Bonnie 'Prince' Billy - I made a place

Domino / Drag City / GoodToGo
VÖ: 15.11.2019
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Die Rückkehr des Prinzen
Keine drei Monate ist es her, dass der Rezensent vor seiner letzten Kritik zu Bonnie 'Prince' Billy saß. Jenes "When we are inhuman" war trotz gewagter Soundkulisse symptomatisch für Will Oldhams Werk der jüngeren Vergangenheit: Natürlich trat der notorische Vielveröffentlicher auch in diesem Jahrzehnt nicht auf die Bremse, doch gab es von ihm fast nur Kollaborationen und Interpretationen fremder sowie älterer eigener Stücke zu hören. "I made a place" ist nun das erste reguläre Billy-Album mit komplett neuen Songs seit "Wolfroy goes to town" aus 2011. Doch was heißt bei Oldham schon regulär? So bestand der kauzige Amerikaner darauf, dass die Tracklist seiner neuen Platte auf keinen Fall vorab veröffentlicht werden dürfte – vermutlich, um die Hörerschaft mit dem bislang unerklärten Fehlen der Singles "In a good faith" und "(At the) Back of the pit" zu überraschen. Dazu soll die Inspiration zu "I made a place" nicht nur von der Geburt seiner Tochter, sondern auch ausgerechnet von Hawaii, dem wohl am wenigsten zu Oldhams Americana-Entwürfen passenden US-Staat, gekommen sein. Bleibt das alles nur Vorab-Brimborium oder lassen sich auch substanzielle Auswirkungen auf die Musik ausmachen?
Wer nach dem Einfluss der Vaterschaft sucht, wird diesen zwar nicht in einer besonderen Intimität, allerdings im unerwartet lebensfrohen Optimismus finden. Die erste Albumhälfte enthält mit "New memory box", "The devil's throat" und "Squid eye" drei so jubilierende und aufbrausende Songs, wie man sie von Oldham schon länger nicht mehr gehört hat. Hier 'ne Fidel, da ein Banjo, Akkordeon oder Honky-Tonk-Piano und zwischendrin sogar ein Saxofon – "belanglose Country-Schunkler" könnten böse Zungen hier konstatieren, doch wer mit dem Genre kein grundsätzliches Problem hat, kann mit diesen üppig arrangierten Nummern viel Spaß haben. Dazwischen schwebt "Dream awhile" auf einer traumhaften Wolke aus Flöten und Joan Shelleys Begleitgesang, während "Look backward on your future, look forward to your past" die humorvolle Geschichte eines Mannes namens Richard und seiner Midlife-Crisis erzählt. Oldham teilt sein Album in zwei Akte mit verschiedenen Stimmungen und der erste überzeugt in seiner Wärme fast vollends. Einzig der Quasi-Titeltrack "I have made a place", den auch ein Instrumentalpart nicht vor der atmosphärischen Ödnis bewahren kann, trübt den Eindruck etwas.
Die zweite Hälfte gestaltet sich merklich reservierter und nachdenklicher, aber keineswegs trist. "This is far from over" trägt die Hoffnung nicht nur im Titel: Oldham sinniert über die Zukunft in einer postapokalyptischen Welt und lässt ein wunderschönes Flöten-Solo als Naturwunder erblühen. Bedauerlicherweise hält "I made a place" mit der überlangen Orgelei von "Nothing is busted" oder dem eher belanglosen "Mama mama" auch hier die Songqualität nicht ganz aufrecht und insgesamt fehlt auch die Tiefe der größten Meisterstücke des 49-Jährigen. Die Ausnahme bildet "The glow pt. 3" – nicht nur eine nette The-Microphones-Referenz, sondern auch das intensivste Stück der Platte, in dem Gitarre und Klarinette miteinander tanzen und Oldham die perfekte Balance zwischen Abgrund und Trost spendender Zuversicht findet: "You allowed me to love, became my best friend / I'm enthralled and want to begin / Break open my throat, let new flowers in." Unterm Strich bleibt "When we are inhuman" dennoch der spannendere Bonnie-'Prince'-Billy-Release im Jahr 2019, doch Grund zur Sorge ist das nicht. Der Barde ist nicht nur immer noch mit einer Stimme gesegnet, die sogar den Text dieser Rezension wohlklingend vertonen könnte, seine Rückkehr zum normalen Solo-Album beweist auch erneut sein konstantes Voranschreiten. This is really far from over.
