Sudan Archives - Athena

Stones Throw / PIAS / Rough Trade
VÖ: 01.11.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Herz über Kopf
Wenn man sich der Künstlerin Sudan Archives annähern will, sind vielleicht zwei biographische Fakten über die in Cincinnati geborene Brittney Parks bedeutsam. Zum einen brachte sie sich im Alter von zehn Jahren das Geigespielen selbst bei. Dies legte den Grundstein für die Liebe zu einem Instrument, das in der Musik von Sudan Archives einen prominenten Platz einnimmt. Das andere wichtige Ereignis war Parks Umzug nach Los Angeles, dessen breitgefächerte Musikszene Inspiration und ein Sich-Ausprobieren jenseits des Tellerrandes gewährleistete. Parks kam in Kontakt mit nordafrikanischer Streichermusik, aber eben auch mit Avantgarde-Elektronik. Diese Einflüsse hört man deutlich auf dem Debütalbum von Sudan Archives, das nun auf zwei hochgelobte EPs folgt. Doch bleibt "Athena" nicht im Stadium eines spannenden Versuchsaufbaus stecken, sondern wird von Parks mit Leben und Gefühl ausgestattet. Denn neben den aufsehenerregenden Zutaten dieser Platte steht vor allem ein beherztes Songwriting mit jeder Menge Ohrwürmern.
"Did you know", eingeleitet mit taktilem Geigen-Zupfen, schafft dann direkt das Kunststück, trotz schwergewichtiger Beats entspannt und mit leichter Hand gezeichnet zu erscheinen. Dieses Tänzeln bekommt durch die Erkenntnis, dass das Leben auch negative Seiten besitzt, eine gewisse Bedrücktheit, die sich in den Falten der samtigen Stimme Parks versteckt hält. Auch das mit himmlischen Streichern ausgestattete "Confessions" setzt auf skeptische Relativierung: "There is a place / That I call home / But it's not / Where I'm welcome." Da mag die Geige jubilieren, die Gesangsmelodie sich in die Höhe schrauben – letztendlich geht es "down / DOWN." Der Alternative R'n'B, den Sudan Archives auf "Athena" präsentiert, macht nicht den Fehler, das Experiment über den emotionalen Gehalt der Melodien zu stellen. Da mag es in "Black Vivaldi Sonata" verrenktes Pluckern und Pumpen geben, doch der Star bleibt immer die tragende Melodie.
Ganz fantastisch gelingt dies in der tanzenden, aber verträumten Leichtigkeit von "Iceland moss": Parks Gesang spult und wickelt sich mit leichten Schlenkern ab, wirkt fast wie der beiläufige Abzählreim eines versonnenen Kindes. Dazu wippen die Percussion und etwas Synthie-Flackern addiert ein wenig Farbe zur matten, milchigen Traumwelt. In "Glorious" ist die Verbindung zu nordafrikanischer Folk-Musik am engsten, der HipHop-Beat und das Rap-Feature sorgen neben dem mäandrierenden Gesang aber für eine ganz klare Verortung im Zeitgenössischen.
Die Arrangements auf dieser Platte sind außergewöhnlich, manchmal schräg in ihrer Zusammensetzung, doch letztlich kommen Songs dabei heraus, die entweder die Glieder in Bewegung setzen oder das Herz schmelzen lassen. Das als passiver Singsang startende "Limitless" entwickelt so zum Beispiel im Refrain eine umarmende Wärme, die ohne ausdrücklichen Punch und großes Spektakel den Hörer in selbstverständlicher Innigkeit willkommen heißt. Man ist ebenso erstaunt, wenn in sich "Pelicans in the summer" eine meerestiefe Orgel mit dem Schattenwurf von Parks Gesang vereinigt und dann daraus doch ein smoother R'n'B entsteht. "Athena" besitzt etwas Außergewöhnliches für ein Debütalbum, Sudan Archives weiß nämlich genau, in welchem Verhältnis ausgefallene Arrangements zu eingängigen Melodien stehen müssen. Die resultierende Mischung spricht das Gefühl an, ohne den Kopf zu vernachlässigen, der sich an den vielen Referenzen, Querverweisen und innovativen Klangaufbauten erfreuen kann.
Highlights
- Confessions
- Black Vivaldi Sonata
- Iceland moss
- Glorious
Tracklist
- Did you know?
- Confessions
- Black Vivaldi Sonata
- Down on me
- Ballet of the unhatched twins I
- Green eyes
- Iceland moss
- Coming up
- House of open tuning II
- Glorious
- Stuck
- Limitless
- Honey
- Pelicans in the summer
Gesamtspielzeit: 42:49 min.
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2019-11-14 21:24:38 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
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