We Lost the Sea - Triumph & disaster

Bird's Robe / Dunk!
VÖ: 15.11.2019
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Ende Gelände
Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass wir in relativ unsteten, ja wolkenverhangenen, düsteren Zeiten leben – allerdings auch immer in der Hoffnung, die dazugehörige Entladung, das Gewitter möge nie kommen. Man mag gar nicht weiterspinnen, wozu dies noch führen wird, mithin muss man jederzeit mit dem großen Knall rechnen. Im Großen beunruhigt vielleicht ein irrer Staatenlenker, der sich nicht im Griff hat, im Kleinen die individuelle Tragik, in einem Landstrich zu leben, in dem ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung möglicherweise nicht besonders freiheitsliebend ist. Alles apokalyptische Szenarien und demzufolge auch Stoff zur künstlerischen Verarbeitung. Womit wir bei We Lost The Sea wären, einer sogenannten "cinematic instrumental band", oder kurzum: Postrock. "Triumph & disaster" heißt ihr Longplayer Nummer vier und behandelt eine post-apokalyptische Sicht auf die Welt. Dank fehlender, die Musik begleitender Worte bleibt es einem jedem selbst überlassen, in die Musik hinein zu interpretieren, was denn nun das Ende der Welt besiegelt – und wie es danach nun weitergehen mag.
Kurz zur Historie jedoch: We Lost The Sea kommen grob aus der etwas heftigeren Postrock-Ecke, ursprünglich sogar ziemlich aus dem Post-Hardcore. Heiseres Geschrei begleitete die ersten Releases, bis zum Besetzungswechsel bzw. tragischen Tod des Sängers. "Departure songs" markierte einen eher stillen Neuanfang, begleitet von epischen, eher ruhig-melancholischen Songs. "Triumph & disaster" wiederum beginnt ebenso episch, streicht aber die Eigenschaft "ruhig". Es wird direkt, wenn auch dezent drauflosgeholzt. Noch weit entfernt von Post-Metal und Artverwandtem, dafür aber umso näher an härteren Genre-Kollegen wie Explosions In The Sky oder Red Sparowes behandeln diese einsteigenden fünfzehn Minuten den Beginn und das Ende von allem, darunter machen es die Australier nicht. Die Welt mag untergehen, jedoch nicht in einem musikalischen Feurio, sondern in sich zusammenfallend.
"A beautiful collapse", zum Einstieg bestehend aus wenigen, hellen Gitarrenzupfern, setzt nun an diesem Punkt an. Wir haben es geschafft. Das Ende ist erreicht, die Menschheit hat sich auf diesem Planeten überlebt, nun wird es Zeit für etwas Neues. Was genau, soll an dieser Stelle der Cliffhanger den Films sein, den sich die Zuhörenden selbst basteln dürfen. Vorab, nur so viel: Es bleibt einerseits Platz für Traurigkeit, wie in "Dust", welches die Stimmung einiger früher Godspeed-You!-Black-Emperor-Stücke aufgreift, begleitet von einem einsamen Saxopohon. Und es gibt Raum für undefinierten Aufbruch, wie im folgenden, recht langen "Parting ways", in welchem das langsame Aufbauschema des Postrocks vollends zur Geltung kommt. Eine halbe Stunde und viele weitere, typische Songstrukturen und Elemente später schließt "Mother's hymn" recht kitschig, aber auch überraschend "Triumph & disaster" ab.
Insgesamt ist dieses Setting natürlich prädestiniert, wie klischeehaft für Postrock-Künstler. Episches mit Soundwänden und großer Geste geht genreintern immer, und We Lost The Sea kennen wirklich jedes Klischeeriff. Das mag die Kritik an "Triumph & disaster" sein, wirklich innovativ ist dieses Album nicht, denn im Großen und Ganzen verlässt man sich hier auf Soundstrukturen, die es seit fünfzehn Jahren und mehr gibt. Da die Elemente jedoch an ihrem richtigen Platz sitzen, klug arrangiert sind und natürlich technisch auf hochwertigem Niveau gespielt werden, fällt dieser Negativpunkt nicht groß ins Gewicht. Das gute alte "Kann man nicht meckern" als Zeichen von Anerkennung trifft das vierte Album der Australier ganz gut: altbekanntes, aber schön angerichtet. Ein überaus brauchbare Alternative, wenn einem die Lust nach Postrock steht, der alles hat, was Postrock so haben muss und diesen passgenau abliefert.
Highlights
- Towers
- Dust
- The last sun
Tracklist
- Towers
- A beautiful collapse
- Dust
- Parting ways
- Distant shores
- The last sun
- Mother's hymn
Gesamtspielzeit: 64:04 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MartinS Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 1362 Registriert seit 31.10.2013 |
2019-11-15 16:13:04 Uhr
Ich möchte an dieser Stelle ein Bisschen herumgschaftln: Der Sänger ist nicht verbesetzungswechselt geworden bzw. tragisch verstorben, sondern hat sich schlichtweg umgebracht. Ich finde das nicht ganz unerwähnenswert, bei einer Band, die es nicht nur trotzdem immer noch gibt, sondern die diesen Schlag in einer hörbaren Stilveränderung und einem wahnsinnig guten Album (Departure Songs) verarbeitet hat.Ich finde auch, das Stücke wie das recht Soundtrackige "Distant shores" und der wirklich kitschige, aber sehr gut funktionierende Schlusstrack keineswegs Postrock von der Stange sind. Und ich finde auch, dass We Lost The Sea ein ganzes Stück vor so Allerweltspostrock wie Codes In The Clouds oder sowas anzusiedeln sind. Aber mei, Geschmäcker halt ;-) Schön, dass die Band hier stattfindet! |
dieDorit Postings: 2619 Registriert seit 30.11.2015 |
2019-11-14 22:30:27 Uhr
Oh wie schön, das erste Album habt ihr ja sträflich vernachlässigt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 25236 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-11-14 21:24:48 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Teeth Of The Sea; Red Sparowes; Caspian; Envy; Mono; Godspeed You! Black Emperor; God Is An Astronaut; Russian Circles; Explosions In The Sky; Long Distance Calling; Mogwai; Pelican; Yndi Halda; Isis; Neurosis; This Will Destroy You; Wang Wen; Pelican; Crippled Black Phoenix; Syberia; The Pirate Ship Quintett
Surftipps
- http://www.welostthesea.com
- httpshttps://en.wikipedia.org/wiki/We_Lost_the_Sea
- https://welostthesea.bandcamp.com
- https://www.facebook.com/welostthesea/?ref=page_internal
- https://www.youtube.com/channel/UCcFnz2KuNSlIcRAgRgu7SgQ
- https://twitter.com/welostthesea?lang=de
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