Highlights
- New memory box
- Dream awhile
- This is far from over
- The glow pt. 3
Tracklist
- New memory box
- Dream awhile
- The devil's throat
- Look backward on your future, look forward to your past
- I have made a place
- Squid eyes
- You know the one
- This is far from over
- Nothing is busted
- Mama mama
- The glow pt. 3
- Thick air
- Building a fire
Gesamtspielzeit: 43:41 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28471 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-11-21 21:37:05 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Quirm Postings: 485 Registriert seit 14.06.2013 |
2019-11-18 18:52:47 Uhr
Lustig das die beide Songs nicht auf dem Album sind. Trotzdem schöne Platte geworden. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28471 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-10-08 20:59:05 Uhr - Newsbeitrag
BONNIE "PRINCE" BILLYVERÖFFENTLICHT NEUEN SONG 'IN GOOD FAITH' VIDEO HIER ANSEHEN NEUES ALBUM 'I MADE A PLACE' ERSCHEINT AM 15.11.2019 "In Good Faith" ist eine Redewendung der Offenheit, abstrakt, aber umfassend. Übersetzen kann man sie als "wir vertrauen dir", aber was bedeutet das heutzutage schon? Die zweite Single, die das erste Bonnie "Prince" Billy Album mit neuem Material seit 2011 einläutet, heißt nun genau so, "In Good Faith". Vertrauen wir doch wenigstens ihr. Joan Shelley singt hier immer wieder den Songtitel in sanftester Manier, Nathan Salsburg steuert fast lyrische Lead-Gitarrenlinien bei, und Bonnie hält beide Elemente mit seinem Gesang und Gitarre gleichermaßen zusammen. So schufen sie ein Lied der Akzeptanz und des Glaubens an etwas Größeres, Offenes. Das Video zum Song entstand unter der Regie von Timothy Morton, der zuvor schon mit Bonnie am Video zum Song Blueberry Jam zusammengearbeitet hat. Morton verdeutlicht die Intention des Songs, indem er Bilder aus dem Dokumentarfilm gegenüberstellt, den er derzeit über die lebendige Tradition des sogenannten Sacred Harp Singing dreht. Diese Acapella-Form des Chorgesangs hat ihre Wurzeln in der frühen US-amerikanischen Geschichte. Die Versammlungen der Sacred Harp Community sind für alle Interessierten offen und oft reisen Teilnehmer über weite Strecken an, um diesen besonderen Ereignissen beizuwohnen, unabhängig von ihrem Gesangskönnen. Ihr sogenanntes Shape Note Singing ist eine partizipative Form der Folk Music Kultur, die bis heute nicht kommerzialisiert wurde. Sie ist Teil der lebendingen Tradierung von Musik und Teil des Lebens ihrer Sängerinnen und Sänger. Sie ist - in good faith - der Glaube an etwas Größeres. Das Video zu In Good Faith kann hier ansehen werden. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28471 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-09-17 12:40:16 Uhr - Newsbeitrag
BONNIE „PRINCE“ BILLYKÜNDIGT NEUES ALBUM ‚I MADE A PLACE‘ FÜR DEN 15.11.2019 AN SEHT DAS VIDEO ZU (AT THE ) BACK OF THE PIT HIER Bonnie „Prince" Billy scheint rastlos - in den letzten fünf Jahren hat er Songs von Susanna Wallumrod, Mekons, Merle Haggard und sogar sich selbst gecovert und er hat Kollaborationen veröffentlicht. Z.B. mit Bryce Dessner oder den Bitchin Bajas. Das Einzige, was er seit langem nicht mehr gemacht hat, ist ein Album mit neuen Bonnie Songs. Das letzte hieß Wolfroy Goes To Town und erschien 2011. Verdammt, das war in der ersten Hälfte der Präsidentschaft von Barak Obama! Aber die Dinge passieren eben oft aus Gründen, die größer sind als wir selbst und außerhalb unserer Kontrolle liegen. Sie passieren plötzlich oder langsam - aber sie passieren irgendwann, Tag für Tag. Und Will Oldham ist genau da - an dieser Schnittstelle an der sich aus dem Zusammenspiel aus Markt, Werten, Ästhetik und Prozeßen allmählich das neue Album "I Made A Place" aufbaut: "In recent years, the whole world of recorded music, in the way that such music is conceived, perceived, recorded, released and distributed, has been atomized. I tried holding my breath, waiting for the storm to pass, but this storm is here to stay and its devastation is our new landscape. What else is a person to do except what he knows and feels, which for me is making records built out of songs intended for the intimate listening experiences of wonderful strangers who share something spiritually and musically? I started working on these songs thinking that there was no way I was going to finish them and record and release them. This was a constructive frame-of-mind that protected the songs until this frightening moment when we let go of them and give them to you." Ja, die Welt hat sich verändert. Manches verändert sich nie. Einiges verschwindet für immer. Was Gottseidank nicht dazugehört ist ein neues Album von Bonnie „Prince“ Billy. Auch wenn die neue Single ein wenig Apocalypse WOW vermittelt. Sie macht in gewisser Weise dort weiter, wo Blueberry Jam aufgehört hat: (At The) Back of the Pit handelt von den Dingen die wir lieben und was man damit macht, wenn es Zeit wird unsere mühsam errichtete und wieder zerstörte Welt zu verlassen (und wiedergeboren zu werden). Es ist ein bejahender Country Jam: Elegische Momente weichen einem schwungvollen Roots-Rock, eine gefühlvolle Bläsersektion zeichnet die langen Strahlen der untergehenden und die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne nach, wenn sie all unsere hoffnungsvollen Morgen beleuchtet. Das glorreiche Video zu (At The) Back of The Pit, das unter der Regie des Oberstufenschülers Jacob Forman entstand ist HIER zu sehen. Das Album I Made A Place erscheint am 15. November. Die Pressemitteilung landet hier mit Verspätung, ich war ein paar Tage offline. |
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Referenzen
Palace Music; Bill Callahan; Smog; East River Pipe; Hayden; Tortoise; Alasdair Roberts; Purple Mountains; Silver Jews; Magnolia Electric Co.; Lambchop; Jason Molina; Songs:Ohia; Vic Chesnutt; Sun Kil Moon; Townes Van Zandt; Howe Gelb; Mark Eitzel; Iron & Wine; Nick Drake; Elliott Smith; Bright Eyes; Conor Oberst; Justin Townes Earle; Merle Haggard; Johnny Cash; Bob Dylan; Leonard Cohen; Willie Nelson; The Felice Brothers; Hank Williams; Edith Frost; Freakwater; Tarnation; Cat Power; Neko Case; Calexico
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