Westernhagen - Das Pfefferminz-Experiment (Woodstock-Recordings Vol.1)

Polydor / Universal
VÖ: 08.11.2019
Unsere Bewertung: 3/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Anders, aber unnötig
"Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz" war vielleicht das allererste Lieblingsalbum des Rezensenten. Als er begann, diese zehn Songs zu hören, die seine Mutter auf jeder der beiden Seiten einer schwarz-transparenten Kassette aufgenommen hatte, da waren sie bereits mindestens ein Jahrzehnt alt. Es muss witzig sein, wenn ein Dreijähriger "Oh, Margarethe", diesen Song über eine Prostituierte in misslicher Lage, oder "Johnny W.", diesen Alkoholiker-Abgesang, auswendig mitsingen kann. Oder tragisch, man weiß es nicht. So oder so war es für eine Zeit lang der größte Traum des kleinen Bremmerleins, einmal ein Konzert von Marius Müller-Westernhagen zu besuchen. Wegen fehlenden Geldes oder einfach, weil die Verwandten keinen Bock drauf hatten, kam es nie dazu. Aber die Songs hat der Schreiberling bis heute im Ohr, auch wenn sie kassettenmethaphorisch mittlerweile vielfach überspult wurden.
Westernhagen weiß natürlich, dass er 1978 ein Werk schuf, das heute als Kultalbum der deutschen Pop-Rock-Musik durchgeht. Deswegen hat sich der Düsseldorfer wohl nunmehr entschieden, seiner gut 40 Jahre alten Platte mit "Das Pfefferminz-Experiment (Woodstock-Recordings Vol.1)" ein neues Gewand zu verleihen. In eine Holzkirche in Woodstock, New York verzog sich der Sänger samt Musiker-Entourage rund um den Grammy-prämierten Multiinstrumentalisten und Produzenten Larry Campbell, um seine Songs laut Promo-Text in "Musik von heute" zu transformieren. Das hat natürlich nicht geklappt. Auch irgendwie zum Glück, sonst wäre es wahrscheinlich ein HipHop-Album geworden und das wäre naturgemäß schlimmer, als wenn Heino ein Rockalbum macht. Also hat Westernhagen aus "Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz" ein bluesiges Folk-Album gemacht. So kann man nun tatsächlich nicht behaupten, dass "Das Pfefferminz-Experiment (Woodstock-Recordings Vol.1)" nun eine Verjüngung – geschweige denn überhaupt eine Verbesserung – der Ursprungsversion darstellen würde. Es ist halt anders.
So hat "Mit 18" jetzt halt ein Banjo statt eine Mundharmonika im Gepäck und tanzt in der Scheune statt in der Großstadtdisko. "Zieh Dir bloß die Schuhe aus" ist eine deutliche Spur langsamer als das Original. "Willi Wucher" kommt mit Hammond-Orgel und Trompete statt mit Funk-Gitarre an. "Oh, Margarethe" ist jetzt ein klassischer Blues statt ein Rock'n'Roll-Song. "Alles in den Wind" wabert entlang einer traurigen Melodica statt sich an Saxofon-Klängen zu orientieren. In "Giselher" spielen sich klagende Country-Streicher in den Vordergrund, wo früher die Akustische schepperte. "Grüß mir die Genossen" fehlt hingegen seine stilprägende Elektrische. "Johnny W." unterscheidet sich als einziger Track kaum von seinem Vorbild, nur Westernhagens über die Jahre doch recht veränderte, also kratzigere, tiefere Stimme, macht in der neuen Version einen merklichen Unterschied. Das nunmehr fast einschläfernde "Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz" hätte sich sein beschissenes "Neger die sind dunkel / Im Dunkeln lässt sichs munkeln" ruhig sparen können, worüber sich auch schon anderswo echauffiert wurde. Und der Titel "Dicke" ist auch in seiner neuen, Tango-infizierten Zither-Version einfach kacke, weil: Warum überhaupt Übergewichtige dissen?
Westernhagens Rechtfertigung in einem TV-Interview, er habe ein klassisches Album nicht ändern wollen, taugt dabei kaum, wenn er es gleichzeitig instrumental komplett neu auflegt. Nicht nur wegen besagter Stellen ist es eine verpasste Chance, dass der Sänger die Texte allesamt unverändert ließ, denn es hätte interessant werden können, wie sich die Weltsicht des 30-jährigen gegenüber der des 71-jährigen Künstlers gewandelt hat. Der Blick des dreijährigen Rezensenten auf Westernhagens Musik unterscheidet sich jedenfalls deutlich von seinem heutigen. Mehr als Nostalgie springt dabei nicht raus. Und: Diese Neuauflage ist völlig unnötig.
Highlights
- -
Tracklist
- Mit 18
- Zieh Dir bloß die Schuhe aus
- Willi Wucher
- Oh, Margarethe
- Alles in den Wind
- Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz
- Dicke
- Giselher
- Grüß mir die Genossen
- Johnny W.
Gesamtspielzeit: 46:25 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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tumbleweed Postings: 322 Registriert seit 02.09.2019 |
2019-12-04 11:15:21 Uhr
@Felix: Na da kommste doch noch ganz gut weg ;DNochmal Glück gehabt ^^ |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10336 Registriert seit 26.02.2016 |
2019-12-04 10:10:49 Uhr
@tumbleweed:Ne, Köln wird der Hauptstandort sein. Halt in NRW sonst bisschen rumfahren. Und die Hälfte der Zeit bin ich weiter in Hamburg, wo es eh schöner ist. :-P |
tumbleweed Postings: 322 Registriert seit 02.09.2019 |
2019-12-04 09:58:46 Uhr
@Felix? Du musst nach Essen? Mein Beileid!Ich musste beruflich jeden Monat einige Tage dort verbringen. Grau, trostlos, heruntergekommen, dreckig! Hast du keine Möglichkeit aus der Nummer rauszukommen? |
dreckskerl Postings: 10990 Registriert seit 09.12.2014 |
2019-11-29 21:27:45 Uhr
Ich weiß, die Familie und Freunde waren fast ausschließlich Metalfans, da erfährt man beim ersten Date das Kreator aus Karnap und Altenessen kommen (ist ja nebenan quasi) Die Menge an Metal, den ich in dieser Zeit gehört habe hat meine Freude an dem Genre nicht verstärkt :-) Ich will hier nicht falsch verstanden werden und irgendjemandes Heimat bashen, hab die 2 Jahre ja auch aus anderen Gründen nicht gut in Erinnerung. Und es ist über 10 Jahre her und es ist dort inzwischen wieder "netter". |
Der Wanderjunge Fridolin Postings: 4682 Registriert seit 15.06.2013 |
2019-11-29 20:44:06 Uhr
Immerhin kommen Kreator aus Karnap sowie Altenessen ;)In diesem Zusammenhang ist diese Doku ganz spannend, selbst wenn man nix mit Metal am Hut hat: https://youtu.be/2lKL9_njNa8 Bietet einen unverfälschten und sonst kaum mehr gebotenen Einblick in das Leben im Ruhrgebiet Ende der 80er. Sicherlich ist auch die eine oder andere festgehaltene Szenerie interessant sofern man aus der Ecke stammt und die Umgebung heutzutage ganz anders ausschaut. |
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