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Lily Kershaw - Arcadia

Lily Kershaw- Arcadia

Nettwerk / Soulfood
VÖ: 15.11.2019

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Im Kakteenwunderwald

Über wogende Orgelklänge legt sich eine sonore Frauenstimme wie ein beruhigender Zauber. Ein zwei Minuten und dreißig Sekunden lang aufwallendes Gefühlschaos aus unerwiderter Liebe und ungestilltem Verlangen, umhüllt und getragen von Wohlklang. Dann endet "Unrequited night" abrupt mit einem gehauchten Seufzer. Kein Schlussakkord, stattdessen ein offenes Ende. Und der Beginn eines Albums, das mit altbekannten und überschaubaren Mitteln viel erreicht. Weil es sich seiner Stärken bewusst ist und sie richtig einzusetzen weiß. Auf "Arcadia" hüllt Lily Kershaw ihre Empfindungen in ein organisch-weiches Soundkleid. Das wirkt in seiner entwaffnenden Direktheit so entrückt wie berührend. Und passt damit sogar irgendwie doch zum seltsamen Cover-Artwork, wo die in L.A. geborene Singer-Songwriterin wie Rotkäppchen verloren inmitten eines extraterrestrisch anmutenden Meers aus Palmen und Sukkulenten steht. Ein Setting zwischen Retro-Science-Fiction und unheimeliger Märchen-Romantik, vertrauter Fremde und befremdlicher Vertrautheit. Nur auf die stacheligen Weltraumklänge wartet man beim Hören der elf Songs vergebens.

Entscheidend fürs Gelingen sind wie so oft die scheinbar kleinen Details, die richtigen Entscheidungen an den passenden Stellen. Ben Cooper, der sich vor allem mit seinen Projekten Radical Face und Electric President einen Namen machte und mit dem Kershaw erstmals zusammengearbeitet hat, dürfte daran keinen unbedeutenden Anteil gehabt haben. Seine Produktion lässt den Songs den nötigen Raum zur Entfaltung, Intensität wird vor allem durch die Variation von Kershaws mal impulsiver, dann wieder beinahe zart säuselnder Stimme erzeugt. Daneben sorgen aber auch das Songwriting und die Instrumentierung für die nötige Abwechslung. "Always & forever" orientiert sich an den Synthie-Klängen der 80er und erweist sich als ein eingängiger Popsong, der nach dem Opener direkt den nächsten Höhepunkt setzt. Das darauf folgende "The sea", ein Duett mit dem kanadischen Singer-Songwriter Jon Bryant, fasst die Komplexität und Widersprüchlichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen in einfache, aber treffende Worte. "Call it over / Or call it just a night / When we're older / We'll see it was all in our minds / The sea was all in our minds." Begleitet von einer einsam schrammelnden Akustikgitarre hätte auch ein Sam Beam diese einlullende Folknummer mit ihren mehrstimmigen Gesangharmonien kaum besser hinbekommen.

Und ähnlich zurückhaltend und sorgsam austariert geht es weiter. Gitarre, Klavier, Cembalo und Streicher legen bei nahezu allen Songs in unterschiedlichen Konstellationen das Grundgerüst und strahlen dabei eine sanfte Wärme aus, die auch noch die entlegensten Winkel zu erreichen vermag. Dem entgegen steht die von Melancholie und Wehmut durchdrungene Stimme, wie sie etwa in "Parallel lives" mustergültig in Erscheinung tritt. Dazu nur das Klicken eines Kassettendecks, ein treibendes Piano, ein hymnischer Chorus. Das ist einfach, aber auch einfach groß. Und wer von "Soft dark nothing" und der flehentlichen Beschwörung von Leben und Leiden nicht zumindest ein bisschen ergriffen ist, der ist vermutlich ein Kaktus. Da fällt es dann auch nicht allzu sehr ins Gewicht, dass das hohe Niveau zur Mitte hin etwas nachlässt und "New names" sowie "Here's to us" nicht vollends überzeugen können. Zumal sich mit "Now & then" kurz vor Ende ein Song versteckt hält, der noch einmal sämtliche Register zieht. "Remember the way I love you now / And the way that I loved you then". Im schmalen Spalt zwischen früher und heute ist so ziemlich alles enthalten, was "Arcadia" an Emotionen aufbietet. Hoffnung. Enttäuschung. Reue. Liebe. Der versöhnliche Rausschmeißer "One night after breakfast" versucht abschließend die Wogen zu glätten, aber das ist gar nicht nötig. Weil man sich eine Weile noch gern auf ihnen hinweg treiben lassen würde.

(Markus Huber)

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Highlights

  • Unrequited night
  • The sea (feat. Jon Bryant)
  • Parallel lives
  • Now & then

Tracklist

  1. Unrequited night
  2. Always & forever
  3. The sea (feat. Jon Bryant)
  4. Parallel lives
  5. Soft dark nothing
  6. Fears become wishes
  7. Myth of New York
  8. New names
  9. Here's to us
  10. Now & then
  11. One night after breakfast

Gesamtspielzeit: 35:05 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

musie

Postings: 3751

Registriert seit 14.06.2013

2019-12-12 10:12:01 Uhr
Klasse Album, gefällt mir richtig gut. Schön verträumt. Von mir gibt's eine 8/10.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-11-21 21:41:19 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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