Julien Chang - Jules
Transgressive / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 11.10.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Eine gemischte Tüte, bitte
Ein kurzer Blick auf die gelinde gesagt noch recht kurze Biografie von Julien Chang reicht aus und schon sind mindestens zwei Dinge von Anfang an sonnenklar. Erstens: Auf genau so einen Kerl fahren Popkultur-Kritiker in der Regel total ab. Ein blutjunger Typ mit schicker Frisur, Boyband-Lächeln und unschuldigem Welpenblick. Klassische Ausbildung an der Musikschule, während er sich in seiner Freizeit zum Multiinstrumentalisten mauserte. Ein Wissensdurst auf die gesamte Musikgeschichte der letzten schätzungsweise 50 Jahre, das Debütalbum mit Unterstützung zahlreicher anspruchsvoller und angesehener Blogs in den Startlöchern, noch bevor das neue Wunderkind die 20 Lenze erreicht hat. Bleibt nur zu hoffen, dass der 19-Jährige nicht das berühmt-berüchtigte Schicksal all jener erleidet, die zuerst hochgelobt und dann von ganz oben fallengelassen wurden. Und zweitens: So einer wurde doch in der großen Pause früher mutmaßlich mit Vorliebe vermöbelt. Alles Neidhammel und Nixblicker! Denn Chang hat es tatsächlich, dieses gewisse Etwas, das sich nicht benennen lässt – und dem man doch wahnsinnig gern zuhört.
"Jules", das erste Werk des jungen Mannes aus Baltimore, ist dann dementsprechend auch genau so, wie man sich die Gehversuche von einem vorstellt, der scheinbar alles kann und jeden Song eines jeden Künstlern kennt. Ein musikgewordener Teenager-Fiebertraum, mal zärtlich, mal stürmisch, mal unberührt, mal verführerisch. Und immer ein bisschen schwitzig: Chang will sich auf kein Genre wirklich festlegen und bedient sich stattdessen wie ein Kind im Süßwaren-Laden einfach an allem, das er greifen kann – hier ein wenig Folk, dort Jazz-Pop, ein bisschen Psychedelica, Ambient, Chillwave, das volle Programm und glücklicherweise doch keine kulinarische Vollkatastrophe. Und mutig obendrein! Einen Opener wie "Deep green", der sich zunächst mal gut zwei Minuten warmspielt, anschließend auf die pompöse Pauke haut und danach tatsächlich überhaupt erst loslegt, traut sich auch so manch alteingesessener Musiker nicht zu. Das Experiment ist geglückt, der erste Zuckerschock überstanden, der Zuhörer angefixt. Weiter geht's.
Da wäre etwa die verträumt-verpennte Herzschmerz-Nummer "Two voices", kaum kitschig, dafür herrlich weltfern, als stünde Chang nicht nur ob des Liebeskummers neben sich, sondern glatt im Nebenzimmer. Oder auch das zwischen Tame Impala und Unknown Mortal Orchestra tänzelnde "Moving parts", das sich durch seinen eigenen Vollrausch groovt und dabei immer mehr in Ekstase spielt. Oder die vertonte Herzrhythmus-Störung in Form von "Memory loss", die sich zwar selbst an nichts erinnern kann, dafür aber umso besser im Gedächtnis bleibt. So bewegt sich "Jules" stets zwischen Traum und Tanz, Realität und REM-Schlaf. Die erste Single "Of the past" zieht mit der ganzen Mannschaft einfach gleich im Club ein und nimmt sowohl den Dancefloor als auch die gemütliche Lounge-Ecke in Beschlag, die zweite Single "Butterflies from Monaco" sehnt sich voller Drama nach der großen Liebe, dem großen Moment, dem großen Ort zum Verweilen. Derweil fasst "A day or two" in wenigen Worten treffend zusammen, was Vorteil und Nachteil zugleich an der Adoleszenz ist: "I used to dream about her / Now I'm dreaming again." Hach, Jungsein kann so schön sein. Und so schrecklich. "Jules" hingegen ist nur eines davon – so klar wie Zahnweh nach zu viel Zucker, so sicher wie Herzklopfen bei der ersten Liebe.
Highlights
- Two voices
- Memory loss
- Butterflies from Monaco
Tracklist
- Deep green
- Of the past
- Two voices
- Moving parts
- Candy cane rainbow
- Dogologue
- Memory loss
- Somerville (Demo)
- Butterflies from Monaco
- A day or two
Gesamtspielzeit: 35:47 min.
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27507 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-11-21 21:37:36 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Jennifer Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 4714 Registriert seit 14.05.2013 |
2019-08-15 12:43:51 Uhr - Newsbeitrag
Erscheint am 11. Oktober über Transgressive. Dürfte ein paar Leuten hier gefallen.Der Kerl hat eine Klassik-Ausbildung, da klimpert das Piano hier und da also auch mal etwas länger, aber schnieke ist das allemal. Oder wie Stereogum treffend beschreibt: "We compared “Of The Past” to both Tame Impala and Blood Orange, whereas today’s extremely pretty “Butterflies From Monaco” starts out soft and folksy before an outburst of classic rock guitar takes it somewhere else entirely. It’s retro as all hell, with shades of Grizzly Bear and Fleet Foxes as well as foundational forebears like the Beach Boys and Beatles. Did I mention how pretty it is?" Tracklist: 01. Deep Green 02. Of The Past 03. Two Voices 04. Moving Parts 05. Candy Cane Rainbow 06. Dogolouge 07. Memory Loss 08. Somerville Demo 09. Butterflies From Monaco 10. A Day Or Two Am 01. November spielt er im Musik & Frieden in Berlin. |
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Referenzen
Unknown Mortal Orchestra; Tame Impala; Pond; Foxygen; Dusted; Pure X; The Flaming Lips; Ariel Pink's Haunted Graffiti; The Beatles; George Harrison; John Lennon; Paul McCartney; Ringo Starr; The Beach Boys; Brian Wilson; MGMT; Temples; Sleepy Sun; Bobby Conn; The Yardbirds; The Byrds; The Zombies; The Beta Band; Fleet Foxes; Comets On Fire; Dungen; Pink Mountaintops; Tobias Jesso Jr.; Cloud Control; Gauntlet Hair; Islands; The Unicorns; Portugal. The Man; Love; Cream; Todd Rundgren; The Apples In Stereo; Here We Go Magic; Scott McKenzie; Yo La Tengo; Lotus Plaza; Deerhunter; The Olivia Tremor Control; The Black Angels; The Electric Prunes; Amen Dunes; Black Dice; Colour Haze; Mark Ronson; The Avalanches; Toro Y Moi
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- Julien Chang - Jules (2 Beiträge / Letzter am 21.11.2019 - 21:37 Uhr)