate; Phoenix; Hot Hot Heat; Klaxons; Friendly Fires; Bloc Party; Yeasayer; Hot Chip; Tokyo Police Club; Cajun Dance Party; Vampire Weekend; Little Comets; Foals; Jagwar Ma; Kaiser Chiefs; Maximo Park; Is Tropical; !!!; Ok Go; Dog Is Dead; The Temper Trap; Local Natives; MGMT; The Kooks; Arctic Monkeys; The Big Moon; Marika Hackman
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