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Dr. Drexler Project - Kapitalakkumulation

Dr. Drexler Project- Kapitalakkumulation

In Gute Hände / Elfenart
VÖ: 18.10.2019

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Ein Eisbär sein

Ein amerikanischer Nanotechnologe? Der im Ruhestand weilende Arzt aus der "Lindenstraße" unter leicht modifiziertem Namen und mit neuem Betätigungsfeld? Weder noch – wer also ist Dr. Drexler, der Mann mit weißer Gesichtsmaske und überschnappendem Organ? Immerhin in Bayerns heimlicher Pop-Hauptstadt Augsburg kennt man David Jahnke als Labelbetreiber und Musiker aller Indie-Schattierungen, zuletzt vom hübsch-hässlichen Disco-Jazz-Duo Fräulein Brecheisen. Sein Dr. Drexler Project geht nun mehr ans Eingemachte – mit zerkratztem Elektro- und Post-Punk zwischen Dada und gaga sowie mit Jahnke als durchdrehender Hofnarr der Großkonzerne in vorderster Front. Teil seines Projekts ist auch Bruno Tenschert, der seine Ex-Band Die Herren Polaris nach einem Plüsch-Eisbär benannt haben soll – was uns zu den frostigen Anfängen der Neuen Deutschen Welle und zur gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Vergletscherung der frühen Achtziger führt. Denn an genau dieser operieren Dr. Drexler Project herum.

Das verdeutlichen schon die rohen Ätzgitarren der Single "Beton muss her", die Palais Schaumburgs "Wir bauen eine neue Stadt" ins Hier und Jetzt verfrachtet. Also geradewegs Richtung Raubtier-Kapitalismus, Niedriglohnsektor und Hartz IV – Themen, die "Kapitalakkumulation" höhnisch mit analogen Knarz-Beats, vorsintflutlichen Synthies und schabenden Riffs aus dem Ascheimer verhandelt. Zwar könnten Titel wie "Infrastrukturprojekte" oder "Digitalisierung" kaum weiter von Punkrock entfernt sein, dahinter verbirgt sich jedoch stets unverhohlene Abscheu vor pervertiertem Leistungsprinzip und dem ungerührten "Das muss mehr werden!", das der Chief Executive Officer seinem Humankapital einmal im Jahr beim Townhall Meeting vor den Latz knallt. Da wirken Zeilen wie "Wir tanzen auf den Trümmern der Schwarzen Null", "Wir haben verstanden – aber niemals akzeptieren" oder "Wir sind alle nur ein Warenkorb" fast schon befreiend nihilistisch. Moral: lieber gemeinsam im Jobcenter sitzen als alleine bei Amazon bestellen.

Doch Schwarze Null oder nicht: Es ist Dr. Drexler Project hoch anzurechnen, dass man zu ihren spartanischen Drei-Minuten-Bömbchen tatsächlich tanzen kann. Besonders zu "Arbeitsgesellschaftskonservatismus", das einen urbanen Surf-Bass mit Keyboard-Geflöte kreuzt, während "Der verbale Bankrott" das Ende der Party auf den durchgeschmorten Verstärkern der frühen Stooges ausruft. Der Frontmann skandiert dazu beharrlich weiter – mit gutem Grund, wenn das prekäre Trash-Chanson "Barfuß am Klavier II" und der hämische Lounge-Blues "Heute habe ich richtig gute Laune" auch die Abgehängten gebührend bedenken. Alle, denen Sätze wie "Aus meiner Wohnung bin ich geflogen / Da ist der Plattformkapitalist Airbnb eingezogen" oder "Bei Lieferando bestellen / Mit Bitcoin bezahlen / Fünfter Stock Altbau ohne Aufzug / Kein Trinkgeld" etwas sagen, werden ihren Spaß haben mit diesem dunkelgrauen Gegrantel. Gelöst ist danach nichts – aber dafür alles Punk. Und auf einmal möchte man vor lauter sozialer Kälte ein Eisbär sein.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Beton muss her
  • Barfuß am Klavier II
  • Arbeitsgesellschaftskonservatismus
  • Der verbale Bankrott

Tracklist

  1. Beton muss her
  2. Barfuß am Klavier II
  3. Wir können es uns leisten
  4. Angst ist ein guter Rohstoff
  5. Arbeitsgesellschaftskonservatismus
  6. Schwarze Null
  7. Kapitalakkumulation
  8. Niemals akzeptieren
  9. Der verbale Bankrott
  10. Menschen und Maschinen
  11. Infrastrukturprojekte
  12. Heute habe ich richtig gute Laune
  13. Digitalisierung

Gesamtspielzeit: 35:47 min.

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Armin

Plattentests.de-Chef

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2019-12-01 14:48:06 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